Tempel
und Klöster (1)
Das Jokhang-Kloster,
das Zentrum der Altstadt von Lhasa
Das Jokhang-Kloster liegt 1 km östlich vom Potala-Palast und ist das älteste
Gebäude der Stadt Lhasa. Es hat eine Geschichte von nahezu
1400 Jahren. 1961 wurde es als eine der wichtigsten Kulturstätten
unter staatlichen Denkmalschutz gestellt.
Das Jokhang-Koster
wurde im Jahr 647, dem 21. Jahr unter der Regierungsdevise
Zhenguan in der Tang-Dynastie erstmals gebaut. Tibetischen
Geschichtsbüchern zufolge rissen aber Katastrophen und
sonstiges Unheil nicht ab, bis endlich die Tubo-Dynastie ihren
Sitz nach Lhasa verlegte. Die berühmte Prinzessin Wencheng,
die sich in Astrologie und Geomantik gut auskannte, legte
durch Sternbeobachtung den Ort fest und stellte zugleich
einen Plan auf, wonach ein See zuzuschütten war, um dann ein
Kloster darauf zu bauen. So könnten Dämone besiegt und böse
Geister vertrieben werden. Sontsan Gampo folgete dem Plan.
Dazu wurden aus der im Norden liegenden Region Pengbo weiße
Ziegen für den Transport der Erdmassen geholt. Der Ort
erhielt deswegen den Namen „Rasa“ (Ort von Ziegen). In
chinesischsprachigen Geschichtsbüchern hieß er „luoxie” oder
„luosuo”; Lhasa, der spätere Ortsname, wurde von
„Rasa” abgeleitet. In Geschichtsbüchern steht geschrieben,
dass das Kloster nach der Fertigstellung zunächst nur acht
Hallen hatte, darunter die Halle zur Aufbewahrung von Sutras
und die Buddhahalle. In der Zeit der Tubo-Dynastie gab
es sehr hart geführte Auseinandersetzungen zwischen den
buddhistischen Mönchen und den Anhängern der Bon-Religion. Auch
in späteren Perioden fanden vielfach gewaltsame und blutige Machtwechsel
in Lhasa statt, bei denen u.a. auch das Jokhang-Kloster oft
beschädigt wurde. In der Yuan- und Ming-Dynastie, insbesondere
seit 1409 wurde es wiederholt auf- und ausgebaut, wodurch
es den heutigen Umfang erhalten hat.
Das Jokhang-Kloster
ist auf einer Ost-West-Achse errichtet. Die Gebäude sind grundsätzlich
an dieser Linie erbaut; es sind Tortürme, Buddhahallen, Wandelgängen,
Brunnen, Dachfenster, Gärten und Wohnzellen von buddhistischen
Mönchen. Die Klosteranlage ist 25 100 m² groß. Das 1.
und 2. Stockwerk ist noch der Originalbau aus der
Tang-Dynastie. Die höheren Stockwerke, die angebauten Hallen
und Bauerweiterungen dagegen stammen erst aus der Zeit nach
dem 11. Jahrhundert. Die Buddhahalle ist das Hauptgebäude
des Klosters. Sie hat vier Stockwerke und gilt als achitektonisch
bedeutendster Bau des Klosters. In der Mitte sieht man ein
breites Dachfenster. Die Haupträume liegen in der Haupt- wie
in der Nebenhalle im Erdgeschoß. Die Haupthalle liegt
im Zentrum der Anlage. Darin befindet sich eine 1,5 m hohe,
vergoldete Bronzestatue des 12-jährigen Schakjamuni, die von
Prinzessin Wencheng von Chang’an nach Tibet mitgebracht wurde.
Sie stand ursprünglich im Ramoche-Kloster. Prinzessin Jincheng
hatte die Statue dann hierher gebracht, um so die hervorragende
Stellung des Jokhang-Klosters zu unterstreichen. Viele Gläubige,
die trotz strapaziöser Reisen über große Entfernungen
zum Koster kommen, wollen gerade vor dieser Statue beten.
Links und rechts neben der Haupthalle stehen die Qamba-Halle
und die Halle des Großen Lichts. Zu beiden Seiten der
Achsenlinie stehen Figuren als Verkörperungen Schakjamunis;
auf der linken Seite steht die Statue des waffentragenden
Wächters Buddhas, auf der rechten die Statue der
Gottheit der Barmherzigkeit mit ihren tausend Händen. Außer
Haupt- und Nebenhallen gibt es Dutzende von Toren. Besonders
zu erwähnen ist ein Raum im 2. Stock auf der westlichen Seite.
Darin sind lebendig wirkende Figuren von Songtsan Gampo,
Prinzessin Wecheng, Prinzessin Chizun und dem berühmten
Gesandten der Tubo-Dynastie, Gar Dongtsan, sowie dem Erfinder
der tibetischen Schriftzeichen Thonmi Sambhota zu bewundern. Außerdem
werden dort verschiedene Gebrauchsgegenstände der Tubo-Dynastie
aufbewahrt. Um die Buddhahalle sind Wandelgänge gebaut,
die man in mittlere und innere Wandelgänge einteilt.
Bronzene Nyima-Drehmühlen sind dort nebenaneinder aufgereiht,
die Wände der Wandelgänge sind mit Malereien versehen. Es werden
Motive aus der Geschichte der Tubo-Dynastie sowie buddhistische
Sagen und Legenden dargestellt. Erwähnenswert sind zwei
Wandmalereien in der Haupthalle: der Einzug der Prinzessin
Wencheng in Tibet und das Zuschütten des Sees und der
nachfolgende Bau des Klosters darauf. Diese Malereien
sind für die kunstgeschichtliche Forschung sowie für die Erforschung
der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung des tibetischen
Altertums von großem Wert.
Der Baustil der Gebäude des Jokhang-Klosters ist eine Verschmelzung klassischer
chinesischer und tibetischer Baukunst. Außerdem wurden Elemente
der nepalesischen und indischen Baukunst übernommen. Die Dächer sind
mit vergoldeten Dachziegeln und goldenen Tierfiguren versehen.
Die Balkenkonstruktion erinnert an den Baustil des Landesinneren,
weist jedoch geschickte Varianten auf. Reliefs und bunte Bemalungen verschiedener
Menschen- und Tierfiguren sowie Pflanzenmotive schmücken Säulen,
Balken, Türrahmen und Dachvorsprünge. Auf den Dächern sind
noch jene 108 Tierfiguren zu sehen, die eine besondere symbolische
Bedeutung haben. Das Kloster stellt eine harmonische Vereinigung
verschiedener Kulturelemente dar und hebt die architektonische
Virtuosität der tibetischen Baumeister hervor, die ein so imposantes,
prächtiges,und zugleich ernstes Sakralbauwerk geschaffen haben.
Das Jokhang-Kloster ist ein klassisches Beispiel für die tibetische
Architektur und wirkt auf die Besucher überwältigend.
Das Jokhang-Kloster besitzt zahlreiche Kulturgegenstände und Kunstschätze. Die
wichtigsten seien hier genannt. Da sind zunächst zahlreiche
Bronzefiguren. Manche stammen aus der Tang-Dynastie und tragen
die künstlerischen Zeichen ihrer Zeit; manche sind mit
historischen Aufzeichnungen versehen und stammen aus der Ming-Dynastie.
Unter zahlreichen wertvollen Tangkas (tibetischen Wandteppichen) sind
zwei besonders berühmt: auf dem einen ist der waffentragende
Wächter Shengle, auf dem anderen der waffentragende Wächter
Daweide dargestellt. Dies waren Geschenke des Kaisers
Yongle der Ming-Dynastie, die mit je einer kaiserlichen Inschrift
versehen waren. Die beiden Wandteppiche sind mit bunten
und goldenen Fäden durchwirkt, zeugen von den vorzüglichen
Techniken der Webarbeiten und zeigen heute noch einen
frischen Glanz. Im Jokhang-Kloster wird die 108-bändige Litang-Ausgabe
des Tripitaka aufbewahrt, die rot gedruckten Texte
sind in einer Edelholzkiste verpackt. Außerdem wird dort
auch die vom Qing-Kaiser Qianlong gestiftete Losurne aufbewahrt,
aus der traditionell die Namen des Dalai Lama und
des Panchen Erdeni gezogen werden.
Für das Jokhang-Kloster wurde die Aufnahme in die Liste des Weltkulturerbes
beantragt. Die beantragte Fläche umfasst 7,5 Hektar, neben
dem Kloster auch einen Teil der alten Kulturstadt Lhasa, in
dem es mehr als 100 bedeutende Kulturstätten gibt.
Vor dem Haupteingang des Jokhang-Kloster steht die berühmte Gedenktafel für
das Bündnis von Tang- und Tubo-Dynastie, auch Gedenktafel
für das „Onkel-Neffe-Bündnis“ genannt. Sie wurde im Jahr 823,
im 3. Jahr unter der Regierungsdevise Changqing, aufgestellt
und ist 5,6 m hoch. Sie hat eine Dachkonstruktion und ruht
auf einer steinernen Schildkröte. Auf der länglichen
Stele ist der Text des Bündnisdokumentes in chinesischer und
tibetischer Sprache eingemeißelt. Darauf ist noch zu entziffern,
dass ein Bündnis zwischen dem Tang-Kaiser Muzong und Tride
Zutsan, dem Führer der Tubo-Dynastie, geschlossen wurde: „Neffe
und Onkel beraten über die Herrschaft vereint und schließen
in großer Harmonie ein Bündnis“. Außerdem sind darauf die
Namen der an der Bündnisschließung beteiligten Beamten sowie
der gemeinsame Wunsch für die Vereinigung der führenden Familien eingraviert.
Diese Steintafel ist ein historisches Zeugnis für die tiefen
freundschaftlichen Beziehungen zwischen den verschiedenen
ethnischen Gruppen unseres Landes. Die Schrift auf der Steintafel
ist zwar im Laufe der Zeit verwittert, aber ihr
Inhalt ist immer noch zum großen Teil deutlich zu lesen.
Einige Meter südlich der Gedenktafel für die Bündnisschließung stehen noch zwei
Steintafeln. Die eine ist die Steintafel der „ewigen Befolgung“,
die vom Minister für tibetische Angelegenheiten der Qing-Dynastie
im März 1794 aufgestellt wurde, die andere hat keine Inschrift
und wurde vermutlich in der Ming-Dynastie aufgestellt.
Hinter der Steinbalustrade der Gedenktafel steht eine alte Weide, die einer
Überlieferung zufolge von der Prinzessin Wencheng eigenhändig
gepflanzt wurde. Man nennt diese Weide auch „die Weide der
Tang-Dynastie“ oder die „Weide der Prinzessin“. Während der
„10-jährigen Unruhe“ verdorrte der Baum. Nach der Zerschlagung
„der Viererbande“ hat man neue Weiden neben dem abgestorbenen
Baustamm als Andenken an die „Prinzessin-Weide“ gepflanzt.