Ballett-Oper
"Rote Laterne" - Zhang Yimou auf neuen Wegen
 
"Das ist eine interessante und charaktervolle
Ballett-Oper", sagte der berühmte Regisseur Zhang Yimou bei
der Vorstellung der unter seiner Regie aufgeführten Ballett-Oper
Rote Laterne.
Zhang Yimou hat sich einen Namen als Regisseur
bedeutender und erfolgreicher Filme wie Rotes Kornfeld, Die Geschichte
der Qiuju. Judou, und Leben! gemacht. Nachdem diese Filme
mit großen internationalen Preisen ausgezeichnet worden waren,
wurde er nun selbst zum Zweck einer effektiven Medienkampagne instrumentalisiert.
Die Medienindustrie will mit ihm ein großes Geschäft
machen.
Zhang
Yimou hat verschiedene Versuche in anderen künstlerischen Gebieten
unternommen. So hat er vor einigen Jahren in der italienischen Oper
Turandot Regie geführt, vor kurzem die Regie des chinesischen
Werbefilms für die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2008 übernommen
und für den 50. Nationalfeiertag einen Film mit patriotischem Thema
gedreht. Jetzt brachte er die Ballett-Oper Rote Laterne auf
die Bühne. Bemerkenswert ist jedoch, dass Zhangs Versuche außerhalb
des Films ihm keinen besonderen Ruhm gebracht haben - nur die Medien
haben dabei großen Schaum geschlagen. Die Zuschauer wurden
dadurch enttäuscht, dass Zhang Yimou als Filmregisseur keine
weiteren Fortschritte in seinen neuen Filmen gemacht hat, nachdem
er in andere Gebiete der künstlerischen Gestaltung eingestiegen
war.

Dass sich das Zentralballett für das Motiv Rote
Laterne entschieden und Zhang Yimou als Regisseur gewählt
hat, liegt offensichtlich daran, dass es mit dem Namen des Regisseurs
die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregen wollte. Die Handlung
der Ballett-Oper beruht auf dem gleichnamigen Film Zhang Yimous,
sie wurde nur vereinfacht. Der Inhalt: Die dritte Konkubine des
Hausherrn hat sich in früheren Jahren in einen Schauspieler der
Peking-Oper verliebt. Später wurde sie zwangsweise als Konkubine
an den alten reichen Mann verheiratet. Eines Tages ging der alte
Mann mit seinen Familienangehörigen in die Peking-Oper, um
sich eine Aufführung anzuschauen. Dabei sah die dritte Konkubine
ihren früheren Geliebten. Beide traffen sich heimlich, während
der Hausherr mit anderen Ma-Jongg spielte. Die zweite Konkubine
hat dem Hausherrn, um dessen Gunst zu erwerben, diese Liebesaffäre
verraten. Aus Jähzorn lässt der alte Mann dieses unglückliche
Liebespaar zu Tode prügeln. Zum Thema sagte Zhang Yimou: "Die
Liebe zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Stück. Es werden
die Erniedrigung von Frauen in der feudalen Gesellschaft und ihr
Widerstand dargestellt. So bildet das Streben nach Liebe und Freiheit
und dessen Scheitern das Thema dieser chinesischen Ballett-Oper."
Manche
Zuschauer finden die Handlung nicht sehr plausibel. Sie verweisen
auf die beiden Ballette, die Mao Zedongs Frau, Jiang Qing, während
der Kulturrevolution auf die Bühne brachte: Das Weißhaarige
Mädchen (Darstellung des Widerstands eines vom Grundbesitzer
unterdrückten Mädchens) und Rote Frauenbrigade (Darstellung
des bewaffneten Kampfs einer von Frauen gebildeten Brigade gegen
den despotischen Gutsbesitzer). Bei der Roten Laterne handle
es sich um nichts anderes als eine "ehebruchartige Liebesaffäre".
Die orthodoxe Kritik weist darauf hin, dass in dieser Oper eine
dunkle Seite des Lebens angesprochen werde, was dem Grundsatz der
Darstellung des Schönen und Hellen im Ballett widerspreche.
In der Tat ist die Handlung, weil der Film schon
sehr bekannt ist, nicht sehr wichtig für die Zuschauer. Interessanter
ist, wie Zhang Yimou die Geschichte im Ballett darstellt. Während
der Proben sagte Zhang Yimou wiederholt: "Ich bin ein Laie
und kenne mich im Tanz nicht gut aus." Auf der Pressekonferenz
vor der Uraufführung wiederholte er: "Ich verstehe wenig vom
Ballett und kann nur ein paar Ideen vorschlagen. Das macht dem Choreographen
zu schaffen. Wenn er eine Szene entwickelt hat und die Tänzer
diese Stelle eingeübt haben, dann komme ich und mache Vorschläge.
Danach müssen sie aufs neue anfangen. Das ist sicher mühselig."
Als Zhang Yimou die Regie in der italienischen
Oper Turandot führte, sagte er auch, daß er wenig von
Oper verstehe. Diesmal hat er die Regie in einer Ballett-Oper übernommen.
Er hat - und das ist nicht verwunderlich - Elemente des Films beigemischt
und damit dem Ballett dynamische Züge verliehen. Eindrucksvoll ist
beispielsweise die Eröffnungsszene mit 44 roten Laternen. Auch
die Szene der Bestrafung der dritten Konkubine und deren Liebhaber
erinnert die Zuschauer an einen Film: Auf der Bühne steht eine weiße
Wand, der Peiniger schwingt einen dicken Stock, dabei erscheinen
auf der weißen Wand rote Spuren. Dadurch wurde die Folter
indirekt dargestellt. Außerdem wird mit Hilfe der Beleuchtungstechnik
des Films die psychische Situation der Figuren veranschaulicht.
Zhang Yimou hat künstlerische Elemente der Peking-Oper
ins Ballett eingeführt. Bereits zu Beginn des Balletts gibt es einen
Gesang im Stil der Peking-Oper, und der Liebhaber der dritten Konkubine
ist ursprünglich Schauspieler der Peking-Oper. Auch in der Verwendung
von Kleidungsstücken wie Qipao (ein chinesisches Etuikleid) und
Requisiten wie das chinesische Mah-Jongg-Spiel wird ersichtlich,
daß Zhang Yimou eine Ballett-Oper mit chinesischer Prägung
inszenieren wollte, das die Aufmerksamkeit westlicher Künstleragenturen
auf diese Produktion lenken soll. Die Rechnung ist aufgegangen:
Diese Ballett-Oper wird auf Weltournee gehen.
Interessant bei der Inszenierung ist, dass der
Komponist und der Choreograph Auslandschinesen sind. Der Komponist
Chen Qigang lebt in Frankreich und hat beachtlichen Erfolg in Europa.
Seine Werke der modernen Musik werden weltweit aufgeführt. Der Choreograph
Wang Xinpeng lebt in Deutschland, hat ebenfalls viele choreographische
Werke für europäische Ballette geschaffen, die ihm Ruhm eingebracht
haben. Zeng Li hat schon früher mit Zhang Yimou zusammengearbeitet
(Turandot) und auch diesmal das Bühnenbild geschaffen. Außerdem
wurden auch berühmte französische Designer zur künstlerischen
Gestaltung eingeladen, damit wurde die Inszenierung dieser Ballett-Oper
zu einer internationalen Produktion.
Allerdings war bei der Uraufführung im Frühjahr
dieses Jahres in Beijing die Kritik zwiegespalten. Die negative
Kritik richtet sich nahezu ausnahmslos gegen Zhang Yimou. Manche
sagten: Diese Ballett-Oper sei ein Sammelbecken von Peking-Oper,
Schattenspiel, modernem Tanz, Theater, Gruppengymnastik und karikaturischer
Darstellung; aber was in diesem Ballett fehle - das sei das Ballett.
Andere sagten: außer verblüffenden Effekten sehe man nichts
Künstlerisches darin. Die Kritik der Fachleute ist eher negativ.
Sie weisen darauf hin, beim Ballett gehe es darum, dass der Charakter
der Figuren und die Handlung durch Tanz dargestellt werden. Zhang
Yimou habe keine Ballett-Erfahrung und mache deshalb lächerliche
Fehler. Die Darsteller selbst meinen, dass das Ballett viel zu wenig
tänzerische Elemente habe. Der frühere Intendant des Chinesischen
Zentralballetts Jiang Zuhui: "Die Darstellung ist viel zu realistisch,
es gibt zu viele Dinge aus der Peking-Oper. Der Pas de deux sollte
der eigentliche Schwerpunkt sein, aber er wird nicht ausreichend
dargestellt. Der Gehalt kommt nicht zum Ausdruck. Der Charakter
der Figuren wird nicht deutlich genug dargestellt." Der Intendant
des Tianjiner Balletts kritisierte, dass die Sprache des Balletts
nicht deutlich zum Ausdruck komme, es keinen Höhepunkt gebe,
und die Handlung nur angedeutet werde, so dass kein besonderer künstlerischer
Genuß entstehe.
Als positiv werden im allgemeinen Musik und Bühnendesign
empfunden. Die Musik weist chinesische volkstümliche Charakterzüge
auf - in einem modernen Gewand. Es wurden viele Elemente aus der
Peking-Oper, aus volkstümlichem Gesang, aus volkstümlicher Rhythmik
und moderner Musik übernommen. Es gibt schöne Musik für den
Pas de deux, Geräusche von Mah-Jongg-Spielsteinen und Dialoge
zwischen Erhu (Chinesische Geige) und Cello; Elemente, die sich
zu einer harmonischen Einheit zusammenfügen. Man hat den Eindruck,
einer Ballett-Musik mit chinesischer Prägung zu lauschen. Ebenfalls
positiv ist die Beurteilung des Bühnendesigns. Es sprüht vor witzigen
Ideen. Insbesondere die 44 Laternen machen bereits von Anfang an
einen tiefen Eindruck auf die Zuschauer.
Zur Medienkampagne um diese Ballett-Oper
sagte Zhang Yimou: "Ich finde, dass meine Person viel zu sehr
hervorgehoben wurde." Es war in der Tat für Zhang Yimou keine
leichte Aufgabe, die Regie einer Ballett-Oper zu übernehmen. An
der Entstehung dieses Balletts waren diverse künstlerische Leiter
beteiligt, doch in der - wohl etwas überzogenen - Medienkampagne
hat man allein auf seinen bekannten Namen gesetzt. Die Aufführung
ließ erkennen, dass Zhang Yimou zwar ein talentierter Regisseur,
aber nicht allseitig entwickelt ist. Ein klassisches chinesisches
Ballett kann nur durch vollendete Kunst entstehen, aber nicht durch
eine Medienkampagne. Es lohnt sich, diese Ballett-Oper anzusehen,
sie ist reizvoll und charaktervoll, zeigt aber keine reine schöne
Kunst. Aus diesem Grund kann es nicht als ein klassisches Werk betrachtet
werden.
Von
Li Xia
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