Februar 2002
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Wirtschaft

 

Städtebauentwicklung in Beijing
Monozentrum oder Polyzentren in Beijing
Neues Beijing, neue Olympiade
Ziel: Große Weltmetropole im 21. Jahrhundert

Monozentrum oder Polyzentren in Beijing

Warum muss man beim Aufbau der Stadt Beijing den Tian’anmen-Platz als das Zentrum nehmen?

Beijing ist eine der sieben alten Metropolen Chinas. Über 800 Jahre lang war Beijing Hauptstadt mehrerer Dynastien. Der Begriff „Altstadt Beijings“ bezieht sich auf jene Teile der Stadt, die aus der Ming- (1368-1644) und der Qing-Dynastie (1644-1911) noch erhalten sind. Der Kaiserpalast hat eine Geschichte von 600 Jahren und ist mit einer Fläche von 700 000 qm (darunter 150 000 qm Baufläche) die größte, gut erhaltene Kaiserstadt in der Welt. Diese im Zentrum, und zwar auf der Süd-Nord-Achse Beijings befindliche Kaiserstadt, in der wertvolle Kulturgegenstände und –denkmäler aufbewahrt sind, wurde 1997 von der UNESCO in die Namenliste des Kulturerbes der Welt gesetzt.

Seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts bemüht sich die Stadt Beijing darum, das Verkehrsproblem zu lösen. Jahr für Jahr werden alte Straßen verbreitert, neue Straßen sowie Kreuzungen mit Unter- und Überführungen angelegt. Außerdem sind die zweite, dritte, vierte, fünfte und sechste Ringstraße entstanden. Trotzdem ist das Verkehrsproblem nicht von Grund auf gelöst.

Jetzt erinnert man sich an Liang Sicheng, einen bekannten Architekten in China. Er war für den Entwurf des Staatswappens der Volksrepublik China und des Denkmals der Volkshelden auf dem Tian’anmen-Platz zuständig. Jahrzehnte lang beschäftigte er sich mit der Pädagogik und Konstruktion auf dem Gebiet der Architektur sowie dem Studium der antiken Bauten und leistete große Beiträge zur Entwicklung der Architektur Chinas.

Anfang der 50er Jahre drehte sich die Diskussion bei der Ausarbeitung des Entwicklungsprogramms der Hauptstadt vor allem darum, wo das Zentrum der administrativen Verwaltungen in Beijing liegen sollte.

Damals gab es zwei unterschiedliche Meinungen. Experten aus der Sowjetunion, die auf Einladung der Stadtregierung zur Unterstützung Beijings bei der Stadtplanung kamen, und manche chinesische Experten wie Hua Nangui, Zhu Zhaoxue und Zhao Dongri traten dafür ein, dass das Zentrum der administrativen Verwaltungen in der Altstadt liegen sollte. Liang Sicheng, Chen Zhanxiang und andere Architekten waren der Auffassung, dass sich dieses Zentrum von Yuetan (Mondtempel) bis zu Gongzhufen (Grab der Prinzessin) erstrecken, also im westlichen Außenbezirk liegen sollte.

Ein riesiges Verwaltungszentrum sei schwer, so Liang und Chen, in die Altstadt zu integrieren, wo ein komplettes gewachsenes Viertel bestehe. Es sollte nicht zerstört werden, weil es Regeln und Anordnungen über die Gestaltung der Hauptstadt in der alten Zeit Chinas repräsentierte. Außerdem war die Bodenfläche in der Altstadt beschränkt.

Liangs Konzept gemäß sollte Beijing drei Zentren haben: eine Altstadt, ein neues Verwaltungszentrum in der westlichen Vorstadt und ein neues zentrales Gewerbegebiet in der südwestlichen Vorstadt. Dadurch könnte die bei einem Monozentrum entstehende Konzentration von Menschen und Verkehr vermieden oder zumindest reduziert werden.

Dieses Grundproblem existiert immer noch. In Wirklichkeit wurde Beijing nach dem Gedanken über das Verwaltungszentrum in der Altstadt aufgebaut. Das Durcheinander beim Städtebau Beijings und die Verkehrshindernisse in der Stadt seien, so meinen manche Leute, darauf zurückzuführen, dass das Konzept von Liang und Chen nicht angenommen wurde. Das ist zweifellos ein Grund dafür. Eine historische Betrachtungsweise macht aber die Kompliziertheit der Materie deutlich.

Kurz nach der Gründung der Volksrepublik hatte der Staat große finanzielle Schwierigkeiten. Damals war es unmöglich, ein neues Verwaltungszentrum zu bauen, ohne das alte zu nutzen. Für die Volksregierung war es ebenfalls unmöglich, die Hauptstadt zunächst aufzubauen, wenn die Bevölkerung noch ein schwieriges Leben führte. Der damalige Ministerpräsident Zhou Enlai bekräftigte mehrmals, während seiner Amtsperiode kein Bürogebäude für den Staatsrat zu bauen. Nicht zuletzt machte der Gedanke der Chinesen über den Mittelpunkt der Kaiserstadt es auch schwer, den Vorschlag Liang Sichengs über die drei Zentren anzunehmen.

Am 11. Oktober 2001 gaben Wu Liangyong, früher Assistent von Liang Sicheng, jetzt Mitglied der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und der Chinesischen Akademie der Ingenieurwissenschaften und Professor an der Qinghua-Universität, und Liu Xiaoshi, Berater der Stadtregierung, ehemaliger Amtsleiter für Stadtplanung und Chefarchitekt, den Journalisten von „China heute“ ein Interview.

Wu Liangyong: „Schutz und Entwicklung stehen oft im Widerspruch. Der Vorschlag Liang Sichengs, ein neues Verwaltungszentrum zu bauen, zielte es darauf ab, das Problem über den Widerspruch zwischen dem Schutz und der Entwicklung zu lösen. Ein neues Zentrum kann modernisiert werden. Er hat es leider nicht theoretisch untermauert.“

Schon 1984 kommentierte er: „Es gab mehrere Gründe dafür, das Konzept der Herren Liang und Chen nicht anzunehmen. Kurz nach der Gründung der Volksrepublik war der Staat noch zu schwach, um eine neue Stadt aufzubauen. Die Altstadt Beijings, die von mehreren Dynastien aufgebaut wurde, ist großartig. Und das Tian’anmen (Tor des Himmlischen Friedens), von dem aus die Gründung der Volksrepublik verkündet wurde, hat ein neues Kapital in der Geschichte Chinas aufgeschlagen. Außerdem ist das Konzept von Liang und Chen auch nicht ideal. Das neue Verwaltungszentrum liegt abgelegen und im Konzept fehlt es an einer attraktiven gigantischen Stadtteilung. Das könnte auch ein Grund für die Ablehnung dieses Konzepts sein.“

Liu Xiaoshi sagte: „Es war ein Fehler, den Vorschlag von Herrn Liang nicht zu akzeptieren. Die Durchführung seines Konzepts, also der Aufbau einer neuen Stadt, hätte schrittweise je nach den finanziellen Kräften des Staates erfolgen können. Eine flexible Planung wäre durchführbar gewesen.“ „Damals lernte man alles von der Sowjetunion“, fügte Liu hinzu. „Man musste die Meinung der sowjetischen Experten anhören.“

Das Konzept von Herrn Liang wurde, so meinte Dong Guangqi, damals aus Mangel an finanziellen Mitteln, aber auch an Erkenntnissen nicht akzeptiert. Es sei eine bittere Erfahrung, dass die Fragen über den Schutz und die Umgestaltung der Altstadt, die Liang in seinem Konzept aufgestellt hatte, nicht berücksichtigt wurden.

Aus heutiger Sicht ist es klar, dass die Ursache des Verkehrsstaus in der Stadt in der Konzentration von Büros in einem Stadtgebiet begründet liegt - das Resultat eines Monozentrums.

 

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