Tonfigürchen aus Huishan

Die Stadt Wuxi, am Unterlauf des Yangtse gelegen,
ist nicht nur als ein attraktives Reiseziel, sondern auch für
Tonfigürchen aus Huishan bekannt. In- und ausländische
Touristen kaufen dort als kunstgewerbliches Mitbringsel gerne
Huishan-Tonfigürchen, die das exotische Flair der Volkskunst
aus dem Osten besitzen.
Der Berg Huishan liegt im Westen der Stadt
Wuxi. Drei Meter unter der Erde am Fuß des Huishan findet
man den besonderen Lehm, der sich dadurch auszeichnet, dass
er nach dem Trocknen keine Risse bekommt. Dieser unansehnliche
Lehm wird durch Schlagen, Kneten, Formen und Färben von
Künstlern zu lebendigen Tonfiguren gestaltet. Man kann die Geschicklichkeit
der Kunsthandwerker nur bewundern, denn sie benutzen zum Formen
des Lehms außer ihren Händen lediglich für die Feinarbeiten
einfache Werkzeuge wie Stahl-, Bambus- und Büffelhornmesser.
Die fertigen Figuren brauchen nicht gebrannt zu werden , man
lässt sie einfach einige Tage im Schatten trocknen. Wenn
man sie richtig aufbewahrt und nicht fallen lässt, halten
sie sich viele Jahre.
Die Kunst des Tonfigurenformens in Huishan
hat eine Geschichte von mehr als 400 Jahren. Am Anfang galt
die Anfertigung von Tonfigürchen als ein häusliches Nebengewerbe
der Bauern in Huishan. Sie machten und verkauften nur in ihrer
Mußezeit Tonfigürchen, die meistens kleine Buddha-, Menschen-
und Tierfiguren darstellten.
In den ersten Jahren der Qing-Dynastie (1644-1911)
entstanden einige Werkstätten, die saisonal Tonfigürchen
anfertigten. In der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten
sie sich zu den größeren Manufakturen, die ausschließlich
Tonfigürchen produzierten. Die Produktpalette verbreiterte sich
im Lauf der Zeit. Man begann mit dem Formen der Figuren aus
den Volkssagen und Legenden wie die Langlebigen Alten mit Pfirsichkopf
und weißen Haaren, die Blumen ausstreuenden Feen,
imposante Generäle und lustige Kinder.
Besonders zu erwähnen sind die Katzenfigürchen,
die damals in den Provinzen Jiangsu und Zhejiang vor allem bei
den Familien der Raupenzüchter beliebt waren. Einer Legende
zufolge war ein alter Meister in Huishan für seine Katzenfigürchen
bekannt, die mit ihren strahlenden Augen wie lebendig wirkten.
Eine junge Raupenzüchterin kaufte ein solches bei ihm und ließ
es in der Raupenstube in der Hoffnung stehen, dass es Mäuse
fernhalten könnte. Es geschah wirklich so. Früher musste
sie wie andere Raupenzüchter in der Nacht in der Raupenstube
schlafen und mehrmals aufstehen, um die Mäuse zu vertreiben.
„Die Mäuse fürchten sich vor der kleinen Tonkatze!“ – Diese
Nachricht verbreitete sich sehr schnell unter den Raupenzüchtern.
Alle kauften in Huishan kleine Tonkatzen und nannten sie „Raupenkatze“.
Diese Raupenkatzen von Huishan wurden dann, besonders in der
Raupenzuchtsaison, stark gefragt.
Damals war die Kunst der Huishan-Tonfigürchen
so hochentwickelt, dass zum Beispiel die Werke des Volkskünstlers
Wang Chunlin als Tribut an den Kaiserhof der Qing-Dynastie gesandt
wurden. Sie waren im Pavillon des Buddhistischen Wohlgeruchs
im Sommerpalast aufbewahrt, bis sie 1900 von den Soldaten der
verbündeten Streitkräfte der acht Mächte bei ihrer
Besatzung Beijings geraubt wurden.
In der Mitte und der späteren Qing-Dynastie
trat die Kunst der Huishan-Tonfiguren mit der Verbreitung der
Kunqu-Oper und der Pekingoper in ein neues Zeitalter ein. Zahlreiche
Tonfiguren wurden den Gestalten in den Opernstücken nachempfunden.
Beim Formen der Trachten, Frisuren und Kopfbedeckungen der Dargestellten
benutzte man außer Schlagen und Kneten noch die Techniken
des Dröselns, Rubbelns und Zierstechens, wodurch die Tonfiguren
noch lebendiger wirken konnten.
Zhou Asheng, ein anerkannter Künstler in der
ausgehenden Qing-Dynastie, war zum Beispiel darin gewandt, Tonfiguren
aus den buddhistischen und mythischen Werken zu kneten. In Zusammenarbeit
mit Chen Xingfang, die eine geschickte Bemalerin war, schuf
Zhou eine Gruppe Tonfiguren mit dem Titel „Zusammentreffen der
Unsterblichen“. Alle 24 Unsterblichen hatten verschiedene Gestalten
und unterschiedliche Gesichtsausdrücke. Die von den beiden geschaffenen
Tonfiguren wie die wohltätige Guanyin-Bodhisattwa, das
zärtliche Mädchen und die gütigen Götter des
langen Lebens werden als klassische Werke der Huishan-Tonfigürchen
bezeichnet.
Ende der Qing-Zeit gab es in der Huishan-Straße
über 40 Manufakturen, die auf die Herstellung der Tonfiguren
spezialisiert waren. Im Jahr 1885 wurde ein Satz Huishan-Tonfiguren
der Acht Unsterblichen zur Feier des 50. Geburtstags der Kaiserwitwe
Cixi dem Kaiserhof überreicht. 1919 wurden die Tonfiguren
aus Huishan auf einer Messe Südostchinas mit der Silbermedaille
ausgezeichnet.
Nach der 4. Mai-Bewegung im Jahr 1919 hatten
die Huishan-Tonfigürchen infolge der Einflüsse durch die Neue
Literatur eine neue Tendenz (mehr Wert auf die Realität
und mehr reale Szenen aus dem Leben). Die Tonfiguren mit solchen
Themen wurden in den darauffolgenden 50 Jahren immer noch stark
gefragt.
In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts
wurde ein Forschungsinstitut gegründet, um die Kunst der Huishan-Tonfiguren
weiter zu entwickeln. Mit der Gründung der Huishaner Tonfigurenfabrik
machte sich eine ganze Anzahl von Volkskünstlern einen Namen.
Wang Shiquan zum Beispiel übernahm die Kunst der Pekingopern-Masken
und schuf anhand der Gestalten in den Pekingopernstücken zahlreiche
Tonfiguren.
„Da A Fu“, was auf Deutsch glücklicher Dicker
bedeutet, ist eine von Gao Biao geschaffene Figur. Sie ist bei
der Bevölkerung besonders beliebt, weil sie ein Symbol
für Glück ist. Der Gückliche Dicke sieht gemütlich aus, wobei
sein Kopf die Hälfte des ganzen Tonfigürchens ausmacht.
Er trägt ein Brokatkleid, das mit einem Muster aus rosa
Pflaumenblüten verziert ist und fünfmal das chinesische Schriftzeichen
„Fu“ (Glück) aufweist, was fünffaches Glück – Langlebigkeit,
Reichtum, Ruhe und Frieden, Tugend, Gesundheit – bedeutet. In
den Händen hält er einen Goldhaarlöwen.
Dazu wird eine Legende erzählt: Es war
einmal in Huishan ein Goldhaarlöwe, der kleine Kinder fing
und sie auffraß. Eines Tages kam ein Gott in der Gestalt
eines Kindes zu dem Goldhaarlöwen und besiegte diesen,
indem er ein zauberkräftiges, mit Glöckchen versehenes
Geschmeide schüttelte. Später nannte man ihn „A Fu“ und
modellierte aus Lehm den Glücksbringer „Da A Fu“. Der Begriff
„Da A Fu“ wird nun allgemein als Bezeichnung für Tonfiguren
aus Huishan verwendet.
Heute werden die Tonfigürchen aus Huishan
in den mehr als 50 Ländern und Gebieten gefragt. Menschen
im In- und Ausland lernen immer mehr den Wert dieser Volkskunst
aus dem Osten zu schätzen.