Juli 2003
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Pan Shiyi: Ein avantgardistischer Immobilienkönig

Von Zhan Ni

Von weitem gesehen ähnelt das „Bambushaus“ der Krone, welche die chinesischen Kaiser trugen. Die Trennwände aus Bambus erinnern an die Quasten, die über des Kaisers Stirn herunterhingen. Die Villa besteht aus soliden Decken und Böden und aus Glaswänden, doch ihre Trennwände sind aus Bambus, so dass sie für das Sonnenlicht durchlässig sind. Ihre Räume sind auf diese Art getränkt mit fernöstlicher Mystik.

Die Villa ist das Werk des berühmten japanischen Architekten Kengo Kuma. In ihrer Nähe stehen 11 weitere Werke talentierter junger Architekten aus China, Japan, Singapur, Thailand und der Republik Korea. Diese exotischen Häuser, „Commune by the Great Wall“ genannt, sind in einem unkonventionellen, avantgardistischen Stil gehalten. Sie befinden sich außerhalb von Beijing bei der Großen Mauer im Kreis Yanqing. Am 7. September 2002 wurde diese Siedlung mit dem Sonderpreis der Biennale von Venedig ausgezeichnet, einem Preis für die Förderung des künstlerischen Aspekts der Architektur. Ihr Initiator war Pan Shiyi, der Geschäftsführer des Unternehmens Redstone Industries.

„Ich baue gerne Häuser“

Pan Shiyi wirkt schüchtern und bescheiden, aber er ist ein äußerst unkonventioneller und dynamischer Bauunternehmer. Er ist in chinesischen Immobilienkreisen bereits legendär.

Pan Shiyi wurde in einem kleinen Dorf in der Provinz Gansu geboren. Das harte Klima von Chinas Nordwesten bildete in ihm einen reinen Geist heran und verlieh ihm Beharrlichkeit. Nach einer gewissenhaften Schulzeit wurde er an eine Beijinger Universität aufgenommen, und nach seinem Abschluss 1984 wurde ihm eine Stelle im Amt für Pipeline-Verwaltung im Erdöl-Ministerium zugewiesen. Dies war ein Wendepunkt in seinem Leben. „Für mich als Jungen vom Land wurde mit der Möglichkeit, in der Hauptstadt zu arbeiten, ein Traum wahr“, sagt Pan. Aber 1987 gab er seine Stelle auf und startete seine eigene Karriere.

Zuerst ging er nach Shenzhen und arbeitete für Shenzhen Asia-Pacific Management & Consulting Co., dann nach Hainan, wo er die Firma Hainan Agro Hi-tech Investment & Development Co. gründete, die Vorgängerin der Vantone Company.

In den frühen 90er Jahren kehrte Pan Shiyi nach Beijing zurück, um die Beijing Vantone Company auf die Beine zu stellen. Mit 28 Jahren hatte Pan Shiyi keine Ahnung davon, dass dies erst der Anfang seiner glänzenden Karriere war.

„Ich erhielt ein Stück Land bei Fuchengmen, unter dem die U-Bahn liegt. Hier begann ich mit dem Bau der Vantone New Century Plaza“, erinnert sich Pan. „Wenn ich ein Projekt auswähle, treffe ich meine Entscheidungen aufgrund der Qualität des Produkts, seiner Dienlichkeit und seines Komforts, aber auch mit Blick auf Entwicklungstrends. So einfach ist das.“ Da er vom Land stamme, so Pan, gehe seine Art zu denken vom Einfachsten und Grundlegendsten aus, was ihm von großem Vorteil gewesen ist.

In den frühen 90ern war der Immobiliensektor in Beijing ein reiner Verkäufermarkt. Pan Shiyi übernahm für den Verkauf seiner Büroflächen Marketing-Methoden aus Hong Kong und schuf in Beijing im Nu eine Immobiliensensation. Seine Büros verkauften sich für 3600 US-Dollar pro m2, was damals dem Dreifachen des Marktpreises entsprach. Innerhalb einer Woche hatten Pan und seine Partner Immobilien im Wert von 500 Mio. HK-Dollar verkauft.

Wenn Pan Shiyi von der Pracht von Vantone New Century Plaza spricht, kann er seinen Stolz und seine Genugtuung nicht verbergen. „Können Sie sich vorstellen, was 500 Mio. HK-Dollar für ein neues, kleines Unternehmen wie Vantone bedeuteten?“

Durch dieses Projekt wurde Pan Shiyi in Beijinger Immobilienkreisen berühmt, doch ausgerechnet dann verließ er Vantone, die Quelle seines Ruhmes und seines Vermögens. Der Grund war, dass seine Geschäftspartner in andere Bereiche als Immobilien einsteigen wollten. „Doch ich war an nichts anderem interessiert als an Immobilien. Ich baue wirklich gerne Häuser“, sagt Pan.

Er wollte weiterhin bauen, aber wo sollte sein nächstes Projekt zu stehen kommen?

„Einst lud ich eine Weltkarte aus dem Internet herunter – ein Satellitenbild der Erde bei Nacht. Es zeigte, dass das Ausmaß der Beleuchtung mit dem Pro-Kopf-BIP eines Gebiets übereinstimmte.“ Er ließ sich davon inspirieren und fuhr eines Nachts in seinem Auto vom Westen Beijings in den Osten. Er bemerkte, dass der Westen dunkel war, während der Osten im Licht von Büros, Hotels und Bars glänzte. Nach dem Erfolg der Vantone New Century Plaza wählte Pan Shiyi fast alle Standorte für seine Projekte im östlichen Teil Beijings.

Die Fakten haben ihm seither Recht gegeben. Seine Projekte wurden in den Central Business District (CBD) von Beijing aufgenommen. „In Zukunft wird der CBD als lebhaftester und dynamischster Teil Beijings herausragen, so wie La Défense in Paris oder Shinjuku in Tokio“, sagt Pan nicht ohne Stolz.

Für die Zukunft stehen

In Beijings Immobilienkreisen geben Pan Shiyis Konzepte den Ton an. Einst prägte er den Slogan „Sind Sie bereit für SOHO?“, und sein Projekt SOHO New Town wurde zum Synonym für die neuesten Wohntrends. Mittlerweile wird es als ideales Büro- und Wohnprojekt angesehen, und die Kritiken in den Medien steigern seinen Beliebtheitsgrad weiter. Es scheint, als ob jeder, der sich nicht nach SOHO richtet, „out“ ist – für die trendbewussten heutigen Beijinger einfach unverzeihlich.

Pan Shiyis Erfolg ist eher in seinen Konzepten begründet als in den Wohnungen, die er baut. Seine avantgardistischen Theorien zum Wohnen stehen immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, ob sie nun positive oder negative Reaktionen hervorrufen. „Ich schaue auf die Lebensstile der Zukunft“, sagt er. „In unserer Ära der Industrialisierung ist alles sehr kleinräumig geworden. Der Lebensraum ist unterteilt in Arbeit, Freizeit, Einkaufen und Erholung. Die Trennwände in den Wohungen meines SOHO New Town sind beweglich; sie können je nach Bedarf abmontiert oder installiert werden. Verschiedene intelligente Netzwerke sind in die Wohnungen eingebaut, damit ihre Bewohner zu Hause arbeiten und so Wohnen und Arbeiten verbinden können. Dies ist der Lebensstil der Zukunft.“ Es ist klar, dass SOHO New Town insbesondere den Bedürfnissen des Internetzeitalters entgegenkommt.

Pan Shiyis innovative Konzepte führen ihn an die Spitze der Architektur. Am 31. August 2002, als mancher Bauunternehmer mit Blick auf Beijings erfolgreiche Bewerbung um die Olympischen Spiele 2008 über die Bücher ging, wurde der Baubeginn für Pan Shiyis Projekt „Bo’ao Canal Village – the Second Home“ verkündet. Mit seinem Zweitheim-Konzept schuf er abermals eine Mediensensation. Schon vor Beginn der Bauarbeiten an seinem Zweitheimprojekt war der Andrang so groß, dass sich Pan gezwungen sah, den Verkauf auf eine Einheit pro Käufer zu beschränken.

Jedem neuen Projekt, dessen sich Pan Shiyi in den letzten Jahren annahm, ging ein völlig neues Architekturkonzept voraus, das er in einer ähnlichen Weise anpries wie Autohersteller ihre neuesten Modelle. „Der Charme von Projekten wie New Town, SOHO New Town, Jianwai SOHO und Bo’ao Canal Village – the Second Home rührt daher, dass sie nicht nur für einen neuen Designansatz stehen, sondern auch für einen neuen Lifestyle.“ Viele Leute kaufen Häuser, die von Pan Shiyis Büro entworfen wurden, gerade weil ihnen ihr avantgardistisches Ambiente gefällt.

Weisheit aus Freude

Man hat Pan Shiyi einen energischen Geschäftsmann genannt. Oft steht er im Zentrum einer Kontroverse, aber er entsteigt ihr als glückliche Person.

Dazu bemerkt Pan: „Ich habe einen Abschluss in Ingenieurwissenschaften, was ziemlich trocken klingt, aber in der Präzision liegt auch Freude. Seit 1990 habe ich neue Freunde gewonnen, unter deren Einfluss ich mich für Buddhismus und Zen zu interessieren begann. Eine Zeit lang war ich geradezu besessen von diesen Philosophien, und überall, zu Hause und im Büro, lagen Zen-Bücher herum. Eines Nachts hatte ich einen Traum. Darin sagte mir eine Stimme, dass Erleuchtung ganz einfach erreicht werden könne, indem man glücklich sei und bei guter Laune bleibe. Dies hatte einen großen Einfluss auf meinen Charakter. Ich glaube nun, dass sich Weisheit mit Glücklichsein und Humor ganz natürlich einstellen kann, und darum schätze ich Bora Milutinovic’ Coaching-Konzept des ‚Happy Soccer‘.“

In den letzten Jahren hat sich Pan Shiyi mit zwei Dingen beschäftigt: unablässig Häuser bauen und Bücher lesen wie Das Buch der Wandlungen (I Ging), das Diamantsutra und Daodejing (Taoteking) von Laozi. Sie enthalten tausende Jahre gesammelter Weisheit und Tiefgründigkeit. Wenn er von der Lektüre dieser Bücher spricht, hellt sich sein Gesicht auf: „Um etwas schaffen zu können, braucht man Eingebung, und das Immobiliengeschäft ist da beileibe keine Ausnahme. Ich finde Eingebung in der Lektüre alter Bücher, v. a. im Buch der Wandlungen. Jedes Mal, wenn ich es lese, kommen mir neue Ideen.“ Während er den ganzen Tag über mit dem Zeitlichen beschäftigt sei, finde er am Abend spirituellen Unterhalt in der Lektüre dieser Texte.

Es ist offensichtlich, dass sich Pan Shiyi sein eigenes Glück schafft, indem er für andere Häuser baut.

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