Der
Lieblingsort der Nomaden
Von Qiu Jianghong
Auf einer
Chinakarte sieht die Innere Mongolei aus wie eine lange Schwade,
die nach Norden zieht. In ihrer Mitte ist Grasland, im Westen
endlose Wüste, und der Osten ist dicht bewaldet. Die Heimat
der Mongolen ist reich an historischen Orten, Legenden über
Dschingis Khan und Hirtentraditionen.
Weiden,
Wüste und Wald
Für die
Chinesen ist die Innere Mongolei gleichbedeutend mit Weidenland,
ganz besonders mit der Bashang-Weide. Nur drei Stunden Autofahrt
von Beijing entfernt, zieht Bashang Trauben von Wochenendausflüglern
aus Beijing an, doch das schönste Beispiel innermongolischer
Prärie findet man in Xilin Gol.
Die
Xilin-Gol-Weide, ein staatliches Schutzgebiet und ein Biosphärenreservat
im Rahmen des UNESCO-Programms „Der Mensch und die Biosphäre“
(MAB), wartet mit Bergzügen, üppig bewachsenem Grasland, reichlich
Wasser und einer riesigen Bandbreite in Flora und Fauna auf.
In Mäandern schlängelt sich der Xilin-Fluss, dessen
Ufern mit Schilfbüscheln bewachsen sind, durch das Gebiet.
Aus weißen Jurten, in denen die ortsansässigen
Mongolen ihre Gerichte zubereiten, steigt Rauch auf, doch
wenn eine Brise durch das Gras fährt, erblickt man kein
Vieh und keine Schafe mehr – die Landschaft ist anders, als
sie einst ein Gedicht beschrieb. Gegenwärtig ist ein
Weideverbot in Kraft, um die Erosion der Vegetationsdecke
zu bekämpfen.
Einen
starken Kontrast zur zentralen Prärie bildet die Wüste
im westlichen Teil des Autonomen Gebiets Innere Mongolei.
Karge Vegetation, dürre Bäume und hie und da eine Gruppe
von Kamelen, die gemächlich über die geschwungenen Dünen
zotteln, sind die einzige Abwechslung im unendlichen, bis
zum Horizont reichenden Sandmeer.
Im Osten
ragt der Hauptgipfel des Hinggan-Gebirges auf, das mit Silberbirkenwäldern
bestanden ist und wo man bizarr geformte Felsen und kleine
Seen vorfindet.
Brauchtum
und Kultur
Die
Mongolen sind ihrer Natur nach sehr gastfreundlich. Gästen
werden mehr als großzügige Portionen Schaffleisch und
reichlich Buttertee angeboten. Zum Höhepunkt eines Gelages
greift der Gastgeber zum Matouqin, einem Streichinstrument,
und junge Mädchen singen dazu in Ehrerbietung des Himmels,
der Erde und ihrer Vorfahren, bevor sie einzeln den Gästen
mit einem Lied zuprosten.
Nadam,
was auf Mongolisch Spiele und Vergnügen bedeutet, ist der
höchste lokale Feiertag des Jahres. Er findet im Juli
und August statt, wenn das Grasland in voller Blüte steht
und das Vieh satt und kräftig ist. Zehntausende Nomaden,
in ihre schönsten Trachten gehüllt und in feierlicher
Stimmung, kommen aus allen Himmelsrichtungen zusammen, bis
es auf dem Festgelände in der Prärie von farbenfroh
bekleideten Menschen auf ihren Pferden wimmelt.
Ringen
ist die Hauptattraktion des Fests. Die Wettkämpfer in
den metallbeschlagenen Vesten und den weiten Hosen betreten
den Ring im traditionellen Adlertanz. Als Zeichen des Respekts
reicht der Sieger dem Unterlegenen die Hand und hilft ihm
wieder auf die Beine, nachdem er ihn zu Boden gedrückt hat.
Glorreiche
Vergangenheit
Shangdu,
die „Obere Hauptstadt“, war die erste von zwei Hauptstädten
in der Yuan-Dynastie (1271–1368). Sie wurde 1256 im heutigen
Zhenglan-Banner errichtet (ein Banner ist eine Verwaltungseinheit
und entspricht einem Kreis). Hier bestieg Kublai Khan, der
Begründer der Yuan-Dynastie, 1260 den Thron des Obersten Herrschers
der Mongolei. Nach einer Erweiterung wurde Shangdu 1272 zum
wirtschaftlichen, politischen, militärischen und kulturellen
Zentrum Chinas. Im Sommer und Herbst verlegte der Yuan-Kaiser
seinen Sitz jeweils nach Shangdu, um der Hitze in Dadu, der
„Großen Hauptstadt“ (das heutige Beijing), zu entfliehen.
Ausländische Gesandte und Händler folgten seinem
Beispiel und machten die Stadt zu einer internationalen Metropole.
Aus Anlass seines Empfangs durch den Kaiser hielt Marco Polo
fest: „... Shandu (Shangdu), vom Großen Kublai Khan
errichtet, dem gegenwärtigen Herrscher. Darin ließ
er aus Marmor und anderem schönen Stein einen Palast
erbauen, der sowohl für die Eleganz der Anlage als auch für
die Meisterhaftigkeit der Ausführung zu bewundern ist. Hallen
und Kammern sind allesamt vergoldet und prächtig anzuschauen
...“ Bemerkenswert an Shangdu ist, dass seine Zentralachse
genau in nordsüdlicher Richtung verläuft.
In Shangdu
vermengten sich Städtebaukonzepte der Han mit nomadischen
Gepflogenheiten. In der Stadt standen Paläste im Mandarin-Stil
neben mongolischen Jurten. Seine Ruinen sind heute eine wichtige
Quelle für die Erforschung mongolischer Architektur und der
Yuan-Dynastie.
Der
Bairin-Stein, ein mongolischer Schatz
Ein
besonderes Kennzeichen des Rechten Banners von Bairin ist
Bairin-Stein (Pyrophyllit). Wegen seiner Glattheit und seiner
leuchtenden Farben gilt er als einer der vier besten Siegelsteine
in China. Am gesuchtesten unter den verschiedenen Arten von
Bairin-Stein ist der „Jixue-“ (Hühnerblut-) Stein, dessen
Namen von der zinnoberroten Maserung herrührt.
Bairin-Stein
aus der Inneren Mongolei hat eine lange Geschichte. Auf einem
Festgelage zur Feier der Vereinigung der mongolischen Stämme
durch Dschingis Khan wurde ihm eine Schale aus Bairin-Stein
überreicht. Nachdem er schon mehrmals den Becher erhoben hatte,
erklärte er, die Schale sei aus „Himmelsgestein“ gemacht.
Die Gedenksiegel zum ersten Jahrestag der Rückkehr Hong Kongs
und Macaos unter chinesische Hoheit wurden aus Bairin-Stein
geschnitzt, und Juan Antonio Samaranch, der ehemalige IOC-Präsident,
soll für sein persönliches Siegel ebenfalls diesen Stein
ausgewählt haben.
Empfohlene
Sehenswürdigkeiten
1. Das
Dschingis-Khan-Mausoleum
Das Mausoleum
des Yuan-Kaisers Taizu – besser bekannt als Dschingis Khan,
der legendäre mongolische Held – steht mitten in der
Ordos-Prärie, 185 km von Baotou entfernt. Es ist in der
Form eines fliegenden Adlers gebaut und besteht aus drei Hallen
im Jurtenstil mit gelben Wänden, roten Toren und Fenstern
und glänzenden Kuppeln.
2. Das
Grab von Zhaojun
Wang
Zhaojun war eine der vier Schönheiten der chinesischen
Geschichte. Sie war eine Zofe am Hof des Han-Kaisers Liu Shi
(75–33 v. Chr.) und ließ sich für die Annäherung
zwischen Han-Chinesen und Hunnen freiwillig dem Hunnen-Häuptling
Huhanxie zur Frau geben. Ihr Grab besteht aus einem 33 m hohen
Hügel, der in einer Ebene beim Dahei-Fluss liegt, 9 km von
Hohhot entfernt. Der Volksmund will es, dass der Hügel bis
im September grün ist, wenn das Gras in der weiteren Umgebung
bereits verwelkt. Deshalb heißt die Anlage auch „Grünes
Grab“.
3. Die
Bucht des klingenden Sands
Die „Bucht“
ist eigentlich ein unwirtlicher Sandhang 50 km südlich von
Baotou. An sonnigen Tagen gibt er ein donnerndes Geräusch
ab, ähnlich wie ein Lastwagen oder ein Flugzeug.
4. Der
Ashihatu-Steinwald
Ashihatu
bedeutet auf Mongolisch „gefährlicher Fels“. Im Norden
des Banners Hexigten liegen über eine Fläche von einem
Dutzend km2 Granitfelsen verstreut, die durch die
Gletscher zu grotesken Formen geschliffen wurden.
5. Der
Hulun-See
Der Hulun-See
in der Hulun-Buir-Prärie ist der größte der
Inneren Mongolei und einer der fünf großen Süßwasserseen
in China. Er bietet Lebensraum für über 200 seltene Vogelarten,
unter denen v. a. der Schwan hervorzuheben ist, und ist reich
an Fischen, die man, köstlich zubereitet und verführerisch
serviert, in den Hotels an seinem Ufer genießen kann.
6. Die
Bolongke-Wüste
Die Wüstentourismuszone
Bolongke in Wudan im Banner Ongniud bietet eine zauberhafte
Kombination aus goldenem Sand, kristallklaren Seen, üppigem
Grasland und bizarr geformten Steinen.