China
1994 und heute – ein Interview mit einer Ausländerin
Von
Olivier Roos
Ich war vor acht Jahren, 1994, einmal in Beijing.
Als erstes fielen mir dieses Mal die vielen neuen Gebäude
und Straßen auf. Es wurde unheimlich viel gebaut, und
die Stadt ist auch grüner geworden. Doch leider wurden große
Teile der Altstadt abgerissen.
Dieses Mal haben wir uns viele Parks angeschaut,
den Sommerpalast, Beihai und Jingshan. Diese Seite Beijings
gefällt mir sehr gut, die weiten Grünflächen am Wasser,
wo Jung und Alt spazieren gehen oder Gymnastik machen. Sie bringen
Ruhe in die Stadt, machen sie gemütlich und bieten einen Ort,
wo man sich von der Hektik und dem Gedränge der vielen
Menschen erholen kann. In Jakarta, der Hauptstadt Indonesiens,
meines Ursprungslands, gibt es das nicht. Es hat mich auch beeindruckt,
wie sauber die Parks sind, und ebenso die meisten Straßen.
Ich hatte das Gefühl, es werde weniger gespuckt als früher,
doch leider sind die WCs noch nicht viel besser geworden. Aber
ich habe gehört, das solle sich ändern.
Was mich besonders gefreut hat, ist, dass
man noch immer überall eine Kanne heißes Wasser kriegt.
Ich finde das eine wunderbare Einrichtung. Auch die Züge sind
toll, sehr bequem und mit ausgezeichneter Bedienung. Überhaupt
erschienen mir die Angestellten in Restaurants und Hotels ziemlich
kompetent und eher an den Kunden orientiert als bei meinem letzten
Besuch, auch wenn noch immer sehr wenige Leute Englisch sprechen.
Gerade in kleineren Orten ist es sehr schwierig, sich auch nur
über die einfachsten Dinge mit den Menschen zu verständigen.
Da hat China noch einen gewaltigen Aufholbedarf, wenn ich mit
Ländern in Südostasien vergleiche.
Wir sind bei diesem Besuch auch nach Pingyao
in Shanxi gefahren. Unterwegs wurde deutlich, wie groß
der Unterschied zwischen der Großstadt Beijing und dem
Land ist. Einige Orte in Shanxi waren schon sehr trist, überall
lag Kohlestaub und die Häuser an der Straße sahen
trostlos aus. 1994 war ich schon einmal in der Gegend, in Datong,
und mir schien, abseits der Zentren hätte sich nicht viel
verändert. Demgegenüber ist Beijing schon ziemlich international
geworden, das sieht man unter anderem am kulinarischen Angebot.
Für die Zukunft wünschte ich mir, dass die
Leute noch etwas freundlicher würden. Manchmal hat man das Gefühl,
nicht besonders willkommen zu sein, wenn man in ein mürrisches
Gesicht blickt. Und ich hoffe auch, dass sich die Sitten im
Straßenverkehr etwas ändern und die Autos mehr Rücksicht
auf die schwächeren Verkehrsteilnehmer nehmen.
Erfreulicherweise gibt es ja in Beijing noch
immer sehr viele Fahrradfahrer. Wenn man nicht allzu weit fahren
muss, scheint mir das Rad noch immer das beste Verkehrsmittel.
Damals, vor acht Jahren, machte mir das Radfahren in der Stadt
sehr viel Spaß. Schade, dass wir dieses Jahr keine Gelegenheit
dazu hatten. Doch das Recht des Stärkeren, das jetzt auf
den Straßen herrscht, fand ich gefährlich, und manchmal
hatte ich Angst, über die Straße zu gehen.