Zhang
Kaiji:
Architekt der Harmonie von Klassik und Moderne
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Der 91-jährige Emeritus Zhang Kaiji ist
einer der bekanntesten Architekten in China. Er hat in den 50er
Jahren als Chefarchitekt die Baupläne für das Planetarium
Beijing, das Militärmuseum der Revolution des Chinesischen
Volkes, das Museum der Chinesischen Geschichte, die Ehrentribüne
am Platz des Himmlischen Friedens und das Staatsgästehaus
Diaoyutai entworfen. Heute genießt er den Ruhestand, doch
der rüstige Rentner unterhält weiterhin Kontakte mit der
Fachwelt und führt ein inhaltsreiches Leben. Für seine Verdienste
erhielt er vor kurzem die höchste chinesische Architektur-Auszeichnung,
den Liang-Sicheng-Preis. Dazu sagte er: „Die von mir entworfenen
Bauwerke stehen in Einklang mit dem alten Beijinger Baustil.
Ich fühle mich geehrt, dass mich die Republik auch im hohen
Alter nicht vergessen hat.“ Er freut sich über die schnelle
Entwicklung des Städtebaus in Beijing und blickt gern auf
die nach seiner architektonischen Konzeption gebauten Bauwerke
in Beijing zurück.
Die
Ehrentribüne ist ein Beispiel dafür. Um den Entwurf für die
Ehrentribüne am Platz des Himmlischen Friedens gab es damals
harte Konkurrenz. Manche Architekten wollten sie höher
als die Mauer am Tor des Himmlischen Friedens bauen und mit
glasierten Dachziegeln versehen. Andere wollten die Tribüne
in goldener Farbe erstellen, sie sollte noch heller glänzen
als das Tor des Himmlischen Friedens. Doch Zhang Kaijis Plan
gewann. Denn seine Gestaltung war rationell und praktisch. Zhang
wies darauf hin, dass die Tribüne nur einmal im Jahr am Nationalfeiertag
benutzt werde und so in erster Linie eine praktische Funktion
erfülle. Es wäre unangebracht, wenn sie in ihrer Pracht
das Tor des Himmlischen Friedens überträfe. Stattdessen
sollte sie seiner Meinung nach unscheinbar sein. Wenn man sich
die Ehrentribüne heute genauer ansieht, stellt man fest, dass
sie niedriger ist als die Mauer am Tor des Himmlischen Friedens.
Man kann vom Tian’anmen-Platz über die Ehrentribüne die alten
Bäume hinter der Mauer erblicken. Der neue Anbau fügt sich
gut in seine Umgebung ein.
Im Staatsgästehaus Diaoyutai fällt
ebenfalls die harmonische Verbindung der chinesischen Architektur-Tradition
mit modernen Elementen auf. In der Art, wie das Anwesen angelegt
ist, erkennt man den alten Gartenbaustil wieder. Zhang Kaijis
Entwurf widersprach der Meinung mancher Architekten, dass das
Staatsgästehaus Pracht und Gewichtigkeit zeigen und streng
bewacht werden sollte. Nach seinem Plan ist beispielsweise das
Tor des Staatsgästehauses nicht massiv gestaltet, sondern
ähnelt eher dem Eingang einer Grünanlage. Die Staatsgäste
werden in einer natürlichen Umgebung zuerst von Zypressen und
Kiefern begrüßt.
Nach Zhang Kaijis Ansicht soll eine Stadt
einerseits ihre historische Kontinuität bewahren, andererseits
bedarf sie der ständigen Erneuerung. Es sei unrealistisch,
die Wohnhäuser nach historischen Epochen zu trennen und
zu gliedern. Eine koordinierte Entwicklung bestehe gerade darin,
dass die neue Stadt neben die alte zu stehen komme: „Beijing
ist eine bekannte historische Stadt mit einer langen kulturellen
Tradition. Es ist aber zugleich auch eine moderne Metropole.
Wie kann man diese beiden Aspekte in der Architektur harmonisch
vereinbaren? Das ist eine Frage, über die sich auch einfache
Stadtbewohner Gedanken machen.“ Er führt gern Paris und Rom
als gelungene Beispiele für die Entwicklung der neuen Stadt
und den Schutz der Altstadt an. Im Pariser Modell wurde um die
Altstadt eine neue Stadt gebaut, während in Rom die neue
Stadt neben der Altstadt gebaut wurde. Dadurch seien die alten
Stadtteile geschützt worden. In Beijing könne man einen
eigenen Weg gehen. Seine Vorstellung läuft darauf hinaus,
bei der Erneuerung von alten Wohnhäusern die Wohnhofstruktur
zu erhalten. So kann einerseits der alte Baustil bewahrt werden,
andererseits können die Beijinger ihre traditionelle Lebensgewohnheit
pflegen, sich jeden Tag zu treffen und zu unterhalten. Beim
Bau des Wohnviertels Debao am Anfang der 90er Jahre wurde dieses
Konzept umgesetzt. Dabei zeigten sich seine wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Vorteile.
Zhang Kaiji
hat eine ausgeprägte Vorliebe für die traditionellen Beijinger
Wohnhöfe. Aus seiner Sicht vebirgt sich in den alten Wohnhöfen
eine geheimnisvolle Schönheit, die eine nahezu unerschöpfliche
Inspirationsquelle ist. Beijing ist ein klassisches Beispiel
für den chinesischen Städtebau. Die Stadt ist klar gegliedert
in eine Kaiserstadt, eine Innenstadt und eine Außenstadt
und hat schachbrettartig angelegte Straßen. Zhang Kaiji
bemerkte neulich in einer Ausstellung: „Die Stadttore und andere
alte Bauwerke sind der Stolz dieser Stadt und ihrer Bewohner.“
Zhang Kaiji sammelt gern Holzschnitzereien
aus alten Wohnhäusern als Andenken an diejenigen Wohnhöfe,
die in der Vergangenheit nicht geschützt werden konnten. In
einem Zimmer in seiner Wohnung ist seine Sammlung ausgestellt.
„In Beijing gibt es Sammler für alles Mögliche“, sagt Zhang,
„aber noch keiner hat sich auf Holzschnitzereien von alten Wohnhäusern
spezialisiert. Meine Besucher sind oft erstaunt über meine Sammlung.“
Manche seiner Stücke sind vergoldet. Nach all den Jahren ist
ihr Glanz noch nicht verblasst. „Sie stammen natürlich nicht
aus einfachen Häusern, sondern aus den Wohnsitzen gehobener
Leute“, erklärt Zhang.
Manche der Holzschnitzereien sind bemalt.
Sie sind nach Zhang Kaijis Interpretation ein Teil des volkstümlichen
Brauchtums und der traditionellen Kultur. In ihnen erkennt man
den Wunsch nach Glück, Reichtum und einem guten Leben. Insbesondere
die Symbolik ist von reichem Gehalt. Die Kombination von Fledermaus
(auf Chinesisch bianfu; fu, gleich lautend, aber anders
geschrieben, heißt auch „Glück“) und dem Schriftzeichen
shou bedeutet „glückliches und langes Leben“. Und das
Motiv der Monatsrose (der Chinesischen Rose) in einer Vase symbolisiert
ein friedliches Leben und Sicherheit in den vier Jahreszeiten.
Außerdem enthalten die Holzschnitzereien viele klassische
Sinnsprüche. Dabei handelt es sich um Mottos, geflügelte Worte,
Mahnungen zur Gelehrsamkeit, Oden auf Berge und Flüsse, Auszüge
aus klassischen Romanen, Ratschläge für den zwischenmenschlichen
Umgang sowie um Äußerungen von eigenen Wünschen.
Zhang Kaiji bedauert, dass Holzschnitzereien
kunsthistorisch derart vernachlässigt worden sind. Maler
hätten in der chinesischen Geschichte eine hohe gesellschaftliche
Stellung gehabt, während die Schöpfer der Holzschnitzereien
an den Wohnhäusern als einfache Handwerker abgetan worden
seien. Das sei ungerecht, denn ihre Kunstwerke sind in Zhangs
Augen genauso wertvoll wie die Gemälde. Genau aus diesem
Grund sammelt er eifrig alte Holzschnitzereien und beabsichtigt,
seine Sammlung einem staatlichen Museum zu übergeben, damit
mehr Menschen ihren künstlerischen Wert erkennen können.
Der vorliegende Text beruht u. a. auf einem
von Wang Qiucun geschriebenen Bericht in der Zeitschrift Xinhua Wenzhai, zusammengestellt von Gao Zhuan