
Das
neue Gesicht des alten Lhasa


Seit den 80er Jahren konnten der wirtschaftliche
Aufbau und die gesellschaftliche Entwicklung in Tibet große
Erfolge verzeichnen. Die großen Änderungen zeigen
sich vor allem im Städtebau. Bezüglich der administrativen
Gliederung erließ der Staatsrat 1960 die Bestimmung
über die Einteilung Tibets in Verwaltungsbezirke, –städte
und -kreise. In der Bestimmung wurden die ehemaligen 83
Dzongs und 64 Dzong-ähnlichen Zhikas zusammengelegt und
dann erneut eingeteilt in eine Stadt, sieben Verwaltungsbezirke
und 72 Kreise. Die Stadt ist Lhasa, die sieben Verwaltungsbezirke
sind Xigaze, Shannan, Qamdo, Nyingchi, Heihe, Gyangze und
Ngari. In den folgenden Jahrzehnten wurde diese Struktur nur
wenig verändert. Nun hat Tibet eine Stadt, Lhasa, und
sechs Bezirke: Xigaze, Shannan, Nyingchi, Qamdo, Nagqu und
Ngari.
Der Bau von Lhasa begann im 7. Jahrhundert.
Die Hauptbauwerke sind das Jokhang-Kloster in der Stadtmitte
und der Potala-Palast auf dem Roten Berg im Westen der Stadt.
Die Straßen in Lhasa führen vom Barkhor-Bazar aus in
alle Richtungen. An den Straßen lagen die Residenzen
der Adligen, die Wohnhäuser des Lebenden Buddha, die
Geschäfte, Manufakturen, Märkte, Teehäuser
und die Wohnhäuser einfacher Leute. Die Stadt hatte eine
Fläche von nur drei Quadratkilometer, die Bauarbeiten
dauerten aber mehr als 1300 Jahre. Anfang der 50er Jahre gab
es in der Stadt kaum öffentliche Einrichtungen, keine
richtigen Straßen und nicht einmal Rikschas oder Pferdekutschen.
Man sah überall in den dreckigen Straßen Bettler und
wilde Hunde.
Die Schilderungen sind nicht übertrieben.
Wenn Sie irgendeinen alten Einwohner von Lhasa danach fragen,
bekommen Sie sicher die gleiche Antwort. Der neue Städtebau
von Lhasa begann in den 60er Jahren. 1964 kam der erste Bauboom.
Nahe des Potala-Palasts wurden sechs Straßen angelegt,
die Einkaufsstraße Renmin Lu bedeckte über 50 000 m2,
und der Kulturpalast der Werktätigen und das Kino Lhasa
wurden ebenfalls in jener Zeit erbaut. In den 80er Jahren
erlebte der Städtebau einen zweiten Frühling. 1983 wurde
die Stadtplanung vom Staatsrat genehmigt und Lhasa als kulturhistorische
Stadt Chinas festgelegt. Von 43 Hilfsprojekten waren 18 für
Tibet bestimmt. Die meisten davon entfielen auf öffentliche
Einrichtungen. In den 90er Jahren waren immer noch 17 von
62 Hilfsprojekten in Lhasa angesiedelt. Mit den 35 Hilfsprojekten
hat die Stadt Lhasa ein neues Antlitz bekommen. Wenn man vom
Potala-Palast aus hinunterblickt, sitzt Lhasa im Grünen. Die
Straßen führen in alle Richtungen. Die Häuser liegen
dicht aneinandergereiht. Stadtparks und Statuen haben Lhasa
in eine moderne Stadt verwandelt. Die alten Bauwerke und historische
Kulturdenkmäler stehen unter Schutz. Über 40 Stellen
in der Stadt werden sorgfältig und schwerpunktmäßig
aufbewahrt und geschützt. Wandert man durch Lhasas Straßen,
erlebt man immer wieder etwas Neues in dieser alten Stadt.
Wie
in Großstädten anderer Landesteile kommt es auch
in Lhasa zu Verkehrsstaus. Als ich eines Tages an der Statue
des Königs Gesar mit dem Rad vorbeifuhr, kam ich in einen
Stau. Zahlreiche Autos, Wagen, Busse und Fahrräder bildeten
eine Kolonne und verursachten viel Lärm.
Der Verkehrspolizist vor der Post im Stadtzentrum
mühte sich ab, denn aus allen Himmelsrichtungen strömten
unablässig Fahrzeuge auf ihn zu. Ein Taxifahrer erzählte
mir, dass es im Mai 1995, als der Potala-Platz gebaut wurde,
in der Linkhor-Straße zur Spitzenzeit zu Staus kam.
Zwar sind der Platz und eine Zufahrtsstraße schon längst
fertiggestellt, das Verkehrsproblem bleibt aber aktuell.
In einem Artikel der Zeitung China Youth
Daily konnte man lesen: „Man berichtet, dass es in Lhasa
zum ersten Mal seit vielen Jahren ein Verkehrsproblem gibt.
Anders als in anderen Städten bereitet dies in Lhasa
jedoch keine Kopfschmerzen, sondern man freut sich darüber,
denn es zeigt, dass die Entwicklung der lokalen Wirtschaft
ein bestimmtes Niveau erreicht hat.“ Der Autor des Artikels
meinte, es sei zu begrüßen, dass heute die Einwohner
Lhasas sich an all den Fahrzeugen, einer Errungenschaft der
menschlichen Zivilisation, erfreuen können. Denn die
Zahl der Fahrzeuge sei ein Kriterium für das Entwicklungsniveaus
eines Gebiets bzw. Landes.
Vor der friedlichen Befreiung bedeckte Lhasa
eine Fläche von nur drei km2, während
heute 54,4 km2 zum Stadtgebiet gezählt werden.
In Lhasa sind immer mehr moderne Gebäude und asphaltierte
Straßen entstanden. Die alte tibetische Nationalität
führt ein modernes Leben.
Jeden Tag transportieren zahlreiche Lastkraftwagen
aus Ngari, Qamdo und Nyingchi Leder, Holz und Schafwolle sowie
Anhängerinnen und Anhänger des Lamaismus nach Lhasa
und fahren mit verschiedenen Waren zurück. Sie verbreiten
darüber hinaus Informationen, Wissen und Beschlüsse der Zentralregierung
und ein Bewusstsein für die Marktwirtschaft bis in den hintersten
Winkel Tibets.
Den statistischen Angaben der zuständigen
Behörde zufolge gibt es in Lhasa sieben Taxigesellschaften
mit 700 Taxis, 500 Minibussen und 500 Rikschas. Wenn man berücksichtigt,
dass Lhasa nur 100 000 Einwohnern hat, sind diese Zahlen nicht
gering zu schätzen. In Lhasa gibt es außerdem viele
Motorräder, und die Pro-Kopf-Zahl kann sich mit der der
Provinzen Guangdong und Hainan messen, wo der Motorradbestand
pro Einwohner am höchsten in China ist.
Der Gemüsemarkt in Lhasa ist einen Besuch
wert. Früher wuchs in Tibet fast gar kein Gemüse, und so waren
im Markt nur Kartoffeln zu haben. Heute hat sich dies geändert.
Östlich des Potala-Palasts liegt der
bekannte Gemüsemarkt Lhasas. Auf einer Fläche von 5138
m2 sind mehr als 1200 Stände untergebracht.
Die Kleinhändler sind nicht nur Tibeter, sondern kommen
auch aus anderen Landesteilen. Manche staatliche Landwirtschaftsbetriebe
und Gemüsegroßhändler sind auch mit einem Stand
in diesem Markt vertreten.
Hier werden die verschiedensten Arten von
Gemüse, Obst und Fleisch sowie Eier, Wasser- und Bohnenprodukte
und Gewürze angeboten. Das Tageshandelsvolumen beträgt
über 800 000 Yuan und die Kundenzahl mehr als 30 000. Dieser
Gemüsemarkt steht nicht nur den Einwohnern Lhasas zur Verfügung,
sondern dient auch als Versorgungsbasis für Shannan, Xigaze,
Nagqu, Ngari, Nyingchi und die Kreise, die in der Umgebung
Lhasas liegen.
In den 60er und 70er Jahren hatten Tibeter
nur Kohl, Rüben und Kartoffeln zu essen, die damals als die
„drei Arten von Gemüse in Tibet“ bezeichnet wurden. Wenn die
Han-Kader und -Angestellten, die in Tibet arbeiteten, nach
dem Urlaub aus ihrer Heimat zurückkehrten, brachten sie eigens
Gemüse und Obst mit. Eine weitverbreitete Volksweisheit lautete
damals: „Gemüse ist teurer als Fleisch!“ So konnten sich nur
die Reichen Gemüse leisten, während auf dem Speisetisch
der Armen nur Fleisch zu finden war.
Heute kann man im Gemüsemarkt Lhasas fast
alle Arten von Gemüse wie Augenbohnen, Auberginen, Tomaten,
Gurken, Paprika, weiße Bohnen und Blumenkohl kaufen.
Regelmäßig werden Gemüse und Obst aus dem Landesinneren
nach Tibet transportiert.
Zur Zeit bietet Lhasas Gemüsemarkt in allen
Jahreszeiten frisches Gemüse und Obst an, womit er sich mit
den Lebensmittelmärkten in Chengdu und Kunming, in denen
das ganze Jahr über Frühling ist, messen kann. Das Handelsvolumen
mancher Arten übertrifft dasjenige mancher Stadt im Landesinneren.
Dank dieses blühenden Gemüsemarkts können
die Tibeter heute im Winter und Frühling Bananen aus Guangdong,
Yunnan und Hainan, Entenbirnen aus Hebei, Mandarinen und Orangen
aus Südchina, Äpfel aus Nyingchi und Zitrusfrüchte aus
Nepal essen. Im Sommer und Herbst kann man große Wassermelonen
aus Gansu und Qinghai, saftige und süße Pfirsiche aus
Chengdu, Weintrauben aus Xinjiang, Ananas und Mangos aus Guangxi
genießen. Alle Obstarten Chinas sind heute in Tibet
preiswert erhältlich.