NVK und PKKCV 2012

Politische Konsultation – Eine demokratische Form chinesischer Prägung

( 2012-March-12 16:33:53)


Von Yao Bei

Jedes Jahr Anfang März tagen in Beijing der Nationale Volkskongresses (NVK) und das Landeskomitee der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes (PKKCV). Die NVK-Abgeordneten aus allen Landesteilen sowie die PKKCV-Mitglieder, die verschiedenen demokratischen Parteien angehören und unterschiedlichen Gesellschaftskreisen entstammen, versammeln sich in der Hauptstadt, um die Arbeit der Regierung im vorigen Jahr zu prüfen sowie der Regierung Vorschläge zu unterbreiten.

Welche funktionalen Unterschiede gibt es nun aber zwischen dem Volkskongress und der Politischen Konsultativkonferenz? Warum wird die politische Konsultation in China als demokratische Form angesehen? Und warum praktiziert China statt des Systems der Parteienpluralität ein System der Mehrparteien-Zusammenarbeit? Hierzu sprach Yao Bei, Journalistin von China heute, exklusiv mit dem Mitglied des Ständigen Ausschusses der PKKCV und dem ehemaligen Vizerektor der KP-Parteihochschule Li Junru.

Funktionale Unterschiede zwischen NVK und PKKCV

„Der Nationale Volkskongress ist ein System, die Politische Konsultativkonferenz hingegen eine Organisation", erklärt Li. Die NVK-Abgeordneten würden gewählt, während die PKKCV-Mitglieder von den jeweiligen Parteien, verschiedenen Gesellschaftskreisen sowie den nationalen Minderheiten vorgeschlagen und danach von dem Ständigen Ausschuss der PKKCV angenommen würden.

Der Volkskongress ist das höchste Machtorgan des chinesischen Staates. Er erfüllt unter anderem die Funktion der Wahl des Staatpräsidenten, der Ernennung des Ministerpräsidenten, der Wahl des Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission, des Präsidenten des Obersten Volksgerichts und des Generalstaatsanwalts der Obersten Volksstaatsanwaltschaft. „Er prüft, genehmigt und kontrolliert die Arbeit dieser Amtsträger, in dem er ihre Arbeitsberichte anhört und prüft", erklärt der Experte. Die PKKCV hingegen sei eine Institution der politischen Konsultation. „Vertreter der verschiedenen demokratischen Parteien, der Volksorganisationen sowie der verschiedenen Gesellschaftskreise werden dazu eingeladen. Sie beteiligen sich an den Staatsangelegenheiten und diskutieren darüber, indem sie Untersuchungen durchführen, Anträge stellen und Vorschläge unterbreiten", so Li.

„Ministerpräsident Wen Jiabao sagt deshalb zu Beginn seines Tätigkeitsberichts stets: ,Ich bitte Sie (gemeint sind die NVK-Abgeordneten), diesen Bericht zu prüfen, und ich bitte die Mitglieder des Landeskomitees der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes um ihre Stellungnahme.' Die NVK-Abgeordneten prüfen den Tätigkeitsbericht also, während die PKKCV-Mitglieder ihre Meinungen dazu kundtun. Das ist ein wichtiger Unterschied," so Li.

Wozu neben dem NVK noch die PKKCV?

Im langen Prozess der Machteroberung verfolgte die KP Chinas eine Politik der nationalen Einheitsfront, bei der sie alle zusammenschließbaren Kräfte zusammenschloss. Auf diese Weise wurden die revolutionären Truppen gebildet. In den 1920er Jahren schlossen sich die Kuomintang und die KP zur ersten nationalen antiimperialistischen und antifeudalen Einheitsfront zusammen. In den 1930er und 1940er Jahren, also während des Widerstandskriegs gegen die japanischen Aggressoren, wurde auf der Grundlage der zweiten Zusammenarbeit zwischen Kuomintang und KP die zweite nationale Einheitsfront gebildet, die die Arbeiter, Bauern, das Kleinbürgertum und die nationale Bourgeoisie einschloss.

Nach dem Sieg des Widerstandskriegs gegen Japan nahmen die KP Chinas und die Kuomintang in Chongqing Verhandlungen auf und beriefen zur Bildung einer neuen Regierung die politische Konsultativkonferenz ein. Schon kurz darauf aber zerriss Chiang Kai-Shek das Abkommen und entfesselte einen Bürgerkrieg. Im Herbst 1947 ging die von der KP geführte Armee zu einer strategischen Offensive über. Die Kommunistische Partei ergriff 1948 die Initiative zur Einberufung einer neuen Politischen Konsultativkonferenz und rief dazu auf, eine Volksversammlung zu organisieren und eine neue demokratische Koalitionsregierung zu bilden. Dies fand großen Anklang bei den demokratischen Parteien, den Volksorganisationen und den parteilosen demokratischen Persönlichkeiten sowie auch bei den Überseechinesen.

Der Prozess der Befreiungskriege entwickelte sich jedoch schneller als erwartet. Nachdem die Volksbefreiungsarmee den Jangtse überquert hatte, brach die Nanjinger Regierung zusammen. Danach entstand an vielen Orten südlich des Jangtse ein Machtvakuum. Viele Provinzen waren damals noch nicht befreit und für die Organisation des Volkskongresses war die Zeit noch nicht reif. Nachdem die KP die demokratischen Parteien konsultiert hatte, entschied sie, die Politische Konsultativkonferenz einzuberufen und das Neue China auszurufen. In dieser Situation fungierte die PKKCV also als Machtorgan bei der Gründung des Neuen China.

Li beschreibt die Weiterentwicklung der PKKCV folgendermaßen: „Im September 1954 wurde der 1. Nationale Volkskongress einberufen. Die PKKCV sollte die Macht also an den Volkskongress abgeben. Viele Persönlichkeiten der demokratischen Parteien äußerten damals ihren Unmut: ,Bei der Gründung des Neuen China brauchten sie uns und jetzt wird die allgemeine Wahl eingeführt. Für viele von uns bedeutet das sicher die Abwahl', so die Kritiker damals." Mao Zedong habe persönlich die Erklärungsarbeit übernommen, so Li. „Er sagte: ,Unsere Macht ist eine Einheitsfrontmacht. Wir werden uns nicht von unseren alten Freunden trennen. Auch bei der allgemeinen Wahl werden wir ihre Repräsentation berücksichtigen.' Ministerpräsident Zhou Enlai und die Abteilung für die Einheitsfront der Partei schlugen aufgrund eingehender Untersuchungen damals zwei Lösungen vor: Erstens, die Wahl nicht mit dem gleichen Verhältnis von Stadt- und Landbevölkerung durchzuführen, damit auch die Vertreter der zahlenmäßig kleinen demokratischen Parteien, Vertreter der Arbeiter und Intellektuellen sowie Vertreter der nationalen Minderheiten eine Chance hatten, in den Volkskongress zu kommen. Zweitens forderten sie, die PKKCV weiter beizubehalten, damit sich die Mitglieder dieser Organisation durch Konsultation an den Staatsangelegenheiten und deren Diskussion beteiligen konnten", so Li.

Wahl und Konsultation als Elemente der Demokratie

Die Zivilisationsgeschichte der Menschheit lehre, dass die Demokratie in drei Formen realisiert werde, nämlich Wahl, Konsultation und Verhandlung, erklärt Li. „Seit vielen Jahren hat die durch die PKKCV realisierte Konsultationsdemokratie weltweit keine große Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Auch die Chinesen selbst maßen ihr zunächst keine große Bedeutung zu. Nach der Bewegung des 4. Mai 1919 interessierten sich viele in erster Linie für die westliche Demokratie, also die Demokratie der Wahlen."

Allerdings seien seit den 1960er und 1970er Jahren viele Veränderungen in den Gesellschaften, in denen Demokratie durch Wahlen praktiziert werde, eingetreten, so Li weiter. Viele Wähler seien des Wählens überdrüssig und die Wahlbeteiligung sinke stetig. „Es stimmt, dass die politische Führung durch Wahl ernannt werden kann, sie hält nicht unbedingt ihr Wort. Stattdessen regiert sie nach den Interessen der von ihr vertretenen Gruppen. Davon sind viele Wähler enttäuscht", sagt der Experte.

Derartige Probleme brächten auch viele westliche Politikwissenschaftler zum Nachdenken. „Manche von ihnen stellen fest, dass die Demokratie der Wahlen keine vollendete Form der Demokratie ist. Der Philosoph Jürgen Habermas etwa forderte, die Demokratie der Wahlen mit der Demokratie der Konsultation zu verbinden. Die Bürger sollen sich vor und nach der Wahl an Dialogen beteiligen können."

„Bei der Demokratie der Wahl werden die Rechte von 51 Prozent der Wähler auf Kosten der Rechte der restlichen 49 Prozent durchgesetzt. In Wirklichkeit werden also die Rechte der ersteren gewährleistet, während die Rechte der letzteren nicht realisiert werden. Im System des NVK unseres Staates wird die Demokratie der Wahl praktiziert und durch die PKKCV können auch die Rechte der restlichen 49 Prozent realisiert werden. Durch die Verbindung beider Formen der Demokratie sollen die Rechte aller Menschen gewährleistet werden", betont Li.

„Der Volkskongress hat die Macht der Gesetzgebung und die Regierung die exekutive Gewalt. Die Politische Konsultativkonferenz hat dagegen keine konkrete Macht. Aber durch die konsultative Demokratie kann ein Konsens erzielt werden, der für alle beteiligten Seiten akzeptabel ist."

Im Dokument Nr. 5 des Zentralkomitees der KP aus dem Jahr 2006 wurde eine Verstärkung der Funktionen der Politischen Konsultativkonferenz gefordert und im Dokument Nr. 16 (2011) des Büros des Zentralkomitees wurden die Funktionen der PKKCV hervorgehoben. Seit der Erlassung dieser beiden Dokumente schenken auch die lokalen Parteikomitees der PKKCV auf lokaler Ebene große Aufmerksamkeit und legen großen Wert darauf, die Funktionen der PKKCV zu entfalten. Beispielsweise hat das Parteikomitee der Provinz Guangdong beschlossen, vor wichtigen politischen Entscheidungen politische Konsultationen durchzuführen. Auch das Parteikomitee der Provinz Jiangxi hat ähnliche Beschlüsse gefasst. Politische Konsultationen werden also auch ins Verfahren der Entscheidungsfindung auf lokaler Ebene aufgenommen. „Früher sagte man, dass man die politische Konsultation für große Entscheidungen heranziehen sollte. Heute ist sie ein Muss, ohne politische Konsultation gibt es keine Entscheidung der Partei", sagt Li.

Warum Mehrparteien-Zusammenarbeit statt Parteipluralität?

Li geht auf die Unterschiede der beiden Systeme ein: „Bei der Parteipluralität geht es um eine durch Wettbewerb gekennzeichnete Wahl, die einzelnen Parteien konkurrieren untereinander. Bei der Mehrparteien-Zusammenarbeit hingegen geht es um demokratische Konsultation, durch die alle aktiviert werden. Die KP Chinas ist die regierende Partei und die anderen acht demokratischen Parteien sind Parteien, die bei der Verwaltung der Staats- und Regierungsangelegenheiten mitwirken. Deshalb sind die Verhältnisse zwischen ihnen anders als die Verhältnisse zwischen Regierungspartei und Opposition."

Wie aber beteiligen sich die Nichtregierungsparteien an der Politik? Nach den Bestimmungen des Zentralkomitees beteiligen sich die Mitglieder der Politischen Konsultativkonferenz an der Verwaltung der Staats- und Regierungsangelegenheiten, konkret gesprochen an der Konsultation zur Bestimmung der grundlegenden Staatspolitik und der Wahl der Staatsführung, an der Ausarbeitung und Durchführung wichtiger polischer Richtlinien des Staates sowie von Gesetzen und gesetzlichen Bestimmungen. „Bevor die KP eine große Entscheidung trifft, konsultiert sie die demokratischen Parteien. Auch vor der Plenartagung des Zentralkomitees spricht sie mit der Führung der demokratischen Parteien. Die wichtigsten Dokumente, einschließlich des Tätigkeitsberichts der Regierung, werden den demokratischen Parteien vor ihrer Bekanntmachung zur Diskussion und Stellungnahme vorgelegt. Eine Beteiligung an der Politik findet also auf höchster Ebene statt", fasst Li zusammen.

Politische Konsultation als Produkt der chinesischen Kultur

Die Mitglieder der PKKCV werden nicht gewählt, sondern von den demokratischen Parteien und den Volksorganisationen empfohlen und eingeladen. Für die Zusammensetzung der Mitglieder gilt, dass die Vertreter der KP Chinas nicht über 40 Prozent ausmachen dürfen. Damit werde gewährleistet, dass 60 Prozent der Mitglieder, die Mehrheit also, nicht der KP angehören.

„In der politischen Konstellation Chinas bildet die KP den Kern der Führung. Auch in der PKKCV gilt zwar die Führung der KP, aber sie ist nur eine der 34 vertretenen politischen Institutionen. Die KP ist die Regierungspartei, treibt aber gleichzeitig aufrichtig die Demokratie für das Volk voran und untersagt jegliche Form der Alleinherrschaft", so Li.

Das System der politischen Konsultation sei aus der politischen Kultur Chinas entstanden, sagt Li. Konsultation werde in China seit jeher hoch geschätzt. „Durch die Konsultationen können die Interessen verschiedener Seiten berücksichtigt werden. Dabei werden Differenzen zurückgestellt und stattdessen nach Gemeinsamkeiten gesucht, letztlich kann so ein Konsens erzielt werden. Durch Konsultationen können außerdem Konfrontationen und Spaltung vermieden werden."

Zur langen Tradition der politischen Konsultation in China sagt Li: „Als Yao, Häuptling der Vereinigung der Stämme in vorgeschichtlicher Zeit, in hohem Alter einen Nachfolger suchte, versammelte er die Häuptlinge der Stämme um sich und hörte ihre Meinungen zur Auswahl des Nachfolgers an. Aufgrund von eingehender Betrachtung und Vergleichen der hervorragend befähigten Menschen wurde der Nachfolger Shun ausgewählt. Auf die gleiche Weise sollte auch Shun später seinen Nachfolger Yu auswählen. In neuester Zeit wurde die demokratische Konsultation von der Kuomintang und der KP eingesetzt. Dabei handelt es sich nicht einfach um eine politische Wahl. Diese Institution muss vor dem Hintergrund der langen chinesischen kulturellen Tradition betrachtet werden."

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