Von
Huo Jianying


In der mittleren und späteren
Periode der Ming-Dynastie wurden zahlreiche Tempel gebaut. Historischen
Aufzeichnungen zufolge betrug ihre Zahl allein in Beijing mehr
als 1000, und fast alle davon hatten mit den Eunuchen zu tun,
was mit der gesellschaftlichen und politischen Situation in
der Ming-Zeit eng in Verbindung stand.
Schon seit dem 3. Ming-Kaiser
Zhu Di (1360-1424) wurden viele Eunuchen auf wichtige Posten
bestellt, weil sie dem Kaiser bei der Ergreifung der Macht durch
Meuterei geholfen hatten. Unter ihnen war Zheng He. Ihn betraute
Zhu Di mit dem Befehl über eine große Flotte, die er sieben
Male nach Südostasien und Afrika führte, was das Seeschifffahrtwesen
Chinas und den Austausch zwischen China und dem Ausland erheblich
förderte. Sieht man sich die Geschichte der Ming-Dynastie
als Ganzes an, gab es jedoch viel mehr Eunuchen, die dem Land
und dem Volk Unheil brachten.


In der Ming-Dynastie verfügten
viele Eunuchen über erhebliche Macht. Wang Zhen, Liu Jin und
Wei Zhongxian waren besonders berüchtigt dafür, sie despotisch
auszunützen.
Im Jahr 1449 wurde die Ming-Dynastie
von einem Nomadenvolk im Norden angegriffen. Wang Zhen bedrängte
den Kaiser Zhu Qizhen, persönlich mit einer Truppe von
500 000 Mann dem Feind Widerstand zu leisten. In Datong, Provinz
Shanxi, befahl der Kaiser den Rückzug, als er von einer kleinen
Niederlage an der Front hörte. Auf dem Rückzug verlangte
Wang Zhen vom Kaiser, seine Heimat, den Kreis Wei in der Provinz
Hebei, zu besuchen, damit dieser seine Gunst bezeuge. Als Folge
davon wurden die Ming-Truppen in Tumubao (heute östlich
des Kreises Huailai, Hebei) von der feindlichen Armee eingeholt.
Kaiser Zhu Qizhen wurde gefangengenommen und Wang Zhen im Durcheinander
getötet.
Nachdem der Bruder Zhu Qizhens
den Thron bestiegen hatte, ließ er die ganze Familie Wang
Zhens ausrotten und ihr Vermögen konfiszieren. Acht Jahre
später wurde Zhu Qizhen freigelassen. Zwar gelang es ihm,
den Thron wieder zu besteigen, doch war die Ming-Dynastie nach
dieser Palastrevolte schwer angeschlagen.
Zu Lebzeiten ließ Wang
Zhen mit Geldern, die er durch Ausbeuterei angesammelt hatte,
einen luxuriösen Tempel bauen, nämlich den Zhihua-Tempel.
Er liegt im Dongcheng-Bezirk Beijings und ist bis heute erhalten
geblieben.


Liu Jin (1451-1510) lebte in
der Regierungsperiode des Kaisers Zhengde und wurde allgemein
„Jiuqiansui“ (der 9000-Jährige) genannt. Im alten China
wurde der Kaiser respektvoll mit „Wansui“ (der 10 000-Jährige)
angeredet. Liu Jin hielt nicht nur die Macht des Hofes in der
Hand, sondern kontrollierte auch die Geheimdienste der Ming-Dynastie,
Dongchang und Xichang. Seiner Alleinherrschaft fielen Tausende
von Menschen zum Opfer. Er stiftete den Kaiser Zhengde an, seinen
Vergnügungen nachzugehen. Darüber hinaus ließ er mehr
als 300 private Grundstücke enteignen, um sogenannte „kaiserliche
Landgüter“ zu gründen. Liu Jin nahm auch kein gutes Ende. Er
wurde der Konspiration gegen den Kaiser angeklagt und hingerichtet.
Der ebenfalls „Jiuqiansui“ genannte
Wei Zhongxian (1568-1627) übertraf die beiden eben erwähnten
sogar an Ruchlosigkeit. Da er sich darüber im Klaren war, dass
er Todsünden auf dem Gewissen hatte, ließ er landesweit
zahlreiche Tempel zu seiner Vergöttlichung bauen. Damit
glaubte er, sich schützen zu können. In manchen Tempeln
war sein Ebenbild aus Gold. Wer nicht zu seiner Statue betete,
egal, ob Beamte oder einfache Leute, wurde ausnahmslos zum Tode
verurteilt.


Als der letzte Ming-Kaiser Chongzhen
im Jahr 1627 den Thron bestieg, befahl er, Wei Zhongxian und
seine unverbesserlichen und halsstarrigen Gefolgsleute zu vernichten,
um die Ming-Herrschaft, die in Gefahr schwebte, zu retten. 1644
wurde die Ming-Dynastie durch einen Bauernaufstand unter Führung
von Li Zicheng und von mandschurischen Truppen gestürzt.
Die Gründe dafür, dass die Eunuchen
in der Ming-Dynastie gern Tempel bauen ließen, liegen
erstens darin, dass ihnen der Kaiser Macht und Geld verlieh.
Zweitens warben sie dadurch um die Gunst des Kaisers, denn die
meisten Ming-Kaiser bekannten sich zum Buddhismus oder Taoismus.
Drittens schließlich strebten diese mächtigen Eunuchen
nach göttlicher Gnade und einer besseren Wiedergeburt.
Der Bau so vieler Tempel nahm
selbstverständlich eine Menge Ackerland in Anspruch. Der
Bevölkerung wurde außerdem die Bürde aufgeladen,
zahlreiche Mönche und Priester ernähren zu müssen.
Es verwundert nicht, dass sich große Unzufriedenheit im
Volk breit machte.

Der Tempel des Großen Buddhas
Im 8. Regierungsjahr des Ming-Kaisers
Zhengde (1513) erbaut und damals in der westlichen Vorstadt
Beijings (dem heutigen Weigongcun) gelegen, wurde ihm vom Kaiser
der Name „Tempel der Großen Weisheit“ gegeben. Später
wurde er auch „Tempel des Großen Buddhas“ genannt. Während
der Regierungsperiode des Ming-Kaisers Jiajing (1522-1567) ließ
der Eunuch Mai Fu das taoistische Yousheng-Kloster links vom
Tempel des Großen Buddhas und das taoistische Zhenwu-Kloster
im dahinter liegenden Berg bauen, um sich beim Kaiser Chongzhen,
der sich zum Taoismus bekannte, einzuschmeicheln. Dieser große
Komplex mit buddhistischen und taoistischen Tempelanlagen bedeckt
eine Fläche von 28 Hektar und umfasst 181 Hallen und Häuser.
Der Eunuch Zhang Xiong, der
den Tempel des Großen Buddhas bauen ließ, erlangte
zwar keinen zweifelhaften Ruf, besaß aber mehr Macht als
ein Shoufu (ein Kanzler im entsprechenden Rang). So ist
es nicht verwunderlich, dass er in die prächtigste Halle
des Tempels eine 16 m hohe bronzene Statue des Buddhas stellen
lassen konnte. Um sie zu schützen, ließ Zhang Xiong außerdem
in der selben Halle 28 Statuen der Wachgottheiten aufstellen,
die alle mehr als drei Meter hoch sind und sich durch individuelle
Gesichter, Mienen und Körperhaltungen auszeichnen. Die
große Bronzestatue wurde leider in den 40er Jahren des
letzten Jahrhunderts von den japanischen Aggressionstruppen
zerstört.
Im Tempel befinden sich ferner
meisterhafte, farbige Wandmalereien im Gongbi-Stil, der durch
eine feine Pinselführung und eine detaillierte Darstellung gekennzeichnet
ist. Die dargestellte Geschichte handelt von einer einfachen
Person, die lebenslang Wohltaten getan hat und schließlich
unsterblich wird.
Da der Tempel des Großen Buddhas wertvoll
für die Erforschung der Architektur, Bildhauerei und Wandmalerei
aus der Ming-Dynastie ist, wurde er von der Stadt Beijing als
eine der bedeutendsten Kulturstätten bereits im Jahr 1957
unter Denkmalschutz gestellt.