August 2005
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Schoßhunde, Freunde oder Feinde?
Von Wu Xiaohong

Ich habe Angst vor Hunden. Als ich klein war, kannte ich bereits das Wort „Tollwut“. Obwohl ich es nicht begriff, was Tollwut eigentlich war, wusste ich vom Hörensagen, dass die Krankheit äußerst gefährlich war. Wenn man von Hunden gebissen wurde, konnte man sterben. Daher ging ich ihnen ständig aus dem Weg. Und heute tue ich das immer noch.

Während meiner Kindheit, etwa um die 80er Jahre, war der Lebensstandard der chinesischen Stadtbewohner nicht hoch, und nur wenige Familien hielten Hunde zu Hause. Die Zeit ändert sich und die Zahl der Haushunde in den Städten nimmt rasant zu. Ich nehme Beijing als Beispiel. Im Jahr 2001 gab es laut einer Umfrage in Beijing 163 600 Hunde, nur 59,9% davon wurden polizeilich registriert. Warum waren 40,1% (es war allen klar, dass die reale Zahl höher sein musste) der Hunde „schwarz“? 60% der Besitzer von „schwarzen Hunden“ meinten, dass sie sich die hohen Anmeldegebühren für Hunde nicht leisten konnten. In der 1994 veröffentlichten Bestimmung zur strikten Einschränkung der Hundehaltung der Stadt Beijing wurde festgelegt, dass in den schwerpunktmäßig beschränkten Gebieten für Hundehaltung die Eintragungsgebühr für das erste Jahr 5000 Yuan betrug, wodurch man eine Hundemarke bekam. Für die weiteren Jahre bezahlte man jedes Jahr dann 2000 Yuan. Außerdem waren fast alle „schwarzen Hunde“ nicht geimpft.

Als ich 2000 in meine jetzige Wohnung in einem Hochhaus umzog, erkannte ich sofort, dass einige Familien in dem Hochhaus Hunde hielten, und zwar „schwarz“. Da ich tagsüber im Verlag bin und abends selten rausgehe, begegne ich ihnen kaum, bis auf einmal, als ich an einem Morgen mit dem Fahrstuhl fuhr. Ich fahre jeden Morgen um sieben Uhr mit dem Dienstbus zur Arbeit, deshalb gehe ich immer zwei oder drei Minuten vor sieben aus der Tür und warte auf den Lift. Als an jenem Morgen der Lift in meinem Stockwerk hielt und sich öffnete, sah ich einen weißen Pekinesen in diesem engen Raum. An ihm sah ich weder eine Leine noch einen Beißkorb. Vielleicht meinte seine Besitzerin, dass der Kleine so lieb war, dass er solche Dinge überhaupt nicht brauchte. – Allerdings habe ich bis heute in Beijing noch nie einen Hund mit einem Beißkorb gesehen, selbst wenn er ein Schäferhund ist. – Ich zögerte einige Sekunden, ein Sprichwort ist ist mir plötzlich eingefallen: Hunde, die bellen, beißen nicht, und trat schließlich ein, denn ich konnte nicht anders, sonst verpasste ich bestimmt den Dienstbus. Ich stand in einer Ecke und starrte auf den nicht bellenden Hund. Die Besitzerin war anscheinend nicht froh über mein Verhalten und sagte in einem unfreundlichen Ton zu mir: „Mein Liebling ist sehr brav. Er beißt nie.“ Ohne viel nachzudenken, rutschte es mir heraus: „Haben Sie Ihren Liebling angemeldet?“ Sie erschrak und riss das Hündchen an sich. Als ich aus dem Lift trat, hatte ich das Gefühl, dass die Frau mich am liebsten statt ihres vierbeinigen Freundes gebissen hätte.

In Beijing kann man Hundehalter in drei Gruppen einteilen: Die Leute der ersten Gruppe nehmen einen großen Anteil ein. Sie sind wohlhabend. Hunde zu halten ist für sie eine Mode. Die Hunderassen müssen edel und kostspielig sein. Zu der zweiten Gruppe gehören Tierliebhaber. Für sie spielt die Rasse keine Rolle. Vertreter der dritten Gruppe sind viele pensionierte einsame ältere Leute. Sie züchten Hunde, um ihre Langeweile zu vertreiben.

Die Tante meiner Freundin gehört zur dritten Gruppe. Meine Freundin erzählte mir, dass ihre Tante sehr einsam ist. Ihr Mann ist vor einem Jahr gestorben und ihr einziges Kind, eine Tochter, lebt in Großbritannien. Vor drei Wochen haben wir sie besucht. Dass sie einen Hund hat, hat mir meine Freundin vorenthalten. Sie war sehr gastfreundlich. „Ich möchte euch gern meine Tochter vorstellen“, sagte sie. „Ist Ihre Tochter zurück?“ Bevor ich meinen Satz aussprechen konnte, sah ich einen Dalmatiner aus dem Schlafzimmer herauskommen, ohne zu bellen. „Das ist meine zweite Tochter. Sag ,hallo‘ zu deinen Schwestern!“ Der schwarz-weiße Hund sprang auf mich zu. Mir sträubten sich die Haare. Ich zog mich schnell hinter meine Freundin zurück. Die Tante fühlte sich offensichtlich gekränkt: „Komm zu Mama, Liebling.“ Wir verabschiedeten uns sofort. Seitdem nenne ich meine Freundin „Schwester Dalmatiner“. Daraufhin ist sie jedesmal böse.

Im Oktober 2003 traten die Bestimmungen über die Verwaltung der Hundehaltung der Stadt Beijing in Kraft. Die Anmeldegebühren sind von 5000 Yuan auf 1000 Yuan für das erste Mal und von 2000 Yuan auf 500 Yuan für jedes weitere Jahr gesunken. Mit der Lockerung der politischen Maßnahmen ist die Hundezahl in Beijing stark gestiegen. Laut statistischen Angaben des Kleintiervereins der Stadt Beijing gibt es zur Zeit in Beijing über 1 Mio. Hunde. Ende 2004 wurden 420 000 Hunde registiert. Die Probleme, die die Hunde mitbringen, zeigen sich immer mehr und sind immer schwerwiegender.

In meinem Wohnviertel gibt es eine große Grünfläche, ein Paradies für Hunde. Jeden Tag spielen mindestens 15 Hunde auf dem Rasen. Die Leute betreten den Rasen nicht, nicht zu dessem Schutz, sondern aus Angst, auf die „Minen“ zu treten. Den Gestank riecht man schon, wenn man von dem kleinen Park noch weit entfernt ist. Einer Meldung zufolge wurden im Januar 2005 über 6000 Menschen von Hunden gebissen. Im Krankheitsverhütungs und –kontrollzentrum der Stadt Beijing lassen sich jeden Tag einige dutzende Leute gegen Tollwut impfen. Besonders im Sommer gehen die Leute morgens schon um vier Uhr mit ihren vierbeinigen Lieblingen spazieren. Das Bellen stört oft schlafende Berufstätige. Außerdem nimmt die Zahl der herrenlosen Hunde auch von Jahr zu Jahr zu.

So viele von Hunden ausgelöste Probleme sind aufgetreten. Man weiß aber oft nicht, an wen man sich wenden soll. In den Bestimmungen von 2003 steht: Wenn man von Hunden gebissen wird, fällt das in die Kompetenz der Behörden für öffentliche Sicherheit und des Polizeireviers; für die Impfung sind die Gesundheitsämter zuständig; schwarze Hundemärkte kontrollieren die Behörden für Industrie und Handel; für die Umwelt- und die hygienischen Probleme sind die Behörden der Stadtverwaltung verantwortlich. Die Zusammenarbeit dieser Behörden ist oft nicht zufriedenstellend.

Wenn man an die Ursachen der von Hunden ausgelösten Probleme geht, müssen in der Tat die Hundebesitzer die Verantwortung tragen. Man darf Hunde nicht verwöhnen, sondern muss sie trainieren. Die Hundehalter sollen in der Öffentlichkeit auf andere Rücksicht nehmen und besonders Respekt gegenüber Nachbarn und Nichthundehaltern zeigen. Nur so ist eine harmonische Gemeinschaft zu realisieren.

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