Januar 2005
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Entwicklung des modernen Bildungswesens Tibets (1)

Im Mäz 1959 inszenierte eine reaktionäre Clique aus der Oberschicht der tibetischen Gesellschaft rücksichtslos eine bewaffnete Rebellion. Die Bevölkerung aller Nationalitäten Tibets warf unter Leitung der KP Chinas die konterrevolutionäre Rebellion schnell nieder. Die anschließend durchgeführte demokratische Reform stützte das System der feudalen Leibeigenschaft restlos. Die alten Schulen unter der Regie der ehemaligen Gaxag-Regierung wurden selbstverständlich geschlossen.

Millionen von Leibeigenen und Sklaven Tibets wurden politisch und wirtschaftlich völlig frei. Mit der Befreiung der Produktivkräfte und der Änderung der Produktionsweise entstand bei den Menschen nun auch der heiße Wunsch nach Bildung und Ausbildung. Es wurden verschiedene Nachhilfekurse in Allgemeinbildung und technischer Ausbildung veranstaltet. Außerdem renovierte man schnell die Grund- und Mittelschulen, die während der Rebellion zerstört worden waren, und gründete mit bedeutenden menschlichen, materiellen und finanziellen Kräften neue staatliche Grund- und Mittelschulen sowie pädagogische Fachschulen.

Dennoch konnte der Wunsch der Massen, lesen und schreiben zu lernen, noch nicht umfassend befriedigt werden. So gründeten die Einwohner des Dongcheng-Bezirks der Stadt Lhasa im April 1959 aus eigener Kraft die erste von den Einwohnern selbst betriebene Grundschule Tibets. Weitere solcher Grundschulgründungen kamen nicht nur in Lhasa, sondern auch in anderen Bezirken wie z. B. in Shannan vor. Angesichts dieser Tendenz und der Tatsache, dass der Staat anfangs wegen Geldmangels nicht in der Lage war, eine große Anzahl staatlicher Schulen einzurichten, erarbeiteten das Arbeitskomitee und das vorbereitende Komitee für das Autonome Gebiet Tibet im November 1959 die neue Schulpolitik. Die lautete: Einwohnern betriebene Schulen vorrangig fördern, zur Ergänzung staatliche Schulen einrichten, die von den Einwohnern betriebenen Schulen sollen vom Staat finanziell unterstützt werden. Damit wurden Bevölkerung sowie Unternehmen und Institutionen ermuntert und gefördert, eine Schule aus eigener Kraft zu betreiben. Da sich das Bildungswesen Tibets in diesen beiden Schultypen entwickelte, konnten bald 31,3% der schulpflichtigen Kinder Tibets eine Schule besuchen. Das war in der Zeit vor den 50er Jahren unvorstellbar. 1962 wurde die Tibetische Hochschule für Nationale Minderheiten gegründet. Damit erhielt Tibet seine erste Hochschule.

Aufschwung der elementaren Schulbildung

Infolge der neuen Schulpolitik entwickelten sich die von Einwohnern betriebenen Grundschulen wie Bambussprossen nach einem Frühlingsregen; sie sprossen sehr schnell empor und nahmen eine wichtige Stellung im Bildungswesen Tibets ein. Allein im Jahr 1959 wurden 450 von Einwohnern betriebene Grundschulen gegründet. Nach der Statistik aus dem Jahr 1965 gab es in Tibet 1742 von Einwohnern betriebene Grundschulen mit 56 763 Schülern.

Gleichzeitig wurde die Entwicklung der staatlichen Grundschulen gefördert. Die meisten Kreise Tibets haben eine oder zwei staatliche Grundschulen bzw. vollständige Grundschulen. Die meisten von diesen waren Internatsschulen und der Staat gewährte ein Stipendium. Solche Grundschulen galten in verschiedenen Regionen als Musterschulen.

Im Dezember 1963 fand die 1. Bildungsarbeitssitzung Tibets statt. Da gab es in Tibet vier Mittelschulen, 48 staatliche Grundschulen und mehr als 1300 von Einwohnern betriebene Grundschulen mit insgesamt 40 000 Schülern, was 45% der schulpflichtigen Kinder Tibets ausmachte. So diskutierte man auf der 1. Bildungsarbeitssitzung über die Gründung und Reorganisation der von Einwohnern betriebenen Grundschulen sowie über die Entwicklung und Verbesserung der Lehrtätigkeit an staatlichen Grund- und Mittelschulen. Dabei wurde festgelegt, in Zukunft vor allem die Qualität der vorhandenen Schulen zu erhöhen, staatliche Schulen schwerpunktmäßig zu entwickeln, sie zu zentralen Schulen in verschiedenen Regionen zu machen und ihnen eine führende und Vorbildrolle zuzuordnen. Die Schulen waren nach den Bedürfnissen der Bauern und Hirten einzurichten, der Aufbau der Lehrkörper war weiter zu verstärken und die Lehrkräfte der nationalen Minderheiten mit Nachdruck auszubilden.

Nach den statistischen Angaben von Ende 1965 gab es in Tibet 80 staatliche Grundschulen mit 10 018 Schülern. 30,3% der schulpflichtigen Kinder Tibets besuchten die Schule. Unter den 2485 Lehrern waren 1954 in den von Einwohnern betriebenen Schulen und 531 in den staatlichen Schulen tätig.

Ein besonderes und flexibles Programm zur Verwaltung der von Einwohnern betriebenen Schulen zeitigte Erfolge. Nachdem die von Einwohnern betriebenen Grundschulen in verschiedenen Regionen Tibets gegründet worden waren, bildeten Kader an der Basis, Eltern der Schüler und Vertreter der Lehrer Verwaltungskomitees, die u. a. für Schulleitung und Ausgabenverwaltung zuständig sein sollten. Die laufenden Ausgaben und Gehälter für die Lehrer wurden vor allem durch die Einwohner gesammelt oder durch praktische Arbeit von Lehrern und Schülern beschafft. Man versorgte sich an Ort und Stelle mit Material und erwarb damit notwendige Artikel für die Lehre und das Lernen wie Papier, Schreibzeug und Tinte. Die Lehrer und Schüler sammelten auf den Bergen Kuh- und Schafmist oder gruben Heilkräuter aus. Der Mist gab Brennstoff für den Alltag, mit dem Erlös vom Verkauf der Kräuter wurden die laufenden Ausgaben der Schule bestritten. Der einzuhaltende Standard der Lehrerentlohnung, der von der zuständigen Behörde für das Bildungswesen festgelegt wurde, lag nur wenig höher als das durchschnittliche Jahreseinkommen einer lokalen, gut qualifizierten Arbeitskraft.

Die Ausbildungsdauer in den von Einwohnern betriebenen Grundschulen betrug  anfangs fünf Jahre und wurde 1964 auf vier Jahre verkürzt. Um den Wunsch der Jugendlichen in den Agrar- und Weidegebieten zu erfüllen, lesen und schreiben lernen zu können, lag anfangs das Einschulungsalter zwischen dem sechsten und dem zwanzigsten Lebensjahr. Mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Land- und Viehwirtschaft wurde später die obere Grenze für das Einschulungsalter aufs 16. Lebensjahr begrenzt. Die Unterrichtszeit wurde flexibel nach dem Prinzip in der Mußezeit mehr und in der Hauptsaison weniger lernen geplant. Das Lehrprogramm enthielt u. a. tibetische Sprache und Schrift, Arithmetik (einschließlich Rechnen mit dem Abakus) und Politik. Schulen ohne ausreichende materielle Bedingungen konnten oft nur einen oder zwei Kurse abhalten. Gemäß dem Prinzip über Produktion und dem Leben dienen, bestimmte man als Ziel der Schulpolitik: die Schüler sollen tibetische Zeitungen lesen und verstehen, einfache Briefe und Formschreiben verfassen und für Bauern und Hirten Buch führen und bilanzieren können.

Tibet ist ein riesiges, dünn bevölkertes Gebiet. Die Dörfer liegen weit verstreut. Um den Kindern der Bauern und Hirten einen Schulbesuch in der Nähe zu ermöglichen, wurden die Grundschulen allgemein auf Gemeindeebene oder gemeinsam durch einige nahe beieinander gelegene Gruppen für gegenseitige Hilfe eingerichtet. Es gab Ganztags- und Halbtagsschulen. Es gab Schulen, in denen jeden zweiten Tag unterrichtet wurde. Es gab daneben auch Lese- und Schreibkurse sowie Abendschulen. Darüber hinaus gab es in den Weidegebieten Schulen auf Pferderücken und die Lehrer reisten von einem Herdensammelpunkt zum anderen, um Unterricht zu erteilen.

Die Lehrkräfte der von Einwohnern betriebenen Schulen stammten am Anfang aus den eigenen Reihen. Man machte die Klügsten zu Lehrern, die später schrittweise ausgebildet wurden und deren Niveau so erhöht werden sollte. Als Lehrer waren zum Beispiel lamaistische Mönche und Nonnen sowie die Personen tätig, die das Tibetische im gewissen Maße lesen und schreiben konnten. Später nahm die Lehrerausbildung Tibets in Umrissen neue Gestalt an, indem kurzfristige Fortbildung im Turnus mit langfristiger Ausbildung wechselte. Berufsbegleitende Qualifizierung und eine Weiterbildung, für die man vorübergehend seinen Posten verlassen musste, wurden miteinander verbunden. Die zuständige Behörde für das Bildungswesen auf der Ebene des Autonomen Gebiets war dafür verantwortlich, Tibetisch- und Mathematiklehrer für die Oberstufe der staatlichen Grundschulen sowie der staatlichen Mittelschulen auszubilden, während die zuständige Behörde für das Bildungswesen auf der Bezirks- und Stadtebene damit beauftragt war, Tibetisch- und Mathematiklehrer der staatlichen und der von den Einwohnern selbst betriebenen Grundschulen von der 4. Klasse an abwärts fortzubilden. So wurde das Problem des Lehrpersonals der von Einwohnern betriebenen Schulen anfänglich gelöst.

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