März 2003
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Zhang Kaiji:

Architekt der Harmonie von Klassik und Moderne

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Der 91-jährige Emeritus Zhang Kaiji ist einer der bekanntesten Architekten in China. Er hat in den 50er Jahren als Chefarchitekt die Baupläne für das Planetarium Beijing, das Militärmuseum der Revolution des Chinesischen Volkes, das Museum der Chinesischen Geschichte, die Ehrentribüne am Platz des Himmlischen Friedens und das Staatsgästehaus Diaoyutai entworfen. Heute genießt er den Ruhestand, doch der rüstige Rentner unterhält weiterhin Kontakte mit der Fachwelt und führt ein inhaltsreiches Leben. Für seine Verdienste erhielt er vor kurzem die höchste chinesische Architektur-Auszeichnung, den Liang-Sicheng-Preis. Dazu sagte er: „Die von mir entworfenen Bauwerke stehen in Einklang mit dem alten Beijinger Baustil. Ich fühle mich geehrt, dass mich die Republik auch im hohen Alter nicht vergessen hat.“ Er freut sich über die schnelle Entwicklung des Städtebaus in Beijing und blickt gern auf die nach seiner architektonischen Konzeption gebauten Bauwerke in Beijing zurück.

Die Ehrentribüne ist ein Beispiel dafür. Um den Entwurf für die Ehrentribüne am Platz des Himmlischen Friedens gab es damals harte Konkurrenz. Manche Architekten wollten sie höher als die Mauer am Tor des Himmlischen Friedens bauen und mit glasierten Dachziegeln versehen. Andere wollten die Tribüne in goldener Farbe erstellen, sie sollte noch heller glänzen als das Tor des Himmlischen Friedens. Doch Zhang Kaijis Plan gewann. Denn seine Gestaltung war rationell und praktisch. Zhang wies darauf hin, dass die Tribüne nur einmal im Jahr am Nationalfeiertag benutzt werde und so in erster Linie eine praktische Funktion erfülle. Es wäre unangebracht, wenn sie in ihrer Pracht das Tor des Himmlischen Friedens überträfe. Stattdessen sollte sie seiner Meinung nach unscheinbar sein. Wenn man sich die Ehrentribüne heute genauer ansieht, stellt man fest, dass sie niedriger ist als die Mauer am Tor des Himmlischen Friedens. Man kann vom Tian’anmen-Platz über die Ehrentribüne die alten Bäume hinter der Mauer erblicken. Der neue Anbau fügt sich gut in seine Umgebung ein.

Im Staatsgästehaus Diaoyutai fällt ebenfalls die harmonische Verbindung der chinesischen Architektur-Tradition mit modernen Elementen auf. In der Art, wie das Anwesen angelegt ist, erkennt man den alten Gartenbaustil wieder. Zhang Kaijis Entwurf widersprach der Meinung mancher Architekten, dass das Staatsgästehaus Pracht und Gewichtigkeit zeigen und streng bewacht werden sollte. Nach seinem Plan ist beispielsweise das Tor des Staatsgästehauses nicht massiv gestaltet, sondern ähnelt eher dem Eingang einer Grünanlage. Die Staatsgäste werden in einer natürlichen Umgebung zuerst von Zypressen und Kiefern begrüßt.

Nach Zhang Kaijis Ansicht soll eine Stadt einerseits ihre historische Kontinuität bewahren, andererseits bedarf sie der ständigen Erneuerung. Es sei unrealistisch, die Wohnhäuser nach historischen Epochen zu trennen und zu gliedern. Eine koordinierte Entwicklung bestehe gerade darin, dass die neue Stadt neben die alte zu stehen komme: „Beijing ist eine bekannte historische Stadt mit einer langen kulturellen Tradition. Es ist aber zugleich auch eine moderne Metropole. Wie kann man diese beiden Aspekte in der Architektur harmonisch vereinbaren? Das ist eine Frage, über die sich auch einfache Stadtbewohner Gedanken machen.“ Er führt gern Paris und Rom als gelungene Beispiele für die Entwicklung der neuen Stadt und den Schutz der Altstadt an. Im Pariser Modell wurde um die Altstadt eine neue Stadt gebaut, während in Rom die neue Stadt neben der Altstadt gebaut wurde. Dadurch seien die alten Stadtteile geschützt worden. In Beijing könne man einen eigenen Weg gehen. Seine Vorstellung läuft darauf hinaus, bei der Erneuerung von alten Wohnhäusern die Wohnhofstruktur zu erhalten. So kann einerseits der alte Baustil bewahrt werden, andererseits können die Beijinger ihre traditionelle Lebensgewohnheit pflegen, sich jeden Tag zu treffen und zu unterhalten. Beim Bau des Wohnviertels Debao am Anfang der 90er Jahre wurde dieses Konzept umgesetzt. Dabei zeigten sich seine wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteile.

Zhang Kaiji hat eine ausgeprägte Vorliebe für die traditionellen Beijinger Wohnhöfe. Aus seiner Sicht vebirgt sich in den alten Wohnhöfen eine geheimnisvolle Schönheit, die eine nahezu unerschöpfliche Inspirationsquelle ist. Beijing ist ein klassisches Beispiel für den chinesischen Städtebau. Die Stadt ist klar gegliedert in eine Kaiserstadt, eine Innenstadt und eine Außenstadt und hat schachbrettartig angelegte Straßen. Zhang Kaiji bemerkte neulich in einer Ausstellung: „Die Stadttore und andere alte Bauwerke sind der Stolz dieser Stadt und ihrer Bewohner.“

Zhang Kaiji sammelt gern Holzschnitzereien aus alten Wohnhäusern als Andenken an diejenigen Wohnhöfe, die in der Vergangenheit nicht geschützt werden konnten. In einem Zimmer in seiner Wohnung ist seine Sammlung ausgestellt. „In Beijing gibt es Sammler für alles Mögliche“, sagt Zhang, „aber noch keiner hat sich auf Holzschnitzereien von alten Wohnhäusern spezialisiert. Meine Besucher sind oft erstaunt über meine Sammlung.“ Manche seiner Stücke sind vergoldet. Nach all den Jahren ist ihr Glanz noch nicht verblasst. „Sie stammen natürlich nicht aus einfachen Häusern, sondern aus den Wohnsitzen gehobener Leute“, erklärt Zhang.

Manche der Holzschnitzereien sind bemalt. Sie sind nach Zhang Kaijis Interpretation ein Teil des volkstümlichen Brauchtums und der traditionellen Kultur. In ihnen erkennt man den Wunsch nach Glück, Reichtum und einem guten Leben. Insbesondere die Symbolik ist von reichem Gehalt. Die Kombination von Fledermaus (auf Chinesisch bianfu; fu, gleich lautend, aber anders geschrieben, heißt auch „Glück“) und dem Schriftzeichen shou bedeutet „glückliches und langes Leben“. Und das Motiv der Monatsrose (der Chinesischen Rose) in einer Vase symbolisiert ein friedliches Leben und Sicherheit in den vier Jahreszeiten. Außerdem enthalten die Holzschnitzereien viele klassische Sinnsprüche. Dabei handelt es sich um Mottos, geflügelte Worte, Mahnungen zur Gelehrsamkeit, Oden auf Berge und Flüsse, Auszüge aus klassischen Romanen, Ratschläge für den zwischenmenschlichen Umgang sowie um Äußerungen von eigenen Wünschen.

Zhang Kaiji bedauert, dass Holzschnitzereien kunsthistorisch derart vernachlässigt worden sind. Maler hätten in der chinesischen Geschichte eine hohe gesellschaftliche Stellung gehabt, während die Schöpfer der Holzschnitzereien an den Wohnhäusern als einfache Handwerker abgetan worden seien. Das sei ungerecht, denn ihre Kunstwerke sind in Zhangs Augen genauso wertvoll wie die Gemälde. Genau aus diesem Grund sammelt er eifrig alte Holzschnitzereien und beabsichtigt, seine Sammlung einem staatlichen Museum zu übergeben, damit mehr Menschen ihren künstlerischen Wert erkennen können.

Der vorliegende Text beruht u. a. auf einem von Wang Qiucun geschriebenen Bericht in der Zeitschrift Xinhua Wenzhai, zusammengestellt von Gao Zhuan

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