Pan
Shiyi: Ein avantgardistischer Immobilienkönig
Von Zhan Ni
Von weitem
gesehen ähnelt das „Bambushaus“ der Krone, welche die
chinesischen Kaiser trugen. Die Trennwände aus Bambus
erinnern an die Quasten, die über des Kaisers Stirn herunterhingen.
Die Villa besteht aus soliden Decken und Böden und aus
Glaswänden, doch ihre Trennwände sind aus Bambus,
so dass sie für das Sonnenlicht durchlässig sind. Ihre
Räume sind auf diese Art getränkt mit fernöstlicher
Mystik.
Die
Villa ist das Werk des berühmten japanischen Architekten Kengo
Kuma. In ihrer Nähe stehen 11 weitere Werke talentierter
junger Architekten aus China, Japan, Singapur, Thailand und
der Republik Korea. Diese exotischen Häuser, „Commune
by the Great Wall“ genannt, sind in einem unkonventionellen,
avantgardistischen Stil gehalten. Sie befinden sich außerhalb
von Beijing bei der Großen Mauer im Kreis Yanqing. Am
7. September 2002 wurde diese Siedlung mit dem Sonderpreis
der Biennale von Venedig ausgezeichnet, einem Preis für die
Förderung des künstlerischen Aspekts der Architektur.
Ihr Initiator war Pan Shiyi, der Geschäftsführer des
Unternehmens Redstone Industries.
„Ich
baue gerne Häuser“
Pan Shiyi
wirkt schüchtern und bescheiden, aber er ist ein äußerst
unkonventioneller und dynamischer Bauunternehmer. Er ist in
chinesischen Immobilienkreisen bereits legendär.
Pan
Shiyi wurde in einem kleinen Dorf in der Provinz Gansu geboren.
Das harte Klima von Chinas Nordwesten bildete in ihm einen
reinen Geist heran und verlieh ihm Beharrlichkeit. Nach einer
gewissenhaften Schulzeit wurde er an eine Beijinger Universität
aufgenommen, und nach seinem Abschluss 1984 wurde ihm eine
Stelle im Amt für Pipeline-Verwaltung im Erdöl-Ministerium
zugewiesen. Dies war ein Wendepunkt in seinem Leben. „Für
mich als Jungen vom Land wurde mit der Möglichkeit, in
der Hauptstadt zu arbeiten, ein Traum wahr“, sagt Pan. Aber
1987 gab er seine Stelle auf und startete seine eigene Karriere.
Zuerst
ging er nach Shenzhen und arbeitete für Shenzhen Asia-Pacific
Management & Consulting Co., dann nach Hainan, wo er die
Firma Hainan Agro Hi-tech Investment & Development Co.
gründete, die Vorgängerin der Vantone Company.
In den
frühen 90er Jahren kehrte Pan Shiyi nach Beijing zurück, um
die Beijing Vantone Company auf die Beine zu stellen. Mit
28 Jahren hatte Pan Shiyi keine Ahnung davon, dass dies erst
der Anfang seiner glänzenden Karriere war.
„Ich erhielt
ein Stück Land bei Fuchengmen, unter dem die U-Bahn liegt.
Hier begann ich mit dem Bau der Vantone New Century Plaza“,
erinnert sich Pan. „Wenn ich ein Projekt auswähle, treffe
ich meine Entscheidungen aufgrund der Qualität des Produkts,
seiner Dienlichkeit und seines Komforts, aber auch mit Blick
auf Entwicklungstrends. So einfach ist das.“ Da er vom Land
stamme, so Pan, gehe seine Art zu denken vom Einfachsten und
Grundlegendsten aus, was ihm von großem Vorteil gewesen
ist.
In den
frühen 90ern war der Immobiliensektor in Beijing ein reiner
Verkäufermarkt. Pan Shiyi übernahm für den Verkauf seiner
Büroflächen Marketing-Methoden aus Hong Kong und schuf
in Beijing im Nu eine Immobiliensensation. Seine Büros verkauften
sich für 3600 US-Dollar pro m2, was damals dem
Dreifachen des Marktpreises entsprach. Innerhalb einer Woche
hatten Pan und seine Partner Immobilien im Wert von 500 Mio.
HK-Dollar verkauft.
Wenn Pan
Shiyi von der Pracht von Vantone New Century Plaza spricht,
kann er seinen Stolz und seine Genugtuung nicht verbergen.
„Können Sie sich vorstellen, was 500 Mio. HK-Dollar für
ein neues, kleines Unternehmen wie Vantone bedeuteten?“
Durch
dieses Projekt wurde Pan Shiyi in Beijinger Immobilienkreisen
berühmt, doch ausgerechnet dann verließ er Vantone,
die Quelle seines Ruhmes und seines Vermögens. Der Grund
war, dass seine Geschäftspartner in andere Bereiche als
Immobilien einsteigen wollten. „Doch ich war an nichts anderem
interessiert als an Immobilien. Ich baue wirklich gerne Häuser“,
sagt Pan.
Er wollte
weiterhin bauen, aber wo sollte sein nächstes Projekt
zu stehen kommen?
„Einst
lud ich eine Weltkarte aus dem Internet herunter – ein Satellitenbild
der Erde bei Nacht. Es zeigte, dass das Ausmaß der Beleuchtung
mit dem Pro-Kopf-BIP eines Gebiets übereinstimmte.“ Er ließ
sich davon inspirieren und fuhr eines Nachts in seinem Auto
vom Westen Beijings in den Osten. Er bemerkte, dass der Westen
dunkel war, während der Osten im Licht von Büros, Hotels
und Bars glänzte. Nach dem Erfolg der Vantone New Century
Plaza wählte Pan Shiyi fast alle Standorte für seine
Projekte im östlichen Teil Beijings.
Die Fakten
haben ihm seither Recht gegeben. Seine Projekte wurden in
den Central Business District (CBD) von Beijing aufgenommen.
„In Zukunft wird der CBD als lebhaftester und dynamischster
Teil Beijings herausragen, so wie La Défense in Paris oder
Shinjuku in Tokio“, sagt Pan nicht ohne Stolz.
Für
die Zukunft stehen
In Beijings
Immobilienkreisen geben Pan Shiyis Konzepte den Ton an. Einst
prägte er den Slogan „Sind Sie bereit für SOHO?“, und
sein Projekt SOHO New Town wurde zum Synonym für die neuesten
Wohntrends. Mittlerweile wird es als ideales Büro- und Wohnprojekt
angesehen, und die Kritiken in den Medien steigern seinen
Beliebtheitsgrad weiter. Es scheint, als ob jeder, der sich
nicht nach SOHO richtet, „out“ ist – für die trendbewussten
heutigen Beijinger einfach unverzeihlich.
Pan Shiyis
Erfolg ist eher in seinen Konzepten begründet als in den Wohnungen,
die er baut. Seine avantgardistischen Theorien zum Wohnen
stehen immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, ob sie nun
positive oder negative Reaktionen hervorrufen. „Ich schaue
auf die Lebensstile der Zukunft“, sagt er. „In unserer Ära
der Industrialisierung ist alles sehr kleinräumig geworden.
Der Lebensraum ist unterteilt in Arbeit, Freizeit, Einkaufen
und Erholung. Die Trennwände in den Wohungen meines SOHO
New Town sind beweglich; sie können je nach Bedarf abmontiert
oder installiert werden. Verschiedene intelligente Netzwerke
sind in die Wohnungen eingebaut, damit ihre Bewohner zu Hause
arbeiten und so Wohnen und Arbeiten verbinden können.
Dies ist der Lebensstil der Zukunft.“ Es ist klar, dass SOHO
New Town insbesondere den Bedürfnissen des Internetzeitalters
entgegenkommt.
Pan Shiyis
innovative Konzepte führen ihn an die Spitze der Architektur.
Am 31. August 2002, als mancher Bauunternehmer mit Blick auf
Beijings erfolgreiche Bewerbung um die Olympischen Spiele
2008 über die Bücher ging, wurde der Baubeginn für Pan Shiyis
Projekt „Bo’ao Canal Village – the Second Home“ verkündet.
Mit seinem Zweitheim-Konzept schuf er abermals eine Mediensensation.
Schon vor Beginn der Bauarbeiten an seinem Zweitheimprojekt
war der Andrang so groß, dass sich Pan gezwungen sah,
den Verkauf auf eine Einheit pro Käufer zu beschränken.
Jedem
neuen Projekt, dessen sich Pan Shiyi in den letzten Jahren
annahm, ging ein völlig neues Architekturkonzept voraus,
das er in einer ähnlichen Weise anpries wie Autohersteller
ihre neuesten Modelle. „Der Charme von Projekten wie New Town,
SOHO New Town, Jianwai SOHO und Bo’ao Canal Village – the
Second Home rührt daher, dass sie nicht nur für einen neuen
Designansatz stehen, sondern auch für einen neuen Lifestyle.“
Viele Leute kaufen Häuser, die von Pan Shiyis Büro entworfen
wurden, gerade weil ihnen ihr avantgardistisches Ambiente
gefällt.
Weisheit
aus Freude
Man hat
Pan Shiyi einen energischen Geschäftsmann genannt. Oft
steht er im Zentrum einer Kontroverse, aber er entsteigt ihr
als glückliche Person.
Dazu bemerkt
Pan: „Ich habe einen Abschluss in Ingenieurwissenschaften,
was ziemlich trocken klingt, aber in der Präzision liegt
auch Freude. Seit 1990 habe ich neue Freunde gewonnen, unter
deren Einfluss ich mich für Buddhismus und Zen zu interessieren
begann. Eine Zeit lang war ich geradezu besessen von diesen
Philosophien, und überall, zu Hause und im Büro, lagen Zen-Bücher
herum. Eines Nachts hatte ich einen Traum. Darin sagte mir
eine Stimme, dass Erleuchtung ganz einfach erreicht werden
könne, indem man glücklich sei und bei guter Laune bleibe.
Dies hatte einen großen Einfluss auf meinen Charakter.
Ich glaube nun, dass sich Weisheit mit Glücklichsein und Humor
ganz natürlich einstellen kann, und darum schätze ich
Bora Milutinovic’ Coaching-Konzept des ‚Happy Soccer‘.“
In den
letzten Jahren hat sich Pan Shiyi mit zwei Dingen beschäftigt:
unablässig Häuser bauen und Bücher lesen wie Das
Buch der Wandlungen (I Ging), das Diamantsutra
und Daodejing (Taoteking) von Laozi. Sie enthalten
tausende Jahre gesammelter Weisheit und Tiefgründigkeit. Wenn
er von der Lektüre dieser Bücher spricht, hellt sich sein
Gesicht auf: „Um etwas schaffen zu können, braucht man
Eingebung, und das Immobiliengeschäft ist da beileibe
keine Ausnahme. Ich finde Eingebung in der Lektüre alter Bücher,
v. a. im Buch der Wandlungen. Jedes Mal, wenn ich es
lese, kommen mir neue Ideen.“ Während er den ganzen Tag
über mit dem Zeitlichen beschäftigt sei, finde er am
Abend spirituellen Unterhalt in der Lektüre dieser Texte.
Es ist
offensichtlich, dass sich Pan Shiyi sein eigenes Glück schafft,
indem er für andere Häuser baut.