Frauen
in der Tang-Dynastie

Chinas feudale Gesellschaft wurde von Männern
dominiert. Die Überlegenheit des Mannes war eine Grundüberzeugung,
die sich durch die ganze Feudalperiode hinzog. Frauen waren kaum
mehr als Leibeigene.
In dieser Zeit gründete sich die männliche
Überlegenheit auf bestimmte Normen, die erstens das soziale
Verhalten regelten:
-- Die drei Vorherrschaften (der Herrscher leitet
den Untertanen an, der Vater den Sohn und der Ehemann die Ehefrau)
-- Die fünf Grundtugenden (Menschlichkeit, Pflichtgefühl,
Anstand, Weisheit und Treue)
und auf bestimmte Normen, die zweitens die Familienordnung
regelten:
-- Die drei weiblichen Gehorsamspflichten (von
einer Frau wurde erwartet, dass sie vor der Heirat ihrem Vater,
in der Ehe ihrem Ehemann und in der Witwenschaft ihren Söhnen
gehorcht)
-- Die vier Frauentugenden (Sittsamkeit, geziemende
Sprache, richtiges Betragen und Fleiß).
Frauen hatten weder das Recht zur Scheidung
noch zur Wiederheirat. Andererseits konnte der Ehemann seine Frau
verstoßen, wenn sie eine der sieben Sünden beging, also
wenn sie respektlos, unfruchtbar, lasziv oder eifersüchtig war,
sich in alles einmischte, an einer abstoßenden Krankheit
litt oder einen Diebstahl beging.
Frauen besaßen einen so geringen sozialen
und familiären Status, dass sie nicht einmal im Traum daran
denken konnten, in Wirtschaft oder Politik eine bedeutende Rolle
zu spielen.
Während dieser langen und dunklen Periode
der chinesischen Feudalgeschichte gab es jedoch eine kurze, aber
beachtliche Unterbrechung für die chinesische Frau - die Zeit
von 618 bis 765 in der Hochphase der Tang-Dynastie.
Glückliche Frauen der
Tang-Dynastie


Die Frauen in der Tang-Dynastie (618-907) hatten
das Glück, in einer Zeit zu leben, die offen war für liberale
Ideen. Nachdem Kaiser Taizong (Li Shimin) den Thron bestiegen
hatte, erlebten die chinesische Politik, Wirtschaft und Kultur
sowie die Beziehungen zum Ausland große Veränderungen.
Auf dem Höhepunkt der Entwicklung der Tang-Dynastie spiegelten
sich fortgeschrittene Produktivität und eine starke ökonomische
Basis in Philosophie, Politik, Kultur und Kunst sowie in der sozialen
Ethik wider - und ganz signifikant im sozialen Status der Frau.
Schon kurz nach der Gründung der Tang-Dynastie
erließ der Kaiserhof ein günstiges Landverteilungs- und
Steuersystem, um die landwirtschaftliche Produktion anzukurbeln,
die damals die führende Rolle in der Binnenwirtschaft spielte.
Im Rahmen dieser Reform war es Witwen gestattet, einen größeren
eigenen Landbesitz zu erwerben, sofern sie Familienangehörige
zu versorgen hatten. Diese Maßnahme machte sie wirtschaftlich
unabhängiger.
Der
Tang-Code erlaubte einem Ehepaar die Scheidung in gegenseitigem
Einvernehmen. Historischen Berichten zufolge war es damals für
Frauen nicht ungewöhnlich, sich scheiden zu lassen oder wieder
zu heiraten. Im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung in anderen
Dynastien der Feudalzeit wurde eine Witwe nicht als untugendhaft
bezeichnet, wenn sie eine neue Ehe einging.
Auch am Kaiserhof ging es freier zu. Während
der frühen und mittleren Tang-Zeit waren 61 der insgesamt 98 Prinzessinnen
verheiratet, wovon 24 eine zweite Ehe eingingen und vier sogar
eine dritte.
Es war nicht unüblich, dass Han-Chinesen Angehörige
anderer ethnischer Gruppen oder Ausländer heirateten. Interkulturelle
Verbindungen wurden vom Gesetz geschützt. Selbst am Kaiserhof
betrieb man eine aktive Heiratsdiplomatie. Im 15. Jahr (641) der
Zhenguan-Ära heiratete Prinzessin Wencheng den König
des Tubo-Reiches, brachte viele fortgeschrittene Produktionstechniken
nach Tubo und leistete einen großen Beitrag zu Freundschaft
und kulturellem Austausch zwischen den Han-Chinesen und Tibetern.
In der Tang-Dynastie legte man großen
Wert auf Bildung. Frauen hatten die gleichen Rechte und Möglichkeiten
auf Bildung wie Männer. Dies zeigt sich auch in der
Tang-Dichtung, dem vielleicht wichtigsten Beitrag der Tang-Dynastie
zur Weltkultur. Die berühmteste Poetin war Shangguan Wan er, die
mit ihrem unverwechselbaren Stil einen großen Einfluss auf
Li Bai ausübte, den berühmtesten Dichter im alten China.
Frauen
in der Tang-Zeit haben sich nicht nur auf die Literatur beschränkt,
sie befassten sich auch mit Politik und Geschichte, sogar mit
der Kriegskunst. Prinzessin Pingyang nahm persönlich an Gefechten
teil und führte ein Frauenbataillon an. Prinzessin Taiping,
Tochter des Kaisers Gaozong, vereitelte zweimal Meutereien am
Kaiserhof.
Entspannte soziale Verhältnisse und ein
unabhängigerer sozialer Status ermöglichten der gebildeten
Tang-Frau einen Lebensstil, der sich grundsätzlich von dem
in anderen Dynastien unterschied. Sie konnten sich am Wein gütlich
tun, ausgelassen in Kneipen singen oder mit Männern auf dem
Polofeld konkurrieren. Sie konnten sich in sozialen Angelegenheiten
engagieren und unabhängig Geschäfte tätigen. Sogar
in der sonst verschlossenen politischen Arena traten sie auf.
Herausragendes Beispiel war Kaiserin Zhangsun, die tugendhafteste
Kaiserin Chinas.
Die tugendhafte Kaiserin
Kaiserin Zhangsun war die Ehefrau von Kaiser
Taizong (Li Shimin). Sie entstammte den Xianbei (ethnische Gruppe
im alten China), wuchs im Landesinneren auf und erhielt eine gute
Bildung, besonders in Literatur und Geschichte.
Als
Li Shimin in heftiger Fehde mit seinen Brüdern um den Thron
lag, befreite ihn Zhangsun wiederholt vor Kaiser Gaozu von falschen
Anschuldigungen. Während der Xuanumen-Meuterei griff sie
persönlich ein, stärkte die Moral der Streitkräfte
und half damit letztendlich Li Shimin, seine politischen Feinde
zu beseitigen.
Nach ihrer Krönung zur Kaiserin setzte
Zhangsun ihr einfaches Leben fort. Sie protegierte keine Verwandten
und riet Li Simin, auf nützliche Vorschläge und Ratschläge
von Höflingen zu hören. Wei Zheng, Premierminister des
Landes, war häufig geradeheraus, wenn er dem Kaiser Vorhaltungen
machte. Manchmal war Kaiser Taizong deswegen so erbost, dass er
seinem Premierminister mit Enthauptung drohte - und jedesmal war
es Kaiserin Zhangsun, die Wei Zheng in Schutz nahm und die Wogen
glättete.
Als Herrin über den kaiserlichen Harem war Zhangsun
überaus fürsorglich gegenüber den Konkubinen des Kaisers. Sie
behandelte deren Kinder so, als wären es ihre eigenen. Wenn
sie erfuhr, dass eine der Konkubinen krank war, gab sie dieser
ihre eigene Medizin. Alle Konkubinen hatten tiefen Respekt vor
der Kaiserin. Konkubinen und Kaiserin lebten in voller Harmonie
miteinander, und das ermöglichte dem Kaiser, mit voller Konzentration
den Regierungsgeschäften nachzugehen.
Im 10. Jahr (630) der Zhenguan-Ära starb
Kaiserin Zhangsun im Alter von 36 Jahren an einer Krankheit. In
ihrem Vermächtnis bat sie um ein einfaches Begräbnis
und riet Kaiser Taizong, aufrichtigen Ratschlägen Gehör
zu schenken und dem einfachen Volk ein guter Herrscher zu sein.
Kaiser Taizong ließ im kaiserlichen Palast eine Plattform
bauen, von der er das Zhao-Mausoleum sehen konnte, wo seine geliebte
Kaiserin ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte.
Kaiserin Wu Zetian
Die herausragende Frau der Tang-Dynastie war
ohne Zweifel Wu Zetian. Es gab 243 Kaiser in den 2000 Jahren vom
Beginn der Qin-Dynastie (221 v. Chr.) bis zum Ende der Qing-Dynastie
(1911) und nur eine regierende Kaiserin - Wu Zetian. Sie ist die
legendärste und umstrittenste Figur in der chinesischen Geschichte.
Sie wurde 82 Jahre alt und hatte 50 Jahre lang die Macht inne.
Wu Zetian entstammte einer Beamtenfamilie aus
Wenshui (Provinz Shanxi). Sie besaß ausgesprochen weiblichen
Charme und Anmut, in ihren Handlungen war sie entschlossen und
unnachgiebig. Wu Zetian kam mit 14 Jahren an den Hof und war dazu
ausersehen, Kaiser Taizong zu dienen, der ihr in Anspielung auf
ihre Schönheit den Namen Mei gab, was charmant und liebenswert
bedeutet. Sie war aber mit diesem Namen überhaüpt nicht zufrieden
und änderte ihn nach ihrer Machtübernahme in Zhao ("Das
Licht der Sonne und des Mondes, das jeden Winkel des Landes erleuchtet").
Wu
Zetian war eine kompromisslose Frau. In den Palastställen
gab es einmal ein so wildes und gefährliches Pferd, dass
es niemand zu zähmen vermochte. In einem solchen Fall, sagte
die Kaiserin, müsse man es erst "im Guten" versuchen
und das Pferd mit einer Eisenpeitsche züchtigen; falls dies
nichts helfe, so sei das Tier zu töten.
Wu Zetian wurde anfangs der Titel einer Cairen
(Konkubine mittleren Ranges) verliehen, sie konnte jedoch nur
geringe Gunst bei Kaiser Taizong erlangen. Sie arbeitete zwar
12 Jahre als seine Sekretärin, wurde aber nie befördert
noch gebar sie ein Kind. Taizongs Sohn Li Zhi jedoch war ziemlich
vernarrt in sie. Nach dem Tod des Vaters wurde Li Zhi inthronisiert
und Wu Zetin Kaiserin. Kaiser und Kaiserin herrschten gemeinsam
über das Land. Da Li Zhi eine schwache Gesundheit hatte, war es
Wu Zetin, die die eigentliche Macht im Staate innehatte. Als Li
Zhi starb, gelang es Wu Zetian dank ihrer reichlichen Erfahrung
im politischen Intrigenspiel, die Lage im Lande zu stabilisieren.
Wu Zetian bestieg 690 den Thron, änderte
den Dynastienamen in Zhou, entledigte sich aller politischen Gegner
und gründete den Kaiserhof der Wu-Familie. Sie war eine hart arbeitende,
kluge und fürsorgliche Monarchin. Sie übernahm wesentliche Politikelemente
ihrer Vorgänger (Betonung der Landwirtschaft, Steuererleichterungen,
friedliche Außenpolitik und den Grundsatz des "offenen
Ohrs" für Ratschläge und Vorschläge), hatte eine
glückliche Hand, talentierte Leute an die richtige Stelle zu setzen
und unterstützte sowie ermutigte Frauen, am politischen Geschehen
mitzuwirken. Ihre 50-jährige Regierungszeit war eine Ära
des Wohlstandes und Friedens.
Das letzte Wort hat
die Geschichte
Wu Zetian traf die Anordnung, dass nach ihrem
Tod ein Gedenkstein für sie und Kaiser Gaozong errichtet werden
solle - aber ohne Inschrift. Nach Wu Zetians Ansicht hat allein
die Geschichte über Verdienste und Fehler ihres Lebens zu befinden.
Als Kaiserin genoss sie den Status eines Kaisers, als Frau jedoch
hat sie fast alles geopfert: Verwandte, Freunde, Liebe und letzendlich
ihr Leben. Wie können da einige Worte auf einer Tafel die
Freuden und Leiden ihres Lebens und die Unbeständigkeit der
Welt, in der sie lebte, beschreiben?
Eine weitere unvergessliche Frau in der Tang-Dynastie
war Yang Yuhuan. Sie war nicht nur außergewöhnlich
schön, sie war auch in Musik und Tanz bewandert. Yang Yuhuan
war unsterblich in Kaiser Xuanzong verliebt, die beiden waren
unzertrennlich. Das erregte aber das starke Missfallen des Hofes.
Letztendlich mussten sie vor einer Rebellenarmee fliehen und Yang
Yuhuan wurde zum Selbstmord gezwungen.
Obwohl
Yang Yuhuan, anders als Wu Zetian, sich nicht in politische Angelegenheiten
einmischte, sie die ranghöchste kaiserliche Konkubine
war, wurden beide Frauen auf Grund ihres Geschlechtes stark diskriminiert.
Obwohl Wu Zetian und Yang Yuhuan in der aufgeschlossenen Tang-Dynastie
lebten, konnten sie sich trotzdem nicht völlig von den Vorurteilen
und der Borniertheit der feudalen Moralvorstellungen, besonders
im politischen Bereich, frei machen.
In der Rückschau waren die sogenannten
"glücklichen Frauen der Tang-Dynastie" vielleicht doch
nicht glücklich genug, um den Neid der Frauen von heute zu erregen,
doch ihr Beitrag zum historischen Fortschritt ist unzweifelhaft
und bewundernswert.
Von Huo Jianying