Dezember 2003
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Was die USA gern aus den Geschichtsbüchern streichen würden...

Von Atze Schmidt

 

Lang ist die Liste US-amerikanischer Fehler in der internationalen Politik, und einer der folgenschwersten war – neben Vietnam und neuerdings Irak – die falsche Einschätzung der politischen Kräfteverhältnisse in China am Ende des Pazifischen Krieges und damit des Zweiten Weltkkriegs. Was die Weltmacht gern aus den Geschichtsbüchern streichen würde, wird von namhaften Autoren immer wieder beschrieben als Beispiel für die Fehlbarkeit der amerikanischen Außenpolitik. Einer dieser Autoren ist Dieter Kuhn, Verfasser mehrerer Bücher über China, dessen Buch „Der Zweite Weltkrieg in China“ das erste umfassende Werk in deutscher Sprache zu diesem Thema ist. Es basiert vorwiegend auf chinesischen, japanischen und amerikanischen Forschungsergebnissen.

Kuhn, der sich einer Fülle von Quellen bedient, schreibt über die für Chinas Schicksal entscheidende Begegnung von Mao Zedong und Jiang Kaishek am 28. August 1945 in Chongqing: „Es sollte vor allem darum gehen, einen Bürgerkrieg in China zu vermeiden. Beide Seiten verhandelten im Beisein von Patrick Hurley (damals US-amerikanischer Botschafter in China). Sie benahmen sich höflich und zivil. Mao Zedong vermittelte in den Verhandlungen den Eindruck, einen vernünftigen Kompromiss zu suchen, der beiden Parteien gerecht würde. Es konnte jedoch weder eine Einigung über eine proportional angemessene Abrüstung der beiden Armeen erzielt werden, noch kam man sich in der Frage der Abgrenzung der Interessenssphären näher. Jiang Kaishek und die Nationale Volkspartei verhandelten aus einer Position der Stärke heraus. Sie hatten die Unterstützung der Amerikaner im Rücken...“

Die Folgen des Fehlschlags von Chongqing sind Geschichte. Der Bürgerkrieg in China kostete Hunderttausenden von Menschen das Leben, der wirtschaftliche Rückschlag des Landes war in Zahlen nicht mehr zu beziffern.

Dieter Kuhn ist mit seinem Buch die chronologische Aufarbeitung der politischen und militärischen Entscheidungen und Vorgänge des Zweiten Weltkriegs in China hervorragend gelungen. Er weist nach, dass die Entwicklung des Krieges „weder die Volksmassen Chinas noch der politische Wille eines der anderen beteiligten Völker bestimmten“. Die Geschichte sei „gemacht worden durch wenige Politiker und Militärs, die vorrangig ihre eigenen politischen Vorstellungen durchzusetzen versuchten“.

Dieter Kuhn: „Der Zweite Weltkrieg in China“, Verlag Duncker & Humblot, Berlin, 385 Seiten, ISBN 3-428-09731-9

Eine illustrierte Broschüre zum selben Thema erschien im Verlag Neuer Stern, Beijing. (ISBN 7-80102-271-8)
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