August 2005
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Konfuzius – der große Weise im antiken China

Von Wang Jueliang

Als der große chinesische Denker und Pädagode wird Konfuzius bis heute verehrt. Seine Gedanken sind in allen Chinesen tief verwurzelt. Die „Sittlichkeit“ stellt den Kern der konfuzianischen Lehre dar. Er vertrat die Doktrin von Maß und Mitte. Seine pädagogische Lehre hat auch einen großen Einfluss auf die nachfolgenden Generationen ausgeübt.

Als ich klein war, war ich genau so munter und redselig wie andere Kinder. Sogar beim Essen konnte ich meinen Mund nicht halten. Meine Mutter sagte mir oft: „Beim Essen und vor dem Schlafen darf man nicht sprechen.“

Als ich aufgewachsen war und die Schule besuchte, las ich in der Bibliothek ein Buch mit dem Titel „Unterredungen“. Und plötzlich ging mir ein Licht auf. Was mir meine Mutter ins Bewusstsein gehämmert hatte, kam mir aus diesem bekannten Buch von Konfuzius nun wieder entgegen. Er ist der größte Weise in China vor der Zeitwende. Seine Worte und Gedanken haben einen großen Einfluss auf die nachfolgenden Generationen ausgeübt. Viele seiner Worte leben bis heute noch in der schriftlichen, doch auch in der täglichen Sprache. Meine Mutter war zwar Analphabet, stand jedoch auch unter Konfuzius’ Einfluss, was bei allen gebildeten Menschen der Fall war.

Konfuzius (551-479 v. Chr.) stammte aus einer verarmten Aristokratenfamilie, die im Fürstentum Lu (heutige Provinz Shandong) ansässig war. Mit drei Jahren verlor er seinen Vater und führte von da an mit seiner Mutter ein ärmliches Leben. Bald sprach es sich herum, dass der junge Mann sich sehr für Riten interessierte. Viele Kinder des Adels und der Gentry kamen zu ihm, um seine rituellen Praktiken zu lernen. In seiner Jugend musste er sich als Begräbnisorganisator, Buchhalter, Hüter und Lagerist verdingen, um das tägliche Brot zu verdienen. Später wurde er Beamter mit einem niedrigen Rang. Seinen Höhepunkt als Beamter erreichte er, während einer dreimonatigen Dienstzeit als höchster Jusitzbeamter des Fürstentums Lu. Im Zeitalter der verfallenden Zhou-Dynastie mit unfähigen Herrschern, in dem Konfuzius lebte, war Unruhe an der Tagesordnung. Das Sklavenhaltersystem wurde allmählich durch das Grundherrensystem ersetzt. Die alte Herrschaftsordnung wurde zerrüttet. Die Könige machten aus ihren Lehen kleine Staaten und führten Krieg miteinander. Der Kaiser der Östlichen Zhou-Dynastie konnte seine Herrschaft über das ganze Land nicht mehr behaupten. Konfuzius erkannte diese Dinge als verhängnisvoll für das Volk und wollte durch eine Restauration des alten politischen Systems die Zersplitterung des Landes beseitigen. Seine politischen Ziele liefen jedoch der Entwicklung der Geschichte zuwider und konnten sich deshalb nicht durchsetzen. Aber der Mann mit dem großen Geist wollte sich damit nicht abfinden und reiste mit seinen Schülern durch die Staaten, um seine politischen Thesen zu propagieren. So wanderte er 13 Jahre lang umher, ruhelos und ohne Unterstützung an den Höfen, geschweige denn, beim Volk zu finden. Da er keine feste Stellung annahm, hatte er sogar manchmal kein Geld um sich etwas zum Essen zu kaufen.

Nach der gescheiterten Agitationsreise kehrte er in den Staat Lu, seine Heimat, zurück. Mit mehr als 60 Jahren errichtete er eine private Schule und brach damit das staatliche Monopol des Erziehungswesens. Er nahm alle begabten jungen Menschen auf, ohne zu fragen, aus welchem Gebiet und aus welcher Familie sie stammten. In seiner Schule unterrichtete er in sechs Fächern: Politik, Musik, Bogenschießen, Kutschieren, Kalligraphie und Mathematik. Die Zahl seiner Schüler erreichte 3000, von denen 72 später als Weise berühmt wurden. Neben der Lehrtätigkeit widmete er sich der Zusammenstellung der uns heute bekannten klassischen Werke, wie z. B. dem Buch der Lieder (Shi Jing). An seinem Lebensabend verfasste er ein Buch Die Frühlings- und Herbstannalen, das Chun Qiu, das einen Zeitraum von 241 Jahren (722-481 v. Chr.) umfasst, und die Chronik des Kleinstaates Lu darstellt.

In der alten Zeit war man sehr abergläubig. Man betete zu Himmelsgöttern und Dämonen, bevor man ein Unternehmen begann, egal ob es sich um einen Staatsmann, einen Kaufmann oder einen Bauern handelte. Konfuzius glaubte jedoch nicht an Götter und Dämonen und sagte: „Es genügt, dass man dem Anschein nach die Götter verehrt. Man sollte jedoch einen Abstand zu ihnen halten.“ Konfuzius wurde einmal befragt: „Gibt es überhaupt Götter und Dämonen?“ Er antwortete mit hintergründigem Humor: „Wenn Sie bei der Opferung an die Götter denken, sind sie ja da.“ Als sein Schüler Ji Lu ihn fragte, wie man Götter und Dämonen verehren sollte, schrie er ihn überreizt an: „Man hat hier auf der Welt genug zu tun; wo soll man so viel Zeit hernehmen, sich auch noch um Götter und Dämonen zu kümmern?“

Der Nichtglaube an Götter- und Geisterwelt stellt den materialistischen Faktor der Philosophie dar. Oft verzweifelte er beinahe, wenn er über die Geheimnisse des Kosmos’ nachdachte und keine Antwort finden konnte. Dem Wechsel der Jahreszeiten und dem Wachstum aller Pflanzen und Lebewesen gegenüber vertrat er die Auffassung, dass es eine höhere Kraft gibt, die alles lenkt. Der Wille des Himmels ist der Ursprung und das Schicksal der Menschen. Seiner Meinung nach könne der Himmel zwar nicht sprechen, lenke aber den Wechsel der Jahreszeiten und das Wachstum aller Dinge auf der Erde. Zweifellos glaubte er an den Himmelswillen und hatte Ehrfurcht vor ihm. Er glaubte, dass der Mensch Ehrfurcht vor dem Himmelswillen genau wie vor den Vorgesetzten auf der Erde und den Worten der Weisen haben sollte. Weiter nahm er an, dass der Mensch erst mit 50 Jahren innerlich reif sei, den Willen des Himmels zu begreifen.

In moralethischer Hinsicht ist Konfuzius der Auffassung, dass die Natur aller Menschen ähnlich ist und sich nur durch verschiedene Umwelt und geringeren oder höheren Bildungsgrad unterscheidet. Damit spricht er den Grundgedanken des Humanismus aus. Er wünschte eine Entwicklung herbei, an deren Ende jeder Mensch eine Verkörperung der Sittlichkeit darstellen würde. Wie ist der Begriff „Sittlichkeit“ zu interpretieren? Nach seiner Meinung sollte der Mensch mit dem Willen zur Sittlichkeit sich anderen Menschen gegenüber liebenswürdig und mitführend verhalten. Man sollte also die Menschen menschlich behandeln. Es begann, dass man die Menschenwürde und den Wert des Menschen achtete.

Die „Sittlichkeit“ stellt den Kern der konfuzianischen Lehre dar und zeigt bereits eine erstaunlich fortschrittliche Tendenz. Er betrachtete die Sittlichkeit als unabdingbare Erfordernis und verlangte, dass die Beziehungen zwischen Menschen dieser Form entsprechen sollten. Man müsse die Eltern lieben, alte Menschen respektieren, zu den Geschwistern freundlich und zu den Menschen auch außer dem Familie- und Freundenkreis großzügig und verständnisvoll sein. Hier legte Konfuzius der Loyalität und Toleranz große Bedeutung bei. In Befürwortung der Toleranz sagte er: „Man sollte anderen nicht das antun, was man für sich selbst nicht wünscht.“

Die oben erwähnten Gedanken sind in allen Chinesen tief verwurzelt. Die Kindespietät der konfuzianischen Ethik wurde später von feudalen Herrschern ausgenutzt. Heute werden die Kindespietät und der Respekt vor alten Menschen als eine große Tugend unserer Gesellschaft gefördert.

Bei der Beurteilung von Recht und Unrecht vertrat Konfuzius die Doktrin von Maß und Mitte – eine Kompromiss-Philosophie. Sie hatte einen großen Einfluss auf seine nachfolgenden Generationen.

Konfuzius verstand gut, verschiedene Erfahrungen zusammenzufassen und sie mit prägnanten Worten zum Ausdruck zu bringen. Viele seiner Sprüche, wie z. B. „Man soll unersättlich im Lernen und unermüdlich im Lehren sein“ und „Unter drei Menschen gibt es bestimmt einen, den ich als Lehrer nehmen kann“, werden bis heute von uns befolgt.

Konfuzius war ein strebsamer und optimistischer Mensch. Während seines Lebens führte er ein ärmliches Dasein und fand kaum Unterstützung. Aber seine Ideologie wurde nach seinem Tode von den herrschenden feudalen Klassen ausgenutzt, um das Volk körperlich und geistig zu kontrollieren.

Der Konfuzianismus war die früheste Denkschule der alten chinesischen Philosophie. Sie gewann immer mehr Anhänger und übte schließlich einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Denkweise bis zu unserer Zeit aus. Nach dem Tod des Konfuzius spaltete sich der Konfuzianismus in acht Zweige, von denen die von Menzius und Xun Zi (Hsün Dsi) vertretenen Richtungen die größten Nachwirkungen auf die nachfolgenden Generationen hatten.

Man versuchte schon zu seinen Lebzeiten, seine Philosophie zu ergründen. Dies hat sich bis heute nicht geändert. Er wurde als „Vorbild für alle Zeitalter“ verehrt. Überall in China errichtete man Konfuzius-Tempel. In Qufu, seiner Heimat, wurden ein Konfuzius-Tempel und eine Residenz für seine Nachkommen gebaut. Heute stehen beide in- und ausländischen Besuchern offen.

Um die Erforschung des großen chinesischen Denkers und Pädagogen Konfuzius zu fördern, veranstaltete die Chinesische Gesellschaft für Erziehung im September 1984 in Qufu ein Symposium über die pädagogische Lehre des Konfuzius. Im März 1985 wurde die Chinesische Gesellschaft zur Erforschung des Konfuzianismus im Konfuzius-Tempel in Beijing gegründet.

Aus China im Aufbau, Nr. 2, 1986

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