Der
Affenkönig – Favorit für das Maskottchen der Olympiade
2008
Von Li Daoying, You Zhengjun und Li Wuzhou
Ist der
Affe ein angemessenes Maskottchen für Olympia 2008? Erst im
nächsten Jahr werden wir Gewissheit haben. Nachdem ein
chinesisches Siegel offiziell als Olympia-Logo für 2008 bestimmt
wurde, drehen sich die Gespräche um das Maskottchen für
die Spiele. Andere Tiere, darunter der Panda, der Drache,
der Löwe, der Tiger, die Tibetische Antilope und der
Hase, sind ebenfalls im Rennen, doch monkeyking2008.com, eine
Internetseite, welche sich für den Affenkönig als Maskottchen
einsetzt, berichtet, dass 89% ihrer Besucher auf der Seite
des Affen stehen. Eine Umfrage von Chinas größtem
Internetportal sina.com weist den Affenkönig ebenfalls
als heißen Favoriten aus.
Die
Abenteuer des Affenkönigs
Die
chinesischen Kinder werden mit den Geschichten des Affenkönigs
Sun Wukong groß, und sein Bild ist im chinesischen Theater
allgegenwärtig. Er ist die Hauptfigur in Die Reise
nach dem Westen, einem der vier berühmten klassischen
chinesischen Romane. Das Werk beschreibt die Abenteuer des
Tang-zeitlichen Mönchs Tripitaka und seiner drei Schüler
auf ihrer Reise zum Westlichen Himmel, um dort die buddhistischen
Schriften zu suchen und zurückzubringen. Die Figur von Tripitaka
beruht auf der wahren Person des Mönchs Xuanzang, der
sich 629 nach Indien begab, um die erlesensten Stücke des
Buddhismus nach China zu holen. Seine Reise dauerte 17 Jahre,
und als er endlich nach Chang’an (heute Xi’an) zurückkehrte,
hatte er über 600 Bände buddhistischer Schriften in Sanskrit
bei sich.
Wu
Cheng’en (1510–1582) nahm Xuanzangs Reise zum Stoff und verfasste
in der Ming-Dynastie den 100 Kapitel umfassenden Roman. Er
schmückte ihn mit den farbenfrohen, fantasievollen Abenteuern
von Sun Wukong aus, einem Affen, der einem Stein entspringt,
mit dem die Göttin Nüwa ursprünglich ein Loch am Firmament
stopfen wollte. Wegen seines Ursprungs, der die Essenz von
Himmel und Erde vereinigt, hat Sun Wukong weder Vater noch
Mutter und ist somit frei von den Fesseln menschlicher Beziehungen.
Weder von Ordnung oder Riten noch von Hierarchien beeindruckt,
sät er Chaos im Himmel, im Palast des Drachenkönigs
und in der Hölle. Seine Weigerung, sich mit bösen
Kräften einzulassen, machen ihn in den Augen der Chinesen
zu einem Helden und zur Verkörperung der Rechtschaffenheit.
Als Strafe
für das Chaos, das Sun Wukong im Himmel anrichtet, wird er
für 500 Jahre unter einem Berg eingekerkert. Als Gegenleistung
für seine Freilassung hat er zu gewährleisten, dass Tripitaka
auf seiner Reise nichts zustößt. Von dieser Stelle
an erzählt der Roman von Sun Wukongs Kämpfen gegen
allerlei Geister und Dämonen am Weg zum Westlichen Himmel.
Sun Wukong
symbolisiert das menschliche Verlangen nach einem idealen
Leben ohne Zwänge. Erst mit der Macht des Buddhismus
gelingt es schließlich, ihn im Zaum zu halten. Hier
zeigt sich die wahre conditio humana: Dem Wunsch des
Einzelnen nach Freiheit und Würde stellen sich immer die Beschränkungen
der Wirklichkeit entgegen.
Der
Affenkönig weltweit
1983
strahlte das chinesische Zentralfernsehen eine TV-Serienversion
der Reise nach dem Westen aus, was die Fangemeinde
des Affenkönigs bis in Übersee anwachsen ließ.
Heute begrüßt er neben Mickey Mouse und Donald Duck
Besucher der Walt-Disney-Parks an mehreren Orten auf der Welt.
Auch
im Ausland entstanden verschiedene Verfilmungen der Abenteuer
von Sun Wukong. Making Havoc in Heaven war der
erste und bislang erfolgreichste Trickfilm zum Thema. Mittlerweile
gab Steven Spielbergs Produktionsfirma Dream Factory bekannt,
die Geschichte des Affenkönigs mit einer leichten Abänderung
verfilmen zu wollen. Ihre Version spielt im China der Tang-Dynastie,
wo Sun Wukong ein Dasein als Sklave an einer Universität
fristet. Sanzang, ein Lehrer an der Hochschule, nimmt Sun
Wukong auf eine Reise nach Indien mit. Doch auf See geraten
sie vom Kurs ab und verirren sich. Sie landen schließlich
auf dem amerikanischen Kontinent – und bringen den Indianern
als erste Maiskerne.
Der
sportliche Geist des Affenkönigs
„Sun
Wukong hat eine starke Verbindung zur Sportlichkeit“, sagt
der namhafte chinesische Schriftsteller Zhao Benfu. „Dies
ergibt sich aus seinen überragenden akrobatischen Fähigkeiten,
seiner Unnachgiebigkeit und seiner Kenntnis grundlegender
Regeln. Seine Reise zum Westlichen Himmel stellt die ultimative
Herausforderung dar – deswegen bewundern alle Sportler seine
Haltung. Die Olympischen Spiele feiern die Dynamik des Lebens,
die im Bild von Sun Wukong so deutlich hervortritt.“
Zhao
spricht für all jene, die in Sun Wukong den Inbegriff des
olympischen Mottos „schneller, höher, weiter“ sehen.
Mit einem Salto überwindet er 9000 km, er kann im Nu auf die
Spitze einer Wolke springen und im Wettkampf mit mächtigen
Dämonen ist er immer schlau genug, um sie zu täuschen.
In China
gibt es rund 120 Mio., die im Jahr des Affen geboren sind,
und Millionen anderer, die den Nachnamen Sun tragen. Sie alle
unterstützen Sun Wukongs Kandidatur für das Maskottchen von
Olympia 2008 bedingungslos.
Die
Heimatstadt des Affenkönigs
Der Autor
Wu Cheng’en wurde in Huai’an geboren, in den Yuntai-Bergen
an der chinesischen Ostküste, unweit des heutigen Naturschutzgebiets
von Lianyungang. Wu hielt sich oft in den Yuntai-Bergen auf,
am häufigsten auf dem Huaguo-Gipfel. Sun Wukong ist eine
der wenigen mythischen Figuren, deren Herkunftsort unzweifelhaft
bestimmt ist. In Die Reise nach dem Westen selbst wird
als seine Heimat der Huaguo-Berg angegeben. An dieser Stelle
verband Wu Cheng’en sein Wissen aus historischem Material
über die Indienreise des Mönchs Xuanzang mit einer blühenden
Fantasie, um sein Meisterwerk zu schaffen.
Auf dem
Huaguo-Berg erkennt man Bilder und Stellen, wie sie im Roman
beschrieben sind. Eine ist ein acht Meter hoher Fels auf einem
Hügel am Nordtor, der einem Affen ähnlich sieht. Ein
anderer Fels erinnert an den Tang-Mönch in seinem Umhang,
und gleich daneben steht ein weiterer Fels, der aussieht wie
ein Schwein. Am erstaunlichsten ist die Wasservorhangshöhle,
das Zuhause des Affenkönigs, deren Eingang von einem
Wasserfall aus kristallklarem Quellwasser bedeckt ist. Im
Höhleninnern befindet sich eine nie versiegende Quelle,
von der die Ortsansäßigen sagen, Sun Wukong sei
durch sie zum Kristallpalast des Drachenkönigs im Ostmeer
gelangt.
Die Regierung
von Lianyungang wirbt kräftig für Sun Wukong als Olympia-Maskottchen
2008 und nützt diese Gelegenheit, um der Welt die Sehenswürdigkeiten
der Stadt vorzustellen, die neben den durch Sun Wukong bekannten
Orten die ältesten Felszeichnungen und eine gut erhaltene
2000 Jahre alte Leiche umfassen.