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Maus, Ratte oder Laoshu?

 

Von Susanne Buschmann

 

Das erste, was ich als frischgebackene Studentin der BerlinerHumboldt-Universität im Herbst 1958 erlebte, war die Kartoffelernte auf einem brandenburgischen Acker. Man hatte uns angehende Sinologen, gemeinsam mit unserem chinesischen Professor, erst einmal aufs Land geschickt, um – wie es hieß – den überlasteten LPG-Bauern beim Aufsammeln der Kartoffeln tatkräftig zur Seite zu stehen. Natürlich war alles Hand- und Rückenarbeit. Professor Zhao hielt kräftig mit, war uns manchmal sogar ein Stück voraus in der Furche. Er war sichtlich in seiner Heimat ideologisch darauf vorbereitet worden, dass körperliches Tun auf dem Lande „dem Intelligenzler nur gut tun kann“.

 

Zhao war vorsorglich mit überdimensionalen Gummistiefeln an den Füssen erschienen. Ihre wichtige Funktion zeigte sich bald, als der Professor aus heiterem Himmel in einen wilden Stiefeltanz auf dem Kartoffelacker ausbrach. Das war ein Hüpfen, Stampfen, Treten und Springen! Wir kannten den zartgliedrigen, zurückhaltenden Mann aus China gar nicht wieder. Dazu rief er immer wider aufgeregt ein Wort, das keiner von uns verstand: „Laoshu! Laoshu!“ Einige von uns lachten ganz unverständig, andere meinten erschrocken, der Professor sei gewiss von einer Wespe gestochen oder einer Schlange gebissen worden. Man müsse Hilfe holen. Dass Herr Zhao, den Vorgaben einer damaligen chinesischen Massenkampagne folgend, eine kleine Feldmaus mit aller Konsequenz verfolgte, verstanden wir damals noch nicht. Der politische Kampf gegen das Mäuse-Getier war bis nach Brandenburg gedrungen !

 

So lernte ich meine erste chinesische Vokabel nicht auf der Universität, sondern während körperlicher Arbeit auf einem herbstlichen Acker: laoshu – die Maus. Im Gegensatz zu anderen chinesischen Vokabeln habe ich dieses Wort niemals vergessen. Übrigens hat Professor Zhao damals die niedliche kleine Maus trotz aller Bemühungen nicht erwischt.

 

Erst später erfuhr ich zu meiner Verblüffung, dass die bei uns so ungeliebte Ratte in China ebenfalls Laoshu heißt. Dieses Wissen hat mich in ziemliche Verwirrung und Ratlosigkeit gestürzt. Begehen die Chinesen 2008 nun als das Jahr der Maus oder der Ratte ? Das ist doch ein großer Unterschied ! Oder unterscheidet das Reich der Mitte wirklich nicht zwischen den beiden Nagern ?

 

Wir jedenfalls tun es! Das erkennt man schon an den lateinischen Bezeichnungen: Während die Ratte von den Wissenschaftlern schlicht „Rattus“ genannt wird, gibt sich die Maus damit nicht zufrieden. Da gibt es die Mus musculus domesticus, die Hausmaus, die sich sozusagen als kleine Nachbarin hinter Leisten und Dielen in menschlichen Behausungen versteckt. Oder die Mus musculus musculus, wider Erwarten keine kräftige Muskelmaus, sondern eine auf dem Acker lebende Ährenmaus. Weitaus vornehmere Namen tragen die Apodemus flavicollis, die Gelbhalsmaus, und die Micromys minutus, die Zwergmaus. Da kann Rattus nun wirklich nicht mithalten. Außerdem denke man nur an den Rattenfänger von Hameln, der im Jahre 1284 die vielen Ratten im Rhein ertränkte und schließlich auch noch 130 Kinder kidnappte! Ratten beißen auch. Wer von einer Ratte gebissen wird, sollte möglichst bald zum Arzt gehen, damit er nicht das Rattenfieber bekommt, wenn ich auch gelesen habe, dass diese Krankheit nur in Ostasien auftreten soll. Außerdem haben die Ratten schon im Mittelalter die Pest übertragen und zwar in Europa. Auch dem Schriftsteller Gerhart Hauptmann kamen „Die Ratten“ nicht koscher vor, weshalb er die fiesen Figuren in seinem Theaterstück mit den großen Nagern verglich. Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Auf jeden Fall möchten wir nichts mit einem Menschen zu tun haben, der eine „miese Ratte“ ist !

 

Das ganze Gegenteil ist die Maus. Das liebliche Tier fungiert als Heldin in zahlreichen deutschen Sagen, Märchen und Geschichten. Man denke nur an die Maus von Altenahr, die einst im Kerker schmachtende Gefangene befreite. Oder an die Sendung mit der Maus! Von Amerikas Micky Mouse ganz zu schweigen. Als Kosewort hat das Mäuschen, Mäuseken oder Mausli einen ganz besonderen Klang. Natürlich kann das Wort Mäuschen, von Männern gesprochen und mit entsprechenden Blicken garniert, auch sehr erotisch wirken. Freunde von mir nennen ihre Tochter Mausebein. Ist das nicht lieb? Es gibt auch Fledermäuse und Tanzmäuse. Und wenn die arme Kirchenmaus mehr „Mäuse“ hätte, würde sie bestimmt woanders hinziehen.

 

Was ist aber nun mit der chinesischen Laoshu? Im Zwölf-Jahres-Zyklus des chinesischen Mondkalenders wird jedes Jahr von einem anderen Tier repräsentiert. Laoshu führt den Reigen an, schon seit 3000 Jahren. Menschen, die im Laoshu-Jahr geboren werden – das ist aktuell zwischen dem 7. Februar 2008 und dem 25. Januar 2009 –, wird eine Vielzahl von bemerkenswerten Eigenschaften zugesprochen. Vor allem seien sie charmant, kontaktfreudig, intelligent und erfinderisch, humorvoll, treu und romantisch. Allerdings würden Laoshu-Menschen zu Zeiten gern mit List ans Werk gehen (oder sollte man das eher als „diplomatisches Geschick“ bezeichnen?) Neben vielen guten Eigenschaften zeige sich hin und wieder aber auch ein etwas aggressiver Zug. Nun gut, wenn ein solches Verhalten gepaart mit Kreativität einhergeht, kann man es vielleicht doch noch tolerieren.

 

Kurz und gut: Ich fühle mich als Interessenvertreterin der Maus. Wenn also Journalisten und andere Sprachkünstler über das kommende Mondjahr berichten, mögen sie dieses doch bitte als „Jahr der Maus“ bezeichnen. So müssen wir nicht befürchten, dass unsere Babys, von denen wir sowieso zu wenige haben, als „Rattenkinder“ ins Leben treten. Dagegen lauter charmante kleine Mäuse in diesem Jahr – das ist doch eine sehr motivierende Vorstellung! Zugleich wäre das meines Erachtens eine noble Geste, sozusagen ein Akt des guten Willens gegenüber China, oder nicht ?

 

Übrigens vermute ich, dass es in China doch irgendeinen Geheimcode gibt, um Maus und Ratte zu unterscheiden, den man uns Europäern aber nicht verraten will. Falls ich mich aber irren sollte, wäre es da nicht sehr erfreulich, wenn auch chinesische Germanisten ein wenig Ordnung in den Übersetzungssalat von Mäusen, Ratten und Laoshu bringen würden ?

 

 

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