November 2003
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Eine alte Kunst lässt man wieder aufleben – die tibetschie Oper

Von Hu Jin’an

Die tibetische Oper ist eine der ältesten Formen der Schauspielkunst, zieht man die nationalen Minderheiten Chinas in Betracht. Hunderte von Jahren wurde diese Art der Oper sowohl in Tibet als auch in den Provinzen Sichuan, Qinghai, Gansu und Yunnan aufgeführt, überall dort, wo größere Gemeinschaften von Tibetern zu finden sind.

Die Ursprünge dieser Oper kann man bis ins 8. Jahrhundert zurückverfolgen, der Zeit, als der tibetische König Trisung Detsan (742 – 797), ein gläubiger Buddhist, den berühmten indischen Mönch Padma Sambhava nach Tibet einlud, um zu predigen und zu lehren. Im Jahre 779 arbeitete Padma Sambhava einen rituellen „Zauberer-Tanz” aus, um die Fertigstellung des Samye-Klosters zu feiern. Basierend auf einer Geschichte aus den buddhistischen Sutras schloss dieser Tanz Bewegungen aus dem lokalen Volkstanz in sich ein und wurde aufgeführt, um böse Geister zu vertreiben und die Götter durch eine Art von Pantomime geneigt zu machen. Dieser Tanz gilt als Vorläufer der tibetischen Oper.

Vom Ritus zur Kunst

Sechshundert Jahre später ließ ein Lama namens Tangdon Jyalbo (1385 - ?) diesen Tanz aufführen, um zu Geldmitteln für den Bau einer Brücke zu kommen. Um ihn interessanter und die Religion betreffend  belehrend zu machen, flocht er in die ursprüngliche Form Episoden aus Volkserzählungen und den buddhistischen Sutras ein. Diese Dramatisierung, bei der dem Tanz Gesänge zugefügt waren, wurde bei der lokalen Bevölkerung sehr beliebt. Und so wurde Tangdon Jyalbo als Begründer der tibetischen Oper bekannt.

Später gab dann der fünfte Dalai Lama (1617 – 1682) die Anweisung, dass die tibetische Oper getrennt von religiösen Zeremonien aufgeführt werden sollte. So wurde sie zu einer unabhängigen Kunstform. Obwohl bei der Entstehung und der Entwicklung mit der Religion verbunden, wurzelte sie im Volk und seinem alltäglichen Leben. Die Melodien des ersten tibetischen Opernensembles, der Bundunba (sieben Schwestern) – Truppe waren den Volksliedern, die als “Xaiqen” bekannt sind, sehr ähnlich.

Die instrumentelle Begleitung steht in engem Bezug zu derjenigen der tibetischen Trinklieder und –tänze und den Goxai-Tänzen. Viele der Tanzbewegung gehen auf die tagtäglichen Erfahrungen des Volkes zurück. Dies kann vielleicht auch erklären, warum die tibetische Oper mit unveränderter Popularität die Jahrunderte überdauert hat.

Dauer und Struktur

Aufgeführt wurde die Oper im Freien und dabei tauchten als Musikbegleitung nur Trommel und Zymbal auf. Die Melodien, hoch und vollklingend, wurden mit Chorbegleitung gesungen und wirkten, obwohl sehr laut vorgetragen, harmonisch.

Jede traditionelle Oper bestand aus drei Teilen: dem Doin, dem Xong und den Zhaxi.

Im Doin, d.h. dem Prolog, dankte ein Erzähler, Ngoinba (Jäger oder Fischer) genannt, zunächst den Göttern und flehte um ihren Schutz. Dann erläuterte er, oft mit Tanzbewegungen begleitet, die Handlung und die Charaktere.

Der Hauptteil der Oper wurde Xong genannt. Die Darsteller kamen hervor und stellten sich in einem Kreis auf. Der Meister, normalerweise identisch mit dem Ngoinba, erläuterte die Handlung, den Schauplatz und das Bühnenbild, die Charaktere und Musikdrama in einem rhythmischen Monolog. Bei den entsprechenen Stellen verließ dann der zugehörige Darsteller den Kreis, um einige Verse zu singen, und kehrte dann in den Kreis zurück, um mit den anderen zusammen zu tanzen oder Akrobatikstücke vorzuführen. Dieser Wechsel dauerte bis zum Ende der Vorführung, d.h. zwei oder drei Stunden oder auch drei Tage, je nach dem Gutdünken des Meisters.

Der letzte Teil war der Epilog oder Zhaxi, was auf tibetisch Segensspruch oder Prophezeiung bedeutet. Die Darsteller sangen Segenswünsche, tanzten dabei einen Freudentanz und schenkten dann zum Abschluss der Vorführung der Zugehörigkeit Hadas (zeremonielle Seidentücher).

Ausdrucksmittel

Die Hauptausdrucksmittel der tibetischen Oper sind: Gesang, Tanz, rhythmischer Monolog, Rezitieren, Akrobatik und Schauspielern. Am wichtigsten ist der Gesang. Jede traditionelle Oper hatte ihre Hauptmelodie oder ihr Thema, das sich ganz durchzog. Auch zu jedem enzelnen Charakter gehörte eine bestimmte Melodie, länger oder kürzer, je nachdem, wie die Situation es erforderte. Es konnte auch eine andere Melodie, dann aber nur eine einzige andere, in der Oper benutzt werden, etwa ein Klagelied oder ein Volkslied. Diese Melodie kam dann allen Charakteren zu.

Tanz und Akrobatik sind ebenfalls wesentliche Elemente der tibetischen Oper. Die Tanzbewegungen hatten gewöhnlich wenig Bezug zur Handlung oder den Gefühlen der dargestellten Personen. Sie sollten dabei helfen, das Thema stärker zu kontrastieren, die Stimmung zu variieren und so dabei zu helfen, das Drama zum Höhepunkt zu bringen. Einige zeigen besondere Handlungen an, wie etwa Marschieren oder Reiten. Gelegentlich gingen die Darsteller während des Gesangs auch zu  Bewegungen des Volkstanzes über.

Die rhythmischen Monologe waren im allgemeinen den männlichen Charakteren höherer gesellschaftlicher Stellung vorbehalten. So entstand ein Eindruck von Würde und Ansehen.

Rezitiert wurde sowohl in Versen als auch in normaler Sprechweise. Die Verszeilen erfordern bei der tibetischen Sprache eine genau festgestellte Anzahl von Wörtern pro Stanze.

Beim Schauspielern verließ man sich in der alten tibetischen Oper wesentlich auf Masken und Gesten. Eine Ausnahme waren dabei die Spaßmacher mit ihrer lebhaften und herzlichen Art und ihren humorvollen Gesichtsausdrücken. Heute werden die Masken nicht mehr benutzt, außer wenn es für die Handlung wesentlich ist. Jetzt wird mehr Betonung auf Mimik gelegt. Dadurch wurde die Oper lebendiger und packender.

Die meisten Handlungen haben ihren Ursprung in Geschichten und Biographien in den buddhistischen Sutras oder in Volkserzählungen. Heute existieren noch dreizehn traditionelle Opern. Davon werden aber nur noch acht häufig aufgesführt. Obwohl die Stücke einfach sind, sind sie oft schön und ergreifend. Die traditionelle tibetische Oper war sehr populär, und es gab zahlreiche Truppen. Zwölf wurden gewöhnlich offiziell dazu bestimmt, jedes Jahr am Shoton-Fest aufzutreten. Amateur-Truppen traten in den ländlichen Gebieten auf, an Straßenecken, in Klöstern und Tempeln. Jede Truppe hatte ihren eigenen Stil und ihre Besonderheit. Es gab zwei hauptsächliche Schulen, die der weißen und die der blauen Masken, so genannt nach ihrer Aufmachung. Die erstere war älteren Ursprungs, ihre Darbietungen waren ziemlich einfach, und ihr Einfluss nahm allmählich ab. Die Schule der blauen Masken, die später aufgekommen war, war ausgefallener, und die vier größten Truppen dieser Richtung waren berühmt. Am meisten angesehen war das Gyumolong-Ensemble. Mit Mitgliedern dieses Ensembles als Kern enstand die Truppe für tibetische Oper des autonomen Gebiets im Jahre 1960. Sie verlagerte den Schauplatz dieser traditionellen Kunstform von den öffentlichen Plätzen und Straßenecken auf die reguläre Bühne. Dazu kamen ein Schminkraum, Bühnenrequisiten, Lichteffekte und ein Orchester. Und als Ergebnis davon entstand eine abgerundete Schauspielform.

Aus „China im Aufbau“, Nr. 12, 1981

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