Wiederheirat
älterer Menschen: ein Lebensabschnitt zwischen Hoffnung
und Hindernissen
Von
Zhang Xueying


Nach dem Tod ihres Mannes,
der 16 Jahre gelähmt im Bett gelegen hatte, nahm Xu Yunying
mit 65 Jahren ihr früher gewohntes Leben wieder auf: morgens
mit ihren Nachbarn zur Morgengymnastik, tagsüber Blumen züchten
und sich abends ihre Lieblingsfernsehserien anschauen. Nach
einigen Jahren im neuen alten Alltagstrott fühlte sie sich wieder
einsam. Ihre Sehnsucht nach dem liebevollen Zusammenleben mit
ihrem Mann in den vergangenen Jahren wuchs und verdrängte
die Erinnerung an die leidvolle Zeit seiner Betreuung am Krankenbett
in den späteren Jahren. Dennoch will sie nicht wieder heiraten.
Nicht
wenige ältere Frauen, insbesondere weniger gut situierte,
denken wie Xu Yunying. Obwohl sich die traditionellen Vorstellungen
von der Ehe ändern, will sich Xu nicht über die Tradition
hinwegsetzen und einen jüngeren Mann heiraten. Ein älterer
Mann kommt ebensowenig in Frage, denn sie befürchtet, dass er
unter gesundheitlichen Problemen leiden könnte. Dazu sagte
sie: „Seelisch und körperlich vertrage ich keine große
Veränderung mehr, und ich kann mir finanziell auch keine
Hausangestellte leisten. Ich will meine restlichen Jahre nicht
einem Mann opfern.“ Seit fünf Jahren hält Frau Xu an diesem
Entscheid fest und lehnt jegliche Ehevermittlung ab.
Die
Freiheit der Eheschließung und ein glückliches Eheleben
wurden von der Regierung der Volksrepublik China immer schon
gefördert und geschützt. Seit dem Ende der 80er Jahre zeichnet
sich ein Alterungsprozess in Chinas Gesellschaft ab. Die Thematik
der Wiederheirat älterer Menschen wird immer wichtiger.
Auf Initiative der Stadtregierung Tianjin wurde damals der Schutz
der Wiederheirat in die lokalen gesetzlichen Bestimmungen von
22 Provinzen und regierungsunmittelbaren Städten aufgenommen.
Der Schutz der Freiheit der Wiederheirat älterer Menschen
wurde ins neue Ehegesetz von 2001 aufgenommen. Verschiedene
Vereine in Wohnvierteln organisieren Seminare, Chöre, Tanzgruppen
und Clubs für ältere Menschen, um ihr Leben zu bereichern.
Außerdem öffneten an vielen Orten Heiratsvermittlungsinstitute
eigens für ältere Menschen ihre Tore, und jüngere Menschen
begannen, sich Gedanken über die Wiederheirat ihres Vaters bzw.
ihrer Mutter zu machen. Sie sind sich deren guten Rechts bewusst,
ein glückliches Leben führen zu dürfen. Und die Massenmedien
spielen die Rolle des Wortführers für die Wiederheirat älterer
Menschen. Durch die gesellschaftliche Unterstützung ist die
Quote der wiederverheirateten älteren Menschen etwas gestiegen.
Eine von dem Gerontologen Hao Maishou aus Tianjin durchgeführte
Untersuchung ergab, dass die Quote der wiederverheirateten älteren
Menschen in der Mitte der 90er Jahre bei 7% lag. In den letzten
zwei Jahren stieg sie um drei Prozentpunkte.
Trotz
gesellschaftlicher Förderung und Unterstützung ist unter
den älteren Menschen eine erhebliche Diskrepanz zwischen
der Zahl der Wiederverheirateten und der Verwitweten feststellbar.
Im Jahr 2000 waren in Tianjin 30,3% der 1,3 Mio. älteren
Menschen verwitwet, während die Wiederverheirateten nur
1/10 davon ausmachten. Du Peng, der Vizedirektor des Forschungsinstituts
für Bevölkerungsstudien an der Renmin-Universität
in Beijing, weist darauf hin, dass seiner Statistik zufolge
die Frauen in diesem Zusammenhang die Mehrheit bilden. Frau
Xu ist ein Beispiel dafür. Die traditionelle Vorstellung, mit
nur einer einzigen Ehe ins Grab zu gehen, ist sehr tief im Denken
vieler Frauen verankert. Außerdem bilden der Widerstand
der Kinder und die Teilung des Vermögens zusätzliche
Hindernisse für eine Wiederheirat.
Gescheiterte abermalige
Eheschließung
Sich
zu einer Wiederheirat zu entschließen, ist nicht leicht,
und ein glückliches Leben danach ist noch schwerer. Am 28. April
2001 wurde in China ein neues Ehegesetz erlassen. Dies brachte
dem 72-jährigen Wang Xinmin in Wuhan neue Hoffnung. In
seiner kleinen, feuchten und dunklen Wohnstube sagte er begeistert
zu seiner neuen Frau: „Jetzt ist es gut! Wir lassen ihn durch
das Gesetz bestrafen. Wir gehen nach Hause.“ Denn wegen seiner
Wiederheirat schmiss ihn sein einziger Sohn, der nur die Unterstufe
der Mittelschule besucht hatte, aus dem Haus, so dass der alte
Wang ein Zimmer mieten musste. Der Vater führte einen kurzen
Prozess gegen seinen Sohn, der wegen „Einmischung in die Freiheit
der Eheschließung“ verurteilt wurde. Doch die Geschichte
war damit nicht zu Ende. Nach zwei Jahren glücklichen Lebens
nach der Wiederheirat wuchs Wangs Sehnsucht nach seinem Sohn
und seinem Enkel. Der Sohn ließ ihn wissen, er dürfe erst
wieder bei ihm einziehen, wenn er sich scheiden lasse. Der alte
Wang geriet damit in ein Dilemma: „Mit meinem Gesundheitszustand
geht es bergab und ich bin nicht wohlhabend. Wenn ich eines
Tages erkranke oder mir ein Unglück widerfährt, werde ich
mich letzten Endes auf meinen Sohn verlassen müssen. Das Leben
mit ihm ist zwar nicht die beste Wahl, aber der Preis für das
glückliche Leben, das ich jetzt führe, könnte die gegenseitige
Belastung von mir und meiner Frau sein.“
Anders als Wang hat der
61-jährige Li in der Provinz Sichuan seine Ehefrau drei
Jahre nach der Wiederheirat verklagt. Er wollte diesen Weg eigentlich
nicht gehen, aber angesichts des Drängens seiner Kinder
konnte er nicht anders. Die Geschichte begann mit der Wiederheirat.
Li und seine Frau namens Zeng hatten beide eine eigene Wohnung,
doch nach der Heirat zog er zu ihr. Ausgerechnet zu dieser Zeit
wollte Zengs Enkelin zum Studium nach Japan und brauchte Geld.
Li war gerade auf Dienstreise in Guangdong. In seiner Abwesenheit
verkaufte seine neue Frau seine Wohnung. Lis Kinder waren darob
sehr erzürnt, gerieten unversöhnlich in Streit mit ihrer
Stiefmutter und benachrichtigten sofort ihren Vater. Sie verlangten
von ihm, dass er den Besitz zurückfordert. Li war ebenfalls
sehr verbittert, weil ihn seine Frau nicht nach seiner Meinung
gefragt hatte. Frau Zeng war anfangs bereit, das Geld zurückzugeben,
ließ die Idee wegen der unversöhnlichen Worte ihres
Mannes und seiner Kinder jedoch sofort fallen. Sie forderte
nun die Scheidung und hieß Li aus ihrer Wohnung ausziehen.
Diese wirtschaftliche Verwicklung führte schließlich zum
Zerwürfnis in der eigentlich harmonischen Familie.
Ein Fall in Tianjin zeigt
eine andere Problematik der Wiederheirat auf. Ein älteres
Paar lernte sich durch ein Heiratsvermittlungsinstitut kennen
und beschloss nach nur einem Monat glühender Verliebtheit zu
heiraten. Knapp drei Monate später ließen sie sich
bereits wieder scheiden. Denn sie mussten bald feststellen,
dass sie vom Charakter her nicht zueinander passten. Die Frau
hatte in ihrer früheren Ehe das Szepter geführt, während
ihr verstorbener Mann immer unter dem Pantoffel gestanden hatte.
Doch ihr zweiter Ehemann war ein Machotyp. Nach der Wiederheirat
kümmerte er sich überhaupt nicht um seine neue Frau und vergnügte
sich oft allein. Sie gerieten sich in die Haare, der Streit
eskalierte im Lauf der drei Monate schnell und löschte
das anfängliche Feuer der Leidenschaft völlig.
Diskrepanz zwischen
Realität und Erwartung
Nach der Meinung von
Pei Xiaomei, einer Forscherin am Gerontologischen Institut der
Tsinghua-Universität, kommt es bei der Wiederheirat nicht
nur darauf an, wie viele Hindernisse ihr im Wege stehen, wie
viele ältere Menschen wieder heiraten oder sich nach der
Wiederheirat wieder scheiden lassen wollen. Entscheidend sei
vielmehr die Diskrepanz zwischen den Erwartungen der älteren
Menschen und der Realität.
Sie bemerkt Folgendes:
„Während viele ältere Menschen ihr Recht auf Wiederheirat
geltend machen, denken sie selten an die Pflichten in der neuen
Ehe. Nehmen wir eine 60 Jahre alte Frau als Beispiel. Wenn sie,
ohne ihre eigene Situation zu berücksichtigen, einen Partner
finden möchte, der bei guter Gesundheit ist, eine eigene
Wohnung hat und wirtschaftlich gut dasteht, dann kommt dies
der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen gleich.“ Ein Mitarbeiter
eines Heiratsvermittlungsinstituts sagt, dass diejenigen Männer
am meisten gefragt seien, die ein monatliches Einkommen von
über 1500 Yuan und eine eigene Wohnung haben und gesund sind.
Aber sie würden immer anspruchsvoller.
In der Tat hat die rasche
gesellschaftliche und wirtschaftliche Umwälzung der letzten
Jahre dazu geführt, dass viele ältere Menschen in zuvor
nie gekannter Unsicherheit leben. Eine vom Chinesischen Forschungszentrum
für Gerontologie durchgeführte Stichprobe ergab, dass sich in
den Städten 47,6% der älteren Menschen für eine Belastung
für ihre Familie halten, auf dem Land sogar 66%. In den Städten
fürchten 50,4% der allein lebenden älteren Menschen, dass
sie im Krankheitsfall niemand betreuen wird, auf dem Land 48,3%.
Die Forscher sind der Meinung, dass dies am unvollständigen
System der Alters- und Krankenversicherung sowie am Problem
der Armut liegt. Die Sozialdienste können den Bedarf nicht
decken, und das geistige Leben ist nicht abwechslungsreich genug.
Dies alles behindert die älteren Menschen in ihrem Bemühen
um einen glücklichen Lebensabend.
Andererseits bilden Wissen,
Können und Reichtum die neuen gesellschaftlichen Werte.
Alter und Lebenserfahrung, einst hoch geschätzt, geben
älteren Menschen keinen Anlass mehr zu Stolz. Das gilt
für die gesamte Gesellschaft genauso wie für die Familie, in
der die älteren Menschen an den Rand gedrängt worden
sind.
Eine Wiederheirat bringt
vielen älteren Menschen handfeste Vorteile, zugleich aber
auch neue Unsicherheiten, die u. a. von utilitaristischen Überlegungen
herrühren.
Lösungsversuche
Das von Prof. Hao gegründete
Heiratsvermittlungsinstitut Maishou ist in Tianjin ziemlich
bekannt, denn es arbeitet nach dem System des Ehevertrags. Prof.
Hao befasst sich seit 20 Jahren mit der Problematik der Wiederheirat
und hat versucht, eine Lösung für das Problem des Opportunismus
und der materiellen Ausnutzung in der Zweitehe zu finden. Nach
eingehendem Studium betreffender ausländischer Gesetze
stellte er bereits zu Beginn der 90er Jahre fest, dass die chinesischen
Gesetzesbestimmungen Lücken aufwiesen. Er stellte darauf das
jetzt landesweit praktizierte Prinzip der „Drei Unantastbaren“
auf. Das Prinzip fordert, dass die Eigentumsrechte, die Erbrechte
und die Beziehungen zu den eigenen Kindern von einer Wiederheirat
nicht angetastet werden dürfen. Damit wird Versuchen, durch
eine Wiederheirat an den Besitz eines anderen zu gelangen, sich
dessen Erbe zu erschleichen oder sich der Pflicht zu entledigen,
für seine Eltern zu sorgen, ein Riegel vorgeschoben.
Um die Verbindlichkeit
des Prinzips zu verstärken und es praktizierbar zu gestalten,
arbeitete Hao einen Ehevertrag aus, der erst rechtliche Gültigkeit
erlangt, wenn die Zustimmung beider Partner belaubigt ist. Der
Vertrag ist ein umfassendes Dokument und regelt den Haus- und
Geschäftsbesitz vor der Wiederheirat sowie die Zuständigkeit
für den Lebensunterhalt und medizinische Behandlungskosten in
der neuen Ehe. Überdies enthält er detaillierte Bestimmungen
zu allen möglichen wirtschaftlichen Fragen. Der Ehevertrag
wurde im Lauf der Zeit vervollständigt. Beispielsweise
wurde vor wenigen Jahren ein Paragraph über die Regelung des
Besitzes von Antiquitäten aufgenommen.
Mit seiner Lösung
scheint Prof. Hao den richtigen Weg eingeschlagen zu haben,
denn das System des Ehevertrags hat sich als wirksam erwiesen:
Von 300 Paaren, die vor ihrer Wiederheirat einen Ehevertrag
unterschrieben, ließen sich nur 3% scheiden.
Ganz ohne Probleme ist
das System des Ehevertrags jedoch auch nicht. Viele ältere
Menschen wollen den Vertrag nicht unterzeichnen, oder nur eine
vereinfachte Version, die sie jedoch weder unterschreiben noch
beglaubigen lassen wollen. Denn viele Chinesen, so ein Heiratsforscher,
sind den traditionellen Vorstellungen von Liebe und Ehe verhaftet,
wonach die Ehe keine Gemeinschaft zweier Individuen ist, sondern
der Kern einer Familie. Außerdem trägt das System
des Ehevertrags die Färbung westlicher Gesellschaften.
Der Ehevertrag kann zwar wirtschaftliche Interessen in der Ehe
regeln, aber keine anderen Bereiche. Am meisten Kopfschmerzen
bereitet Prof. Hao, dass sich manche Partner nach der Unterzeichnung
des Ehevertrags nicht an ihn halten. Es kommt vor, dass sich
einer nicht am gemeinsamen Lebensunterhalt beteiligt oder den
Besitz des Ehepartners bzw. der Ehepartnerin gewaltsam in Besitz
nimmt. Das führt meistens zu einem Gerichtsprozess und endet
mit der Scheidung.
Neuer Trend: Konkubinat
und generationenüberschreitende Eheschließung
Heute leben immer mehr
ältere Liebespaare unverheiratet zusammen. Die chinesische
Gesellschaft hat momentan Stufe zwei des Reaktionsprozesses
von Beschimpfung, Widersprache, Zustimmung und stillschweigender
Anerkennung erreicht. Denselben Prozess durchlief in den 80er
Jahren das Zusammenleben junger Menschen vor der Ehe. Prof.
Hao setzt sich allerdings auch sehr für das unverheiratete Zusammenleben
älterer Menschen ein.
Beim Konkubinat älterer
Lebenspartner handelt es sich um das Zusammenleben alleinstehender
älterer Menschen im Alter von über 50 Jahren mit dem Ziel,
sich im Alltag gegenseitig zu helfen und den Lebensabend gemeinsam
zu verbringen. Das Zusammenleben unterliegt keiner Pflicht,
sich gegenseitig ernähren zu müssen. Die Kinder der Partner
erfüllen unabhängig voneinander ihre Pflicht, den Unterhalt
ihres Elternteils zu besorgen. Der Besitz der zwei Konkubinatspartner
wird jeweils von ihren eigenen Kindern geerbt. Sie können
natürlich in einem Testament die Teilung des Erbes festlegen.
Manche Leute sagen, dass
es sich beim Konkubinat um Liebe handelt, bei der Wiederheirat
um eine Interessengemeinschaft. In der Tat stellt das Zusammenleben
eine Freundschaftsbeziehung dar. Der Nachteil dieser Beziehungen
ist, dass sie nicht sehr stabil sind. Der entsprechende Vorteil
ist, dass beide Seiten die Freiheit des anderen gegenseitig
respektieren und friedvoll auseinandergehen können. Man
kann natürlich auch ein rechtliches Abkommen schließen
und bei der Behörde der Zivilverwaltung registrieren lassen.
Das abgeschlossene Abkommen kann gekündigt werden, wenn eine
Seite nicht mehr damit einverstanden ist.
Die Wiederheirat älterer
Menschen ist zu einem gewissen Grad schwierig. Sie haben in
ihren langen Lebensjahren ihre eigenen Lebensgewohnheiten herausgebildet
und können sie nur schwer ändern. Es ist auch ziemlich
schwierig, jemanden mit einem ähnlichen Charakter und den
gleichen Interessen zu finden. Außerdem stellen viele
Faktoren wie Wohnungsprobleme, die Beziehung zu den eigenen
Kindern und wirtschaftliche Fragen gewisse Hindernisse dar,
so dass selbst ältere Paare, die miteinander zufrieden
sind, ihr Leben nicht zusammen gestalten können, sondern
auseinandergehen müssen, was sehr bedauerlich, aber nicht selten
ist. Denn es kommt oft vor, dass ältere Menschen, wenn
sie die Gelegenheit zu einer neuen Ehe erhalten, sich oft um
ihre Enkelkinder kümmern wollen und müssen. Andererseits kommt
es auch vor, dass eine Wiederheirat von den Kindern eingeleitet
wird, damit sich die ältere Generation um die Enkelkinder
kümmern kann. Zur Zeit wohnen die meisten älteren Menschen
wegen ihrer bescheidenen Rente mit ihren Kindern zusammen, der
Wohnraum ist knapp. Die Kinder mancher älterer Menschen
sind noch nicht lange genug berufstätig und können
sich deshalb keine Eigentumswohnung leisten, während es
die älteren Menschen nicht übers Herz bringen, sie wegen
einer Wiederheirat aus dem Haus ausziehen zu lassen. Manche
Kinder fürchten wegen der Wiederheirat ihrer Eltern um den Verlust
des Erbes. Das sind weitere Hindernisse für eine Wiederheirat.
Die generationenüberschreitende
Eheschließung ist ein neues Phänomen bei der Wiederheirat
älterer Menschen. Frau Liu arbeitet seit vielen Jahren
in der Partnervermittlung. Ihrer Erfahrung nach suchen Männer
nach einer jüngeren Frau, die sich um sie kümmern können.
Besonders ältere Männer wollen eine jüngere, hübsche,
schlanke und liebe Frau haben. Der größte Altersunterschied
in einer von Frau Liu vermittelten Ehe betrug nahezu 40 Jahre,
also fast zwei Generationen. Frau Liu stellt solche Verbindungen
nur her, wenn beide Seiten einverstanden sind.
Der Sexualforscher Shi
Chengli sagt, dass sexuelle Befriedigung ein Antrieb für sog.
„generationenüberschreitenden Ehen“ ist. Das Sexualleben in
der Ehe, über das zu sprechen man sich früher schämte,
ist heute ein wichtiges Kriterium für die Qualität des
Ehelebens.
In der traditionellen
chinesischen Medizin wird die Auffassung vertreten, dass die
Befriedigung menschlicher Gefühle und Triebe der Gesundheit
der Menschen sehr schadet. Die Wahrung einer friedvollen Gemütslage
kann das Immunsystem stärken und zu einem langen Leben
beitragen. Insbesondere ältere Menschen sollten möglichst
enthaltsam sein, um ihre vitale Essenz und Energie zu erhalten.
Aber die moderne Medizin
betont, dass ein glückliches Eheleben die gesunde Sekretion
des Körpers fördert und ihn in beste Verfassung bringen
kann, was die Anfälligkeit für Krankheiten ebenfalls mindert.
Experten der modernen Medizin sprechen sich dafür aus, dass
ältere Menschen nach einem glücklichen Sexualleben streben
sollen – auch dieses Gesprächsthema war früher tabu. Sie
sagen, dass bei 90,4% der über 60-jährigen Männer
der Sexualtrieb ungebrochen sei, bei 54,7% sei er sogar stark.
Männer und Frauen
unterscheiden sich in physiologischer Hinsicht. Der Sexualtrieb
der Männer ist im Alter von 70 Jahren deutlich spürbar,
aber bei den Frauen besteht in diesem Alter wegen der funktionalen
Schwächung der Eierstöcke kaum noch ein diesbezügliches
Bedürfnis.
Prof. Hao sagt, ältere
Menschen hätten in einer neuerlichen Ehe viele Bedürfnisse,
seien es körperliche oder geistige. Die Partner müssten
lernen, diese Bedürfnisse zu befriedigen, beispielsweise jugendliche
Gefühle in die Ehe einzubringen, um die Ehe nicht alt aussehen
zu lassen.