November 2002
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Sonderberichte

Das neue Gesicht des alten Lhasa

Seit den 80er Jahren konnten der wirtschaftliche Aufbau und die gesellschaftliche Entwicklung in Tibet große Erfolge verzeichnen. Die großen Änderungen zeigen sich vor allem im Städtebau. Bezüglich der administrativen Gliederung erließ der Staatsrat 1960 die Bestimmung über die Einteilung Tibets in Verwaltungsbezirke, –städte und -kreise. In der Bestimmung wurden die ehemaligen 83 Dzongs und 64 Dzong-ähnlichen Zhikas zusammengelegt und dann erneut eingeteilt in eine Stadt, sieben Verwaltungsbezirke und 72 Kreise. Die Stadt ist Lhasa, die sieben Verwaltungsbezirke sind Xigaze, Shannan, Qamdo, Nyingchi, Heihe, Gyangze und Ngari. In den folgenden Jahrzehnten wurde diese Struktur nur wenig verändert. Nun hat Tibet eine Stadt, Lhasa, und sechs Bezirke: Xigaze, Shannan, Nyingchi, Qamdo, Nagqu und Ngari.

Der Bau von Lhasa begann im 7. Jahrhundert. Die Hauptbauwerke sind das Jokhang-Kloster in der Stadtmitte und der Potala-Palast auf dem Roten Berg im Westen der Stadt. Die Straßen in Lhasa führen vom Barkhor-Bazar aus in alle Richtungen. An den Straßen lagen die Residenzen der Adligen, die Wohnhäuser des Lebenden Buddha, die Geschäfte, Manufakturen, Märkte, Teehäuser und die Wohnhäuser einfacher Leute. Die Stadt hatte eine Fläche von nur drei Quadratkilometer, die Bauarbeiten dauerten aber mehr als 1300 Jahre. Anfang der 50er Jahre gab es in der Stadt kaum öffentliche Einrichtungen, keine richtigen Straßen und nicht einmal Rikschas oder Pferdekutschen. Man sah überall in den dreckigen Straßen Bettler und wilde Hunde.

Die Schilderungen sind nicht übertrieben. Wenn Sie irgendeinen alten Einwohner von Lhasa danach fragen, bekommen Sie sicher die gleiche Antwort. Der neue Städtebau von Lhasa begann in den 60er Jahren. 1964 kam der erste Bauboom. Nahe des Potala-Palasts wurden sechs Straßen  angelegt, die Einkaufsstraße Renmin Lu bedeckte über 50 000 m2, und der Kulturpalast der Werktätigen und das Kino Lhasa wurden ebenfalls in jener Zeit erbaut. In den 80er Jahren erlebte der Städtebau einen zweiten Frühling. 1983 wurde die Stadtplanung vom Staatsrat genehmigt und Lhasa als kulturhistorische Stadt Chinas festgelegt. Von 43 Hilfsprojekten waren 18 für Tibet bestimmt. Die meisten davon entfielen auf öffentliche Einrichtungen. In den 90er Jahren waren immer noch 17 von 62 Hilfsprojekten in Lhasa angesiedelt. Mit den 35 Hilfsprojekten hat die Stadt Lhasa ein neues Antlitz bekommen. Wenn man vom Potala-Palast aus hinunterblickt, sitzt Lhasa im Grünen. Die Straßen führen in alle Richtungen. Die Häuser liegen dicht aneinandergereiht. Stadtparks und Statuen haben Lhasa in eine moderne Stadt verwandelt. Die alten Bauwerke und historische Kulturdenkmäler stehen unter Schutz. Über 40 Stellen in der Stadt werden sorgfältig und schwerpunktmäßig aufbewahrt und geschützt. Wandert man durch Lhasas Straßen, erlebt man immer wieder etwas Neues in dieser alten Stadt.

Wie in Großstädten anderer Landesteile kommt es auch in Lhasa zu Verkehrsstaus. Als ich eines Tages an der Statue des Königs Gesar mit dem Rad vorbeifuhr, kam ich in einen Stau. Zahlreiche Autos, Wagen, Busse und Fahrräder bildeten eine Kolonne und verursachten viel Lärm.

Der Verkehrspolizist vor der Post im Stadtzentrum mühte sich ab, denn aus allen Himmelsrichtungen strömten unablässig Fahrzeuge auf ihn zu. Ein Taxifahrer erzählte mir, dass es im Mai 1995, als der Potala-Platz gebaut wurde, in der Linkhor-Straße zur Spitzenzeit zu Staus kam. Zwar sind der Platz und eine Zufahrtsstraße schon längst fertiggestellt, das Verkehrsproblem bleibt aber aktuell.

In einem Artikel der Zeitung China Youth Daily konnte man lesen: „Man berichtet, dass es in Lhasa zum ersten Mal seit vielen Jahren ein Verkehrsproblem gibt. Anders als in anderen Städten bereitet dies in Lhasa jedoch keine Kopfschmerzen, sondern man freut sich darüber, denn es zeigt, dass die Entwicklung der lokalen Wirtschaft ein bestimmtes Niveau erreicht hat.“ Der Autor des Artikels meinte, es sei zu begrüßen, dass heute die Einwohner Lhasas sich an all den Fahrzeugen, einer Errungenschaft der menschlichen Zivilisation, erfreuen können. Denn die Zahl der Fahrzeuge sei ein Kriterium für das Entwicklungsniveaus eines Gebiets bzw. Landes.

Vor der friedlichen Befreiung bedeckte Lhasa eine Fläche von nur drei km2, während heute 54,4 km2 zum Stadtgebiet gezählt werden. In Lhasa sind immer mehr moderne Gebäude und asphaltierte Straßen entstanden. Die alte tibetische Nationalität führt ein modernes Leben.

Jeden Tag transportieren zahlreiche Lastkraftwagen aus Ngari, Qamdo und Nyingchi Leder, Holz und Schafwolle sowie Anhängerinnen und Anhänger des Lamaismus nach Lhasa und fahren mit verschiedenen Waren zurück. Sie verbreiten darüber hinaus Informationen, Wissen und Beschlüsse der Zentralregierung und ein Bewusstsein für die Marktwirtschaft bis in den hintersten Winkel Tibets.

Den statistischen Angaben der zuständigen Behörde zufolge gibt es in Lhasa sieben Taxigesellschaften mit 700 Taxis, 500 Minibussen und 500 Rikschas. Wenn man berücksichtigt, dass Lhasa nur 100 000 Einwohnern hat, sind diese Zahlen nicht gering zu schätzen. In Lhasa gibt es außerdem viele Motorräder, und die Pro-Kopf-Zahl kann sich mit der der Provinzen Guangdong und Hainan messen, wo der Motorradbestand pro Einwohner am höchsten in China ist.

Der Gemüsemarkt in Lhasa ist einen Besuch wert. Früher wuchs in Tibet fast gar kein Gemüse, und so waren im Markt nur Kartoffeln zu haben. Heute hat sich dies geändert.

Östlich des Potala-Palasts liegt der bekannte Gemüsemarkt Lhasas. Auf einer Fläche von 5138 m2 sind mehr als 1200 Stände untergebracht. Die Kleinhändler sind nicht nur Tibeter, sondern kommen auch aus anderen Landesteilen. Manche staatliche Landwirtschaftsbetriebe und Gemüsegroßhändler sind auch mit einem Stand in diesem Markt vertreten.

Hier werden die verschiedensten Arten von Gemüse, Obst und Fleisch sowie Eier, Wasser- und Bohnenprodukte und Gewürze angeboten. Das Tageshandelsvolumen beträgt über 800 000 Yuan und die Kundenzahl mehr als 30 000. Dieser Gemüsemarkt steht nicht nur den Einwohnern Lhasas zur Verfügung, sondern dient auch als Versorgungsbasis für Shannan, Xigaze, Nagqu, Ngari, Nyingchi und die Kreise, die in der Umgebung Lhasas liegen.

In den 60er und 70er Jahren hatten Tibeter nur Kohl, Rüben und Kartoffeln zu essen, die damals als die „drei Arten von Gemüse in Tibet“ bezeichnet wurden. Wenn die Han-Kader und -Angestellten, die in Tibet arbeiteten, nach dem Urlaub aus ihrer Heimat zurückkehrten, brachten sie eigens Gemüse und Obst mit. Eine weitverbreitete Volksweisheit lautete damals: „Gemüse ist teurer als Fleisch!“ So konnten sich nur die Reichen Gemüse leisten, während auf dem Speisetisch der Armen nur Fleisch zu finden war.

Heute kann man im Gemüsemarkt Lhasas fast alle Arten von Gemüse wie Augenbohnen, Auberginen, Tomaten, Gurken, Paprika, weiße Bohnen und Blumenkohl kaufen.  Regelmäßig werden Gemüse und Obst aus dem Landesinneren nach Tibet transportiert.

Zur Zeit bietet Lhasas Gemüsemarkt in allen Jahreszeiten frisches Gemüse und Obst an, womit er sich mit den Lebensmittelmärkten in Chengdu und Kunming, in denen das ganze Jahr über Frühling ist, messen kann. Das Handelsvolumen mancher Arten übertrifft dasjenige mancher Stadt im Landesinneren.

Dank dieses blühenden Gemüsemarkts können die Tibeter heute im Winter und Frühling Bananen aus Guangdong, Yunnan und Hainan, Entenbirnen aus Hebei, Mandarinen und Orangen aus Südchina, Äpfel aus Nyingchi und Zitrusfrüchte aus Nepal essen. Im Sommer und Herbst kann man große Wassermelonen aus Gansu und Qinghai, saftige und süße Pfirsiche aus Chengdu, Weintrauben aus Xinjiang, Ananas und Mangos aus Guangxi genießen. Alle Obstarten Chinas sind heute in Tibet preiswert erhältlich.

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