Der
Kampf mit dem Schattenschwert
–
ein
Taijijian-Kurs für Anfänger (Teil I)
Taijijian gehört dem großen
Obersystem des Taijiquan, des Schattenboxens, an. Der Begriff
Taiji bedeutet hier ebenso wie beim Schattenboxen den „Uranfang“,
die Quelle alles Lebens, den der Taijiquan oder Taijijian
Ausübende sich mittels seiner Fäuste (quan) oder eines Schwertes
(jian) erschließt, wobei er bestimmte Bewegungsfolgen einzuhalten
hat. Der folgende mehrteilige Kurs folgt dem klassischen Stil
der Taiji-Schwertkunst und umfasst, die Eingangs- und Ausgangsform
ausgenommen, 32 Bewegungsabläufe, die jeweils einen bestimmten
Namen tragen. Alle vier mal acht Übungen zusammengenommen
können, sobald man sie einigermaßen beherrscht, in einer Zeit
von zwei bis drei Minuten ausgeführt werden. Außer verschiedenen
Bewegungsabläufen für den Körper und verschiedene Schrittfolgen
gibt es eine Reihe von Bewegungsformen für das Schwert zu
erlernen, als da wären: der „Peitschenschlag“ (chou), der
waagerechte Schwertstreich (dai), der Hochziehen der Waffe
(liao), der gerade Stoß (ci), der Hieb (ji), der Schlag auf
einen Punkt (dian), der Säbelhieb (pi), der Parierschlag (tuo),
der Streich gegen die Beine des Gegners (sao), ein Abwehrschlag
namens lan, eine Bewegung, bei der dem Gegner die Kehle durchtrennt
wird (mo), und andere mehr; ihre martialische Bedeutung haben
alle diese Übungen natürlich längst verloren, sie sind aber,
genau wie beim Taijiquan, von großem Nutzen für die eigene
Gesundheit. Ausführen lassen sich diese Übungen sowohl allein
als auch zu mehreren, aber nicht gegeneinander. Auf jeden
Fall werden diese Übungen zu einer Stärkung der Konstitution
führen. Des weiteren können sie den Willen und die geistige
Ausdauer des Übenden fördern und überdies eine Grundlage für
spätere Kampfsportübungen mit dem Schwert legen.
Einige Grundformen
A.
Wie das Schwert mit der linken Hand gehalten wird (Bild a)
Die linke Hand in natürlicher
Weise ausstrecken, das Schwert (mit der Spitze nach oben)
mit der Parierstange in den Raum zwischen Daumen und Zeigefinger
plazieren. Dann den Daumen an der einen Seite über die Parierstange
legen, Mittel-, Ring- und den kleinen Finger von der anderen
Seite. Der Daumen zeigt dabei nach unten, die drei Finger
nach oben. Der Zeigefinger wird am Griff entlang gestreckt.
(Falls die Parierstange Ihres Schwerts diese Haltung nicht
zulässt, darf der Daumen auch von unten nach oben zufassen.)
Das Schwert liegt nun flach auf der Innenseite Ihres linken
Unterarmes.
Wichtig: Die Hand muss das
Schwert – das den eigenen Körper unter keinen Umständen berühren
darf – fest im Griff haben.
B.
Wie das Schwert mit der rechten Hand gehalten wird (Bild b)
Die rechte Hand in natürlicher
Weise ausstrecken, das Schwert mit dem Griff zwischen Daumen
und Zeigefinger legen. Dann den Griff fest mit Daumen und
Zeigefinger umschließen; die übrigen drei Finger umfassen
den Griff nur locker. Der Sinn dieses Griffs liegt darin,
die Bewegungen des Schwertes mit dem Griff von Daumen und
Zeigefinger einerseits und dem untersten Glied des Daumens
(der „Maus“) resp. der Handkante andererseits zu steuern.
Bei einer anderen Art, das Schwert zu halten, umschließen
der Mittel-, der Ringfinger und der Daumen den Griff, während
der Zeige- und der kleine Finger locker gelassen werden. Sobald
die Elastizität des Schwertblattes es erfordert oder die Bewegungen
schwungvoller und kräftiger werden, umschließt dann auch der
Zeigefinger den Schwertgriff fester, um die Genauigkeit der
Bewegungen zu gewährleisten. Die letztere Art heißt auch der
„lebendige Griff“.
Wichtig: Das Schwert muss
so fest gehalten werden, dass man mit ihm Stöße und Schläge
in der Waagerechten ausführen kann.
C.
Die Hand als Schwert (Bild c)
Während der Übungen formt
man mit der Hand, die das Schwert nicht hält, im Allgemeinen
ein „Fingerschwert“. Dabei werden der Zeige- und der Mittelfinger
kräftig nach vorn ausgestreckt, sie bilden das „Schwert“;
der Ring- und der kleine Finger werden mit der Spitze in die
Handfläche gelegt und vom Daumen an den Fingernägeln nach
unten gedrückt.
Einnahme der Grundstellung
Aufrecht hinstellen, die Füße
zeigen nach vorn und sind etwa schulterbreit voneinander entfernt.
Beide Arme hängen in natürlicher Haltung seitlich am Körper,
die Linke hält das Schwert, dessen Spitze senkrecht nach oben
zeigt. Geradeaus schauen. (Bild 1)
Wichtig: Die Haltung des Oberkörpers
sollte natürlich sein. Also: Nicht Versteifen, Brust rein,
Bauch raus! Das in der linken Hand liegende Schwert sollte
den Körper nicht berühren. Die Schultern entspannt lassen.
Eingangsform
1)
Mit der rechten Hand ein „Fingerschwert“
(s. C) formen, beide Arme bis in Schulterhöhe anheben, Handrücken
nach oben. Geradeaus schauen. (Bild 2)
Wichtig: Beim Anheben der
Arme die Muskeln so wenig wie möglich anspannen; die Hände
sollten sich nicht weiter als schulterbreit voneinander entfernen.
Die Schwertschneide sollte waagerecht unter dem Arm liegen
und nicht mit der Spitze herunterhängen.
2)
Den Oberkörper nach rechts drehen
und das Gewicht auf das rechte Bein verlagern, welches im
Knie gebeugt wird; den Körper zurück nach links wenden, den
linken Fuß anheben und einen Schritt nach links machen. Dies
leitet einen Verbeugungsschritt ein. (vgl. die gleiche Übung
beim Schattenboxen: das Standbein ist gebeugt, das Spielbein
zeigt in Verlängerung der Rückenlinie gestreckt nach hinten.
Beide Fußsohlen stehen mit der ganzen Fläche auf dem Boden.
Wenn vom „Verbeugungsschritt“ die Rede ist, gehen Sie bitte
immer in diese Position!) Die Schwerthand folgt der Körperdrehung
und senkt sich dabei nach unten, bis sie neben der Hüfte liegt.
Das Schwert zeigt nun mit der Spitze der Linken. Zur gleichen
Zeit bewegt sich das rechte „Fingerschwert“ im Bogen nach
unten bis auf Hüfthöhe (Handrücken nach unten), dann mit angewinkeltem
Ellbogen bis neben das Ohr und dann in Augenhöhe geradeaus
nach vorn. Zuerst nach rechts, dann nach vorn auf das „Fingerschwert“
schauen. (Bild 3 und 4)

Wichtig: Wenn der linke Arm
vor dem Körper einen Kreis beschreibt, den Körper zuerst leicht
nach rechts drehen. Sobald das Körpergewicht voll auf dem
rechten Bein liegt, den linken Fuß bewegen. Die Körperdrehung,
der Schritt und die Bewegungen der beiden Arme sollten miteinander
in Einklang stehen.
3)
Der linke Arm bewegt sich mit
angewinkeltem Ellbogen nach oben (Schwert nach unten, Handrücken
oben) vor dem Kopf und an der rechten Hand vorbei, die sich
in der Zwischenzeit nach oben dreht. Die Rechte (Handfläche
nach oben) zieht sich langsam nach hinten zurück, bis sie,
ausgestreckt wie die linke Hand; hinten oben ankommt. Gleichzeitig
dreht sich der Körper nach rechts. Parallel dazu den rechten
Fuß mit der Spitze senkrecht nach außen gerade nach vorn setzen;
die beiden Beine sind nun gekreuzt und der Körper in der Taille
gedreht. Der linke Hacken hebt sich vom Boden. Leicht zurücksetzen.
Auf diese Weise entsteht ein halber „Wickelsitz“. Nach hinten
auf die rechte Hand sehen. (Bild 5)
Wichtig: Die beiden Hände
sollten vor dem Körper überkreuz liegen und sich nicht berühren.
Die Bewegung der rechten Hand nach hinten und die Drehung
des Körpers sollten harmonisch miteinander ausgeführt werden.
4)
Die Stellung des rechten Beines
und der linken Hand, die das Schwert hält, unverändert lassen,
den linken Fuß einen Schritt nach vorn setzen und einen Verbeugungsschritt
machen. Zur gleichen Zeit den Körper nach links drehen und
die rechte Hand (das „Fingerschwert“) rechts über den Kopf
nach vorn führen, wo sie auf den Schwertgriff fällt. Aus dieser
Haltung wird sie das Schwert übernehmen; (vgl. daher B). Geradeaus
nach vorn schauen. (Bild 6)
Wichtig: Diese Bewegungen
sind nicht synchron. Also erst das Bein anheben und den Kopf
nach links drehen, dann erst den rechten Arm nach vorn unten
führen. Die beiden Arme brauchen nicht ganz ausgestreckt zu
sein, die Schultern sollten locker fallen. Der Oberkörper
wird in natürlicher Haltung belassen. In der nächsten Nummer
geht’s dann richtig los!
Aus
China im Aufbau, Nr. 5, 1983