Drachen

Es
ist Frühling, und am blauen Himmel über den Tiananmen-Platz
in Beijing fliegen Wildgänse, Habichte, Schwalben, Schmetterlinge,
schweben Goldfische und Krebse. Es sind Drachen, denn die
Zeit, um Drachen steigen zu lassen, ist gekommen.
Das
Steigenlassen von Drachen ist in China seit alter Zeit bekannt.
Schon zur Frühlings- und Herbstperiode (770 - 476 v. u. Z.)
wurden, wie in einem antiken Buch beschrieben, manntragende
Drachen zur militärischen Aufklärung verwendet.
Mit der weiteren Entwicklung wurde dann Papier statt Holz
verwendet und eine Bambuspfeife oder -bogensaite am Drachen
angebracht. Der Wind entlockte diesen dann Töne, was
sich wie das Spielen einer Melodie auf dem traditionellen
chinesischen Musikinstrument „Zheng“ anhörte, deshalb
heißt der Drachen auf Chinesisch auch „fengzheng“, das
bedeutet „Windzheng“.
Das
Steigenlassen von Drachen ist ein beliebtes Spiel. Drachen
werden in verschiedenen Formen und Größen angefertigt,
die größten sind 4 - 5 m hoch. Und mehr als zehn
Menschen können sie gemeinsam steigenlassen.
Das
Herstellen von Drachen ist ein besonderes Kunsthandwerk. Rund
300 verschiedene Formen waren in der Ausstellung zu sehen,
die letztes Jahr im Sommerpalast in Beijing stattfand. Es
gab Feen, den Affenkönig Sun Wukong, Blumen, Vögel,
Fische, Insekten, Schmetterlinge, Goldfische, Falken, Habichte,
Lerchen, Feldmäuse, Libellen usw. - alle auf ihren Trageflächen
schön und lebensecht bemalt.
In
China gibt es zwei Formen von Drachen, die sich in ihrem Gerüst
unterscheiden, und zwar die „trennbaren Drachen“ (mit beweglichen
Flügeln) und die „nichtrennbaren Drachen“ (mit unbeweglichen
Flügeln).
Bei
den trennbaren Drachen können die Flügel vom Gerüst getrennt
oder zusammengeklappt werden. Solche Drachen können in
eine Schachtel gepackt und Verwandten oder Freunden in weiter
Ferne geschickt werden. Beim Aufsteigen können diese
Drachen mit ihren Flügeln schlagen. Bei den nichttrennbaren
Drachen sind dagegen alle Gerüstteile, auch Kopf und Flügel,
sehr stabil. Bei starkem Wind können sie sehr hoch steigen,
und falls einmal die Leine gerissen ist, sehr weit schweben,
In
China gibt es mehrere Fabriken, die Drachen herstellen, z.B.
die Fabrik Yangliuqing in Tianjin, die sehr bekannt ist. Sie
fertigt jährlich 180 000 Drachen an und beliefert mehr
als zwanzig Länder und Regionen.
Das
Klima und die Gebräuche sind in den verschiedenen Teilen
Chinas sehr verschieden, und dementsprechend variieren auch
die Zeiten, zu denen man Drachen steigen lässt. Außer
im Frühling läßt man an manchen Orten auch im Juli,
August und Oktober Drachen steigen. Einige Leute bevorzugen
den Abend. Sie hängen an die Drachenleine kleine rote
Lampions mit brennenden Kerzen, manchmal kann man bis zu hundert
Lampions zählen. Steigen die Drachen dann gegen den Wind
auf, sieht das herrlich aus.
(Aus
„China im Aufbau“, Nr. 4, 1980)