August 2003
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Tourismus

Bars in der Altstadt
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Bars in der Altstadt

Von Guan Yunzhang

Es ist sieben Uhr abends. Der letzte Sonnenschein fällt auf die Baumkronen und Hausdächer. Der Abendwind weht über den See, lauwarm und feucht. Die Bars am Shichahai-See in Beijing sind voller junger Leute. Sie plaudern und trinken. Rund um den See hört man das Wispern der Menschen, ab und zu Vogelgezwitscher. In diesem Barviertel gibt es über 10 Lokale, es ist nicht weniger bekannt als das Kneipenviertel in Sanlitun.

Traditionelle Kultur als Hintergrund

In den letzten 10 Jahren hat sich Beijings Stadtkultur stark verändert. Großflächige Hutong-Viertel (Hutong bedeutet „Gasse“) sind modernen Hochhäusern und breiten Straßen gewichen. Der einst gemächliche Lebensrythmus beschleunigt sich. Viele traditionelle Imbisse und Delikatessen verschwinden allmählich aus dem Alltagsleben. Historische Spuren findet man nur noch in den Büchern oder Museen. Zwar sind manche alten Bauwerke und Relikte erhalten geblieben, aber in ihrer veränderten Umgebung erkennt man ihre ursprüngliche Bedeutung kaum.

Zum Glück hat sich das Bild von Shichahai fast komplett erhalten. Seit der Yuan-Dynastie (1271–1368) wurden rings um den See viele Residenzen, Tempel, Gildenhäuser und Wohnhäuser erbaut, die nicht nur gut erhalten geblieben sind, sondern in den letzten 10 Jahren mehrmals restauriert wurden.

Der Barbesitzer „Zöpfchen“ musste einst wegen des Abbruchs der Hutongs umziehen. Heute lebt er noch immer in einer Hutong. Er meint, die Hutongs seien eine eigene Kulturform. Die Viertel seien nur scheinbar lärmig und gedrängt. In Tat und Wahrheit lebe man in einer Hutong frei und entspannt.

Auch Lao Qi ist nostalgisch. Er besitzt zwei Kneipen am See, die sehr behaglich eingerichtet sind. Die Innenausstattung hat er selbst gemacht. In der einen Kneipe gibt es einen kleinen Kohleofen, aus dem ein Schornstein aus Eisenblech ragt. In der anderen hängt ein Foto aus der Vergangenheit, auf dem ein Slogan aus den 80er Jahren zu lesen ist: „Zehntausend Haushalte praktizieren die neue Heirats- und Geburtspolitik, alle werden glücklich.“

Der Luxus und das Verschwenderische des Kneipenviertels in Sanlitun passen gut zu den Hochhäusern, modernen Hochstraßen und glitzernden Glasfassaden der Wolkenkratzer, die in der Umgebung die Atmosphäre einer Metropole ausmachen. Das nur 5 km entfernte Shichahai-Viertel ist eher ruhig und verbindet die Kultur einer modernen Stadt mit den traditionellen Künsten.

Was gibt es Schöneres, als in einem bequemen Lehnstuhl zu sitzen, vor sich einen duftenden Kaffee und im Haar die frische Brise, und den Blick über den stillen See schweifen zu lassen, die grünen Trauerweiden, saftig grüne Lotosblätter, tausenjährige Brücken, schmale, ruhige Hutongs und die majestätischen Glocken- und Trommeltürme – ein herrliches Bild.

„Kleinbürgerliche“ Färbung

„Zöpfchen“ war unter den ersten, die am Shichahai eine Bar gründeten. Später eröffnete er ein Zweiggeschäft auf der Insel in der Mitte des Sees. Nach 8 Uhr abends ist die Bar oft voll besetzt. „Zöpfchen“ ist sehr stolz: „Die Gäste sind meistens Ausländer und Chinesen, die es verstehen, das Leben zu genießen..“

Die Chinesen nennen diese Leute „Xiaozi“ (Kleinbürger) oder „bobo“ (von „bourgeois bohemians“). Diese Gruppe wird durch ihre Lebensanschauung statt durch ihr Monatsgehalt bestimmt. Sie streben nach einer besseren Lebensqualität, und Bars, Cafés, Reisen auf eigene Faust und Fitness sind wichtige Bestandteile ihres Lebens. Sie sehen sich westliche Filme an, essen Eis bei Häagen-Dazs und gehen für einen Einkaufsbummel in die Läden für Exportkleidung. In ihrem Leben sind sie zwischen Tradition und Moderne hin- und hergerissen.

Der 29-jährige Li Yong ist Angestellter in einer Firma. Er ist ein Stammgast des Barviertels am Shichahai. Sanlitun gefalle ihm nicht, sagt er, es sei zu lärmig. „Außerdem ist es dort so verkommen, das macht mich unwohl.“

„Zöpfchen“ ist nicht glücklich, wenn er „Xiaozi“ genannt wird. Diese Bezeichnung hat in China eine abwertende Bedeutung. „Bobo“ gefällt ihm besser. Seine erste Bar heißt „Pass-by Bar“ und liegt tief versteckt in einer kleinen Gasse. Er hat ein Siheyuan (einen viereckigen Wohnhof mit ebenerdigen Häusern) gemietet, der noch mit Steintrommeln und Fenstergittern im alten Beijinger Stil versehen ist. „Zöpfchen“ organisiert ab und zu Ausflüge und Expeditionen. Als Student der Künste und der Malerei war er mehrmals in Tibet. Einmal fuhr er sogar mit dem Fahrrad von Golmud nach Lhasa. In seinen Kneipen sieht man tibetischen Hängeschmuck. „Zöpfchen“ beharrt darauf, dass Reisen im Leben unentbehrlich sei. Ein Leben ohne Reiseerlebnisse sei fade. Seine Stammgäste sind oft Mitreisende. Sie schauen sich zusammen die Fotos von den Reisen an oder hören sich seine Abenteuergeschichten an. „Zöpfchens“ zweite Bar ist mehr kommerziell ausgerichtet, während er seine erste nur aus Interesse eröffnete. In den ersten drei Jahren nach ihrer Eröffnung machte er gar keinen Gewinn.

Verwestlichte Form

„Musik, Alkohol, Menschengedränge“ – das ist es, was man in der Regel unter westlicher Barkultur versteht. Die Bars in Sanlitun sind sowohl hinsichtlich der Innenausstattung als auch des Musikstils und der Bewirtschaftungsform im europäisch-amerikanischen Stil gehalten. Die Bars in Shichahai dagegen haben von westlichen Bars nur die Form übernommen.

Die „Nali“-Bar („There“) liegt in der Mao’er-Hutong. Der Barbesitzer hat ein Siheyuan in ein Haus im deutschen Stil umbauen lassen. Das Besondere an der Bar sind die zahlreichen Fotos, die entweder von namhaften Fotographen oder von Freunden des Barbesitzers gemacht wurden. In der Bar werden manchmal Fotoausstellungen veranstaltet. Auf Flugblättern der Bar steht: „Das Leben ist nicht anderswo, sonder dort...“

Die Baifeng-Bar liegt am Houhai-See zwischen der Di’anmen-Straße und der Yindian-Brücke. Das Haus sieht schäbig aus. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass hier eine Bar ist. In der Bar ist es ruhig, leichte Musik hängt in der Luft. Verglichen mit vielen anderen Bars ist diese geeignet für Rendezvous.

Wenn man dem See entlang nach Süden in eine Hutong geht, erblickt man die „Zuo’an“-Bar („Linkes Ufer“). Der Name geht auf das Südufer der Seine in Paris zurück, womit er Kultur und Kunst signalisiert. In der Bar werden oft Filme gezeigt. Das Innere der „Zuo’an“-Bar ist schlicht gehalten. Ein chinesischer Tisch steht am Eingang, auf dem ein Aquarium mit Goldfischen steht. Die Sofas sind sehr weich. Im Sommer kann man den Abend draußen im Hof in einem großen Korbsessel verbringen.

Die „Hutong Xieyi“-Bar ist so klein, dass sie oft übersehen wird. Im engen Raum hängen viele impressionistische Bilder. Die Bar sieht wie ein kleines Malerstudio aus. Vor der Tür sieht man oft viele Ausländer am See sitzen.

Hinweise:

1.      Am 28. September 2002 wurde in Beijing das erste „touristische Kulturfest Shichahai“ veranstaltet. Während des 10-tägigen Fests gab es viele Programmpunkte wie Residenz-Besichtigungen, Bummeln in den alten Straßen, die Besichtigung alter Tempel und Wohnhäuser, Rikschafahrten in den Hutongs, das Besteigen des Glocken- und des Trommelturms, Kulinarische Angebote und Bootsfahrten.

2.      Sechs Buslinien führen zum Shichahai: 107, 111, 118, 13, 810 und 850.

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