Januar 2005
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Heimkehr?

Interview mit drei chinesischen Indonesiern in Beijing

Von Katharina Schneider-Roos

Nani (64) hat Indonesien als junges Mädchen 1964 während der damaligen Unruhen verlassen und lebt seitdem im Ausland. Ihre Familie lebt seit vier Generationen in Indonesien. Sie besucht China als Touristin und um Verwandte zu besuchen.

Rudi (30) hat im Ausland studiert und in Indonesien gearbeitet und studiert nun Chinesisch in Beijing. Sein Vater ist die zweite Generation in Indonesien, die Familie seiner Mutter lebt seit vier Generationen dort.

Leni (26) spricht von klein auf Chinesisch, da ihr Vater aus Hong Kong stammt. Sie kam nach China, um ihr Schriftchinesisch zu verbessern und ihren Mann Rudi zu begleiten.

Fühlen Sie sich als Chinese/Chinesin?

Nani: „Als ich in Indonesien gelebt habe, fühte ich mich als Indonesierin. Ich war einfach Einwohnerin von Sumatra und hatte einen gemischten Freundeskreis. Ich war völlig integriert bis zum Ende der Regierung Sukarnos, als viele Chinesen verfolgt wurden und ihre Häuser abgebrannt wurden. Man ließ mich spüren, dass ich Chinesin bin. Es war ein neues Gefühl des Hasses, der Bitterkeit, und ich stellte mir selbst viele Fragen über meine Identität. Das Thema China hatte sich erübrigt, als mein Vater sich entschied, in Indonesien zu bleiben, als man nach dem zweiten Weltkrieg wählen mußte zwischen indonesischer und chinesischer Staatsbürgerschaft. Mein Vater dachte, dass sein Großvater sicher einen guten Grund gehabt hatte, China zu verlassen und dass wir seine Entscheidung akzeptieren und Indonesien als unser Vaterland anerkennen müssten.“

Rudi: „Ich bin ein Chinese, der in Indonesien lebt. Man wird dort anders behandelt. Man hat nicht das Gefühl, in dieses Land zu gehören. In Schichten mit niedrigerem Bildungsniveau wird die ablehnende Haltung nicht einmal verheimlicht. Diese Leute betrachten dich als Ausländer. Besonders vor 1998 sagten sie, wir werden als Chinesen bevorzugt behandelt. Doch 1998, während der Unruhen, half uns die Regierung überhaupt nicht.“

Leni (25): „1998 habe ich so erlebt: Vor der Universität verfolgte die Polizei die Masse. Es gab Gewehrschüsse. Ich rannte und kletterte über den Zaun auf das Universitätsgelände. Ich wartete dort und hatte Angst. Ich wollte aber nach Hause. Ich wollte wissen, wie es meiner Familie geht. Doch es fuhren keine Taxis und nur wenige Busse. Ich wartete zwei Stunden mit zwei Freunden in der Busstation. Endlich kam ein Bus, mit dem ich nach Hause fahren konnte. Eine Freundin von mir wurde von Indonesiern umzingelt und wurde durch einen freundlichen Indonesier mit einem Motorradtaxi gerettet. Er nahm sie mit nach Hause und sie konnte erst am nächsten Tag, als Muslimin verkleidet und mit Sonnenbrille, damit man ihre chinesischen Augen nicht sieht, nach Hause gehen. Der Mann bekam sehr viel Geld von ihrer Mutter.“

Was bedeutet Chinesischsein in Indonesien?

Nani: „Meine Eltern hatten beide die holländische Schule besucht, da es aber an dem Ort, an dem ich aufwuchs, keine holländische Schule gab, musste ich die chinesische Schule der chinesischen Gilde besuchen. Ich hatte es sehr schwer, da mir meine Eltern nicht bei meinen Hausaufgaben helfen konnten, denn sie konnten kein Wort Chinesisch. Deshalb schlugen mir die Lehrer immer mit einem Stock auf die Finger. Ich hasste die Schule.“

Rudi: „Es gab einige chinesische Bräuche, die mein Vater beibehalten hatte. Als Kinder mussten wir einen Altar aufstellen und zu unseren Großeltern beten. Mein Vater hat noch immer die chinesische Angewohnheit, das Gesicht anderer zu wahren. Wir feiern auch chinesische Feiertage. Die Situation hat sich nach 1998 gebessert. Die Gesetze wurden gelockert und wir können nun offen chinesische Feiertage feiern. Es gibt sogar ein Fernsehprogramm mit chinesischer Kultur. Das Lustige ist, dass darin Indonesier chinesische Lieder singen, natürlich oft falsch. Es gibt auch Filme über berühmte indonesische Chinesen. Wir haben gute indonesische Freunde, doch es bleibt immer ein wenig Misstrauen zwischen uns bestehen. Chinesen werden mata sipit (kleine Augen) oder Cina genannt. Die Gemischten haben Glück, man erkennt sie nicht sofort als Chinesen. Doch man erkennt die Herkunft im Identitätsausweis.

Leni: „Wir mussten ganz traditionell chinesisch heiraten. Wir mussten zwei Koffer, einen für den Mann und einen für die Frau herrichten und sie mit jeweils sechs Kleidungsstücken, sechs Nachthemden, Make-up und Toillettenartikeln füllen. Bei der Verlobung musste die Familie des Mannes Süßigkeiten, Früchte, Gold und Wein mit einem roten Band zusammen binden und das Zeichen für Glück (Fu) spielt auch eine Rolle. Meine Mutter erlaubte uns nicht, Indonesier zu heiraten. Sie hasst Indonesier. In der Moschee, die neben dem Haus einer Freundin ist, wird im Gebet gegen Chinesen aufgehetzt. Ich hatte früher einen indonesischen Freund, was meine Mutter natürlich nicht wusste. Alle meinten, dass solche Beziehungen unmöglich sind.“

Wie empfinden Sie Chinesen in China? Wo sind die Trennlinien, wo die Gemeinsamkeiten?

Nani: „Ich wohnte in Palembang, das sehr chinesisch war. Die Architektur in China erinnert mich sehr an die in Palembang. Ich kenne das südchinesische Essen, die nordchinesische Küche ist neu für mich. Ich weiß nicht, ob das chinesisch oder indonesisch ist, dass ich meinen Kindern beibrachte, ältere Leute zu respektieren. Wahrscheinlich ist das einfach asiatisch. Die Leute hier in China sind freundlich, lachen aber wenig. Ich habe nicht das Gefühl, dass sie mir vorhalten, dass ich als Auslandschinesin mein Heimatland in schlechten Zeiten nicht unterstützt habe. Ich bin stolz, Chinesin zu sein. Chinesen hatten so viele Probleme in der Geschichte, doch sie haben sich durch eigene Kraft aus der Armut hochgearbeitet.“

Rudi: „Ich kam nach China, um Chinesisch zu lernen. Ich fühlte mich als Chinese, konnte aber nicht Chinesisch sprechen. Ich liebe Indonesien überhaupt nicht. Als Kind liebte ich Indonesien, doch in der Mittelschule wurde ich desillusioniert. Als ich nach China kam, wollte ich nur die Sprache studieren, sonst nichts. Doch als wir länger blieben, merkte ich, dass wir völlig integriert sind und als Ortsansässige angesehen werden, solange wir nicht sprechen. Sobald wir den Mund aufmachen, werden wir anders behandelt. Deshalb müssen wir eifrig studieren. Wir fühlen uns sicher und haben das Gefühl, hierher zu gehören. Wir können in der Nacht zu Fuss spazieren gehen und ohne Probleme in kleinen Geschäften einkaufen. In Indonesien würden die Leute verstummen und uns anstarren, wenn wir einen Laden betreten.“

Leni: „Die Chinesen in China fragen uns immer sofort nach 1998. Sie sagen, wir sollen doch nach China ziehen.“

Wie könnte die Situation zwischen Indonesiern und Chinesen in Indonesien verbessert werden?

Rudi: „Ich finde, dass die Situation nur verbessert werden kann durch Anhebung der Bildung, auch der moralischen Bildung, durch Kontrolle des Bevölkerungswachstums und gute Staatsführung der Regierung.“

Bemerkung: Die chinesische Minderheit in Indonesien machte nie mehr als drei Prozent der Bevölkerung aus. In den 50er Jahren begann eine wirtschaftliche Diskriminierungspolitik. In den anti-chinesischen Progromen von 1965-1967 starben ungefähr 1 Million Menschen. Die schockierendsten anti-chinesischen Unruhen brachen am 13. Mai 1998 aus, als Häuser von Chinesen verbrannt und chinesische Frauen vergewaltigt wurden.

Die Namen wurden auf Wunsch der Interviewten von der Autorin geändert.

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