August 2005
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Zhuangxiu – Die Kunst des Renovierens

Von Katharina Schneider-Roos

Seit einigen Jahren schwappt eine Welle über China. Einhergehend mit dem Erwerb von Eigentumswohnungen entstand ein großer Bedarf an Innenarchitektur und Verputz- und Ausbauarbeiten – wie Zhuangxiu im Wörterbuch definiert wird. Das deutschsprachige Publikum denkt dabei vielleicht daran, dass man dabei einiges als Heimwerker selbst gestaltet; wer hat noch nicht seine eigenen Wände gestrichen, oder ein paar Fliesen gelegt. Die Mutigeren wagten sich vielleicht sogar über einen Parkettboden. Nein, in China, in einem Land der billigen Dienstleistung engagiert man eine Zhuangxiu Dui, eine Gruppe von mehr oder weniger gut ausgebildeten Handwerkern, die alle Arbeiten, die in der neuen Wohnung anfallen, übernehmen, sei es nun, Wände einzureißen, sie wieder aufzubauen, Fliesen und Rohre zu verlegen, Tischlerarbeiten durchzuführen etc.

Aber zuerst muss die passende Wohnung erst gefunden werden. In Beijing teilt man die Wohnungen, die in unseren Preisrahmen fielen (3000–4000 Yuan) in Gongyu – luxuriösere Wohnsiedlungen mit Serviceleistungen wie Schwimmbad und Fitnesszentrum, 24 Stunden Heißwasser und Lift – und Putong Zhuzhai – dem Durchschnittsbürger zugedachte Wohnblöcke ohne die oben genannten Leistungen – ein. Für den subventionierten Wohnbau kommt man als Ausländer natürlich nicht in Frage und auch Chinesen müssen dafür gewisse Kriterien erfüllen und unter eine festgelegte Einkommensgrenze fallen.

Man nimmt Kontakt mit verschiedenen Maklern auf, die dann gleichzeitig Wohnungen, die auf die spezifische Beschreibung passen, suchen. Es gilt zu unterscheiden zwischen denen, die eine Monatsmiete als Vermittlungsgebühr vom Vermieter kassieren, und denen, die diese vom Mieter einstreichen. Nach der Besichtigung von sieben Wohnungen entscheidet man sich wie in unserem Fall für die, die man zuerst gesehen hat und die durch Freunde vermittelt wurde. Es ist eine Wohnung in einer alten chinesischen Siedlung, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass sie neu ausgebaut werden muss. Das spricht natürlich nur zum Teil für sie, aber nachdem man jahrelang in schon ausgebauten und von den Vermietern eingerichteten Wohnungen gelebt hat, erfreut man sich an dem Gedanken, einmal selbst seinen Geschmack ausleben zu können. Weitere Charaktereigenschaften dieses Wohnviertels sind die günstige Lage, relative Ruhe und das Gefühl, dass dieses Viertel noch von selbst gewachsen ist und nicht auf dem Plan skizziert wurde. Im Hof sitzen alte Frauen und Männer und spielen Majiang, an einem Marktstand kann man Obst und Gemüse kaufen und in der Gegend gibt es jede Menge von kleinen Restaurants und Geschäften, die alles vom Putzlappen bis zum Fensterrahmen verkaufen.

Die Suche nach der Zhuangxiu Dui startet man wie so vieles in China natürlich über Freunde, die damit Erfahrung haben. Nach dem ersten Kostenvoranschlag, der zu teuer ausfiel, entschieden wir uns für das zweite Team, das behauptete, dass es in einem Monat für 10 000 Yuan (ca. 1000 Euro) eine Wand einreißen, die Küche, ein WC und ein Badezimmer einbauen, die Wand woanders aufbauen, Rohre verlegen und Wände streichen könne. Es dauerte dann 6 Wochen und kostete 11 400 Yuan, aber wir waren trotzdem noch erstaunt über die Schnelligkeit. Die Arbeiter arbeiten eigentlich acht Stunden pro Tag, doch wenn die Zeit am Schluss knapp wird, werden auch Überstunden gemacht bis Mitternacht. Da die Arbeiter vom Land kommen, in unserem Fall aus der Provinz Henan, übernachten die, die in Beijing keine Unterkunft haben, gleich auf der Baustelle. Xiao Yuan, der Vorarbeiter, hatte 1989 schon einmal ein Jahr in Beijing gearbeitet. Er ist von Beruf Tischler und arbeitet gleichzeitig auf drei Baustellen. Er sagt: „Seit Monaten arbeite ich sehr oft bis nach Mitternacht. Ich habe keine Angst vor schwerer Arbeit, ich bin nur so unausgeschlafen. Ich habe Angst, einmal zu fallen und mich zu verletzen.“ Durchschnittlich, ohne Überstunden, verdient Xiao Yuan 100 Yuan pro Tag. Die Handwerker in seinem Team sind alle aus seinem Dorf und zum Teil miteinander verwandt. Auch uns hat er nach chinesischem Brauch mit Familienbezeichungen versehen, mein Mann wurde zu seinem Bruder und ich dementsprechend zu seiner Schwägerin. Xiao Yuan ist ein sehr rechtschaffener Mann und betont immer, dass er uns nie betrügen würde, denn er hat Verständnis dafür, dass man es nicht leicht hat, wenn man so weit von zu Hause entfernt wohnt. In der Fremde, sprich Beijing, muss man zusammenhalten. Gleichzeitig aber riet er uns, unser Schloss nach den Renovierungsarbeiten austauschen zu lassen, da es so 100-prozentig klar ist, dass er und seine Mitarbeiter reingewaschen sind, sollte bei uns einmal eingebrochen werden.

Zu unserem Glück kam uns zu Ohren, dass gerade ein Baumarkt dabei war abgerissen zu werden und einen großen Abverkauf veranstaltete. Wir schafften es, an einem Tag zum halben Preis Kloschüsseln, eine Badewanne, usw zu kaufen. Wir wähnten uns im Schlaraffenland. Unsere günstigste Erwerbung war wohl das Waschbecken um 40 Yuan. Bei der Wahl des Bodenbelags und der Farbe kam die Frage der Umweltverträglichkeit auf. Wie wählt man aus, wenn auf jeder Dose Farbe gerade mit der besonderen Umweltverträglichkeit geworben wird, man aber weiß, dass die dementsprechenden Standards mit europäischen nicht zu messen sind. Besonders vermissten wir eine unabhängige Organisation für Konsumentenschutz und einen genauen Produktvergleich, den man über das Internet abrufen kann. Wir orientierten uns wieder an unseren erfahrenen Ferunden und wählten in diesem Fall bekanntere Marken aus. In China werden Wohnungen nach der fertigen Renovierung ohnehin zwei Monate gelüftet, was in unserem Fall nicht in Frage kam, da wir nicht über genügend Zeit verfügten. Eine Möglichkeit, den Vergiftungsgrad der Wohnung festzustellen, ist, eine Luftmessung vornehmen zu lassen, was man unter der Hotline der Stadt Beijing (63524189) machen lassen kann. Laut eines Berichts von www.thebeijingnews.com vom 27. April 2005 sind sich 95,5% der Einwohner Beijings bewusst, dass es durch Renovierungsarbeiten zu Umweltverschmutzung in der Wohnung kommen kann. Laut eines Berichtes des Chinesischen Zentrums für Luftqualität in Räumen leben 65% von 315 untersuchten Familien in beeinträchtigten Luftverhältnissen, bei 50% davon war die Luftqualität gesundheitsgefährdend.

Und dann zogen wir ein. Leider waren noch einige kleine Arbeiten nicht ganz erledigt. Wir organisierten einen Möbeltransport. Die Möbelpacker verdienen pro Umzug, der in unserem Fall den ganzen Tag dauerte, 8 Yuan pro Person. Sie werden dazu angehalten, drei Kisten auf einmal zu tragen, was ihren Rücken so krümmt, dass man Angst hat, sie könnten an der nächsten Stufe mit dem Gesicht streifen. Die Annahme von Trinkgeld ist ein Entlassungsgrund, ließ uns eine Freundin wissen. Also hielten wir uns zurück.

Eine Woche nach dem Umzug leben wir noch immer im Chaos, doch es lichtet sich langsam. Wir erkunden die Umgebung und versuchen, mit den Nachbarn Kontakte zu knüpfen, auf dass wir uns langsam eingewöhnen. Hoffen wir nur, dass die Renovierungsarbeiten nicht zu giftig ausfielen.

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