Dezember 2003
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Parkplatzmangel hemmt Entwicklung der Automobilindustrie in China

Von Feng Jianhua

Parkplatzprobleme in den Großstädten

Han Zhendong ist ein einfacher Angestellter aus Beijing. Vor drei Jahren kaufte er sich ein Auto, was ihm das Leben in mancher Hinsicht viel einfacher machte. Aber seine Freude währte nicht lange. Bald musste er nämlich feststellen, dass es sehr schwierig ist, für sein Auto einen Parkplatz zu finden! Zur Zeit gibt es in Beijing mehr als 2 Mio. Motorfahrzeuge, es stehen jedoch nur gut 600 000 Parkplätze zur Verfügung. Han Zhendong ist damit einer von 1,4 Mio. Autobesitzern ohne Abstellplatz. In den letzten Monaten verteilte ihm die Polizei bereits neun Strafpunkte wegen unerlaubten Parkens. Noch drei Punkte, und sein Führerschein wird eingezogen!

Han wohnt in einem Viertel, das in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts gebaut wurde. Da damals erst wenige Familien ein Auto besaßen, gab es noch keine behördlichen Bestimmungen über Parkeinrichtungen in einer Wohnsiedlung. „In den letzten zwei Jahren ist der öffentliche Raum in unserem Wohnviertel nach und nach von Autos besetzt worden“, erzählt Han. „Es gibt fast keinen Platz mehr für Betätigungen im Freien. Das Parkplatzproblem hat häufig zu Streit zwischen den Nachbarn geführt. Manchmal kann ich morgens nicht zur Arbeit fahren, weil mir ein anderes Auto den Weg versperrt. Dann muss ich im Hof laut nach dem Besitzer rufen, damit er seinen Wagen wegstellt. Das vergeudet nicht nur meine Zeit, sondern verdirbt mir auch die Laune.“ In der Tat gibt es in Beijing viele Wohnviertel wie dasjenige, in dem Han Zhendong wohnt. „Ich habe gehört, dass manche Einwohner aus Ärger einige Autos in ihren Wohnvierteln zerschlagen haben, weil der Hof vollgestellt war“, fügt Han ziemlich besorgt hinzu.

Natürlich ist Han Zhendong nicht der einzige, der sich solche Sorgen macht, und das Platzproblem beschränkt sich auch nicht auf Beijing. In anderen Großstädten, wie Shanghai, Guangzhou oder Chongqing, herrscht ebenfalls ein großer Mangel an Parkplätzen. Früher kannten die Chinesen Parkplatzprobleme nur aus Zeitungsberichten über Tokio, Hong Kong usw. Doch heute können sie sie vor ihrer eigenen Tür erleben.

In Shanghai beträgt die Zahl der öffentlichen Parkplätze zur Zeit nur 2% der Motorfahrzeuge, was deutlich unter dem internationalen Standard liegt. In Hangzhou, der Hauptstadt der Provinz Zhejiang, kommen auf einen Parkplatz ungefähr drei Motorfahrzeuge. In Chongqing, einer der vier regierungsunmittelbaren Städte Chinas, ist das Problem noch gravierender. Hier liegt das Verhältnis bei 13:1. Nach statistischen Angaben teilen sich in den chinesischen Großstädten durchschnittlich fünf Motorfahrzeuge einen Parkplatz.

Die Zeitung Southern Metropolis News (Nanfang Dushi Bao) befragte städtische Autobesitzer dazu, was sie am meisten verdrießt. 63% nannten die Schwierigkeiten beim Parken und die hohen Parkgebühren als größtes Ärgernis.

Hindernis für die Entwicklung der Automobilindustrie

Dank der raschen wirtschaftlichen Entwicklung können sich immer mehr Chinesen ein Privatauto leisten. Statistiken zufolge gibt es heute in China mehr als 10 Mio. Privatwagen, und jährlich werden es 20–30% mehr.

Nirgendwo auf der Welt stehen mehr Automobilfabriken als in China. Das Land ist gerade dabei, eine Entwicklungsstrategie für seine Automobilindustrie auszuarbeiten, die ihm in Zukunft eine Stellung als wichtiger Autoproduzent sichern soll.

„Die Parkplatzprobleme beeinträchtigen die Entwicklung der chinesischen Automobilindustrie“, warnen manche Experten. Zwar rechnen sie weiterhin mit einer explosiven Zunahme auf dem chinesischen Fahrzeugmarkt. Das Auto werde ein neuer Wachstumsfaktor für den Konsum der städtischen Bewohner sein, aber der Mangel an Parkplätzen wirke bereits jetzt als Flaschenhals, der den Autoabsatz und die Entwicklung der chinesischen Automobilindustrie einschränke.

Berichten zufolge verzeichnete der Autohandel in der Stadt Guangzhou in der ersten Hälfte dieses Jahres nur geringe Umsätze. Inzwischen wurden erst rund 30 000 Fahrzeugkennzeichen gelöst. In der Branche macht man hauptsächlich die wenigen Parkplätze und die teuren Parkgebühren für die laue Nachfrage auf dem Automarkt in Guangzhou verantwortlich.

Auch in Shanghai schrecken die Parkplatzprobleme einfache Familien ab, ein Auto zu erwerben. Manche Großunternehmen in Chinas größter Stadt ermuntern ihre Arbeiter und Angestellte zum Kauf eines Wagens. Aber wo sollen sie ihr Auto abstellen, wenn in ihrem Viertel keine Parkplätze vorhanden sind?

Warum ist es so schwierig, einen Parkplatz zu finden?

„Es gibt viele Faktoren, die zu den Parkplatzproblemen geführt haben. Schuld tragen nicht zuletzt die zuständigen Behörden, weil sie es an Weitblick mangeln ließen. Die Entwicklung war vorauszusehen“, räumt Liu Xiaoming, der Stellvertretende Leiter der Verkehrskommission der Stadt Beijing, freimütig ein.

In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts rechneten die Behörden Beijings für das Jahr 2000 mit 700 000 bis 800 000 Motorfahrzeugen. In der Tat jedoch erreichte diese Zahl 1,5 Mio., das Doppelte. Wegen der Fehlberechnungen widmeten die zuständigen Stellen dem Parkplatzproblem nicht die nötige Aufmerksamkeit. Deshalb hinkt die Planung der Parkeinrichtungen üblicherweise der Realität hinterher.

Dass die Zahl der Parkeinrichtungen mit dem Wachstum der Motorfahrzeuge nicht mithält, ist einer der Gründe für die heutigen Parkplatzprobleme. Ein anderer wichtiger Grund liegt in den teilweise hohen Parkgebühren. Sie haben in gewissem Maße dazu geführt, dass die Auslastung der wenigen vorhandenen Parkplätze nicht hoch ist.

Das Parkhaus der Beijinger Ausstellungshalle z. B. ist zweistöckig und bietet mehr als 1000 Abstellplätze. Aber es wird nur dürftig benutzt. Jeden Tag sind mindestens zwei Drittel der Parkplätze frei. Dagegen sind die lediglich 158 Felder des Parkplatzes unter dem Tianyi-Engrosmarkt, der nicht weit von der Beijinger Ausstellungshalle liegt, sehr gefragt. Laut Wu Zengyou, dem Leiter der Gebäudeverwaltung des Tianyi-Engrosmarkts, ist der Parkplatz an Werktagen von 10.00 bis 16.00 und am Wochenende ab 9 Uhr vormittags voll besetzt.

„Die Gebühr auf dem Tianyi-Parkplatz beträgt zwei Yuan pro Stunde, vor 21.00 höchstens zehn und für den ganzen Tag höchstens 20 Yuan. Das Parkhaus der Beijinger Ausstellungshalle hingegen erhebt wie die meisten Parkhäuser fünf Yuan pro Stunde“, so Wu Zengyou.

Fast 20% der Befragten gaben in einer Umfrage an, die Gebühr von fünf Yuan pro Stunde sei zu hoch. So ziehen es manche vor, ihr Auto illegal an der Straße zu parken, wenn sie keinen billigen Parkplatz finden können.

Die Polizei bringt diesen Leute in gewissem Maße Verständnis entgegen und drückt manchmal auch ein Auge zu, wenn jemand regelwidrig parkt. Ansonsten aber sind die Bußen in der Höhe von 100 bis 200 Yuan für durchschnittlich verdienende Autobesitzer durchaus schmerzhaft.

Den Parkhausbau für ausländische Investitionen öffnen

Liu Xiaoming meint: „Erst wenn der Bau von Parkhäusern gewinnbringend ist, kann Kapital aus der Gesellschaft angezogen werden. Um das zu verwirklichen, sollte man in erster Linie die Hebelwirkung des Marktpreises voll ausnützen.“ Seiner Meinung nach muss man vor allem den Bau von Parkplätzen durch Gewinnbeteiligung beschleunigen und die Auslastung der vorhandenen Parkplätze erhöhen, um Chinas Parkplatzproblem zu lösen.

Die Investoren müssten aus verschiedenen Bereichen kommen, fordert Liu. Es gelte, mit Vorzugsmaßnahmen Investoren aus allen Kreisen der Gesellschaft anzuwerben, damit sie sich über verschiedene Kanäle und auf verschiedene Arten am Aufbau einer öffentlichen Parkplatzinfrastruktur beteiligen könnten. Man müsse das herkömmliche Investitionssystem, das nur von öffentlichen Geldern getragen wurde, ändern.

In mehr als zehn Jahren Marktwirtschaft haben sich die Chinesen daran gewöhnt, wirtschaftliche Probleme nicht mehr durch Verwaltungsmaßnahmen, sondern mit Marktmechanismen zu lösen.

In Beijing bereitet die städtische Verkehrskommission eine Verordnung vor, die gemäß den internationalen Gepflogenheiten die Gebühren für Straßenparkplätze erhöhen wird, um die Autofahrer dazu zu bewegen, ihr Fahrzeug dort nur vorübergehend stehen zu lassen und für längere Zeit die regulären, überdachten Parkplätze zu benutzen. Gleichzeitig ist vorgesehen, den Investoren und Betreibern ein Mitspracherecht auf die Festsetzung der Preise zu gewähren.

„Wenn diese zwei Maßnahmen umgesetzt werden, wird der Parkplatzbau in Beijing eine lukrative Angelegenheit werden“, ist Liu überzeugt.

Liu rechnet Folgendes grob vor: 2008 werde die Zahl der Motorfahrzeuge in Beijing, die einen Parkplatz benötigen, mindestens 2 Mio. erreichen. Selbst bei einer Mindestparkgebühr von drei Yuan pro Tag ergäben sich Einnahmen von 6 Mio. Yuan täglich, das seien auf das ganze Jahr gerechnet mehr als 20 Mrd. Yuan. Für das ganze Land liege diese Summe noch viel höher.

Zuletzt fügt Liu an, dass alle Hindernisse für den Zugang des gesellschaftlichen Kapitals zum Aufbau der Parkplätze in Beijing beseitigt seien. Ausländische Investoren würden ganz gleich wie die inländischen behandelt werden.

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