Juli 2004
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Die „Goldenen Wochen“ in China

Von Zhou Jian

Am 29. April dieses Jahres flogen mein Mann und ich nach Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan, um meine Eltern und meinen Bruder zu besuchen. Seit 1999 haben Chinesen zum Internationalen Tag der Arbeit am 1. Mai landesweit einen relativ langen Urlaub. Eigentlich wollten wir am 30. April abreisen. Wegen der touristischen Hauptsaison kann man aber nach der Bestimmung von Air China am 30. April und 1. Mai kein kostenloses Miles & More-Flugticket bekommen. Wenn man Nichtmitglied des Kundenklubs von Air China ist oder eine Flugkarte kaufen will, muss man für diese beiden Tage den Vollpreis zahlen. Der Flug von Beijing nach Chengdu dauert zwei Stunden. Am zweiten Tag in Chengdu machten wir einen Ausflug ins Gebirge Qingchengshan, einen heiligen Ort des Taoismus, der auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO steht und rund 60 km von der Stadt Chengdu entfernt ist. Am üppig grünen Qingchengshan war es ruhig und nicht so trocken wie in der Stadt, sehr angenehm. Wir wanderten fast fünf Stunden und nahmen schließlich von diesem schönsten Gebirge unter denjenigen, die wir bisher besucht haben, ungern Abschied. An den darauf folgenden Tagen besuchten wir mehrere Sehenswürdigkeiten in den Vororten Chengdus, die alle voller Besucher waren, denn alle hatten gleichzeitig frei. Am 7. Mai, dem letzten Feiertag zum Internationalen Tag der Arbeit, kamen wir nach Beijing zurück.

Zum Internationalen Tag der Arbeit hat man in China sieben Tage Urlaub, die „Goldene Woche“ genannt werden. Darüber hinaus gibt es seit 1999 jährlich noch zwei „Goldene Wochen“, die eine zum Nationalfeiertag im Oktober und die andere zum Frühlingsfest ca. im Februar. In Wirklichkeit hat man zu den oben erwähnten drei Festen jeweils nur drei Tage frei, die zu einer Woche verlängert werden. Eine Folge davon ist, dass man vor oder nach einer „Goldenen Woche“ mehr als fünf Tage in einer Woche über das Wochenende arbeiten muss, um diese Tage wieder einzuarbeiten.

Kurz nach der „Goldenen Woche“ des Internationalen Tages der Arbeit dieses Jahres begannen wie üblich alle Provinzen, alle regierungsunmittelbaren Städte und autonomen Gebiete, eine „Bilanz“ vorzulegen. In der Presse waren viele Daten über den Tourismus während der „Goldenen Woche“ zu finden. Bereits am 8. Mai gab das Staatliche Büro für Feste und Urlaube bekannt, dass vom 1. bis zum 7. Mai landesweit insgesamt 121 Mio. Eintrittskarten verkauft wurden. Die Einkommen daraus betrugen 46,7 Mrd. Yuan. Die beiden Zahlen hatten im Vergleich zum vorigen Jahr in großem Maßstab zugenommen. Diese Zahlen belegen, dass die „Goldene Woche“ ihren Namen verdient hat. Damit ist das Ziel des Staates, mit Hilfe von langen Urlauben den Konsum anzuregen und die Nachfrage im Inland zu fördern, völlig erreicht worden.

Vor der Durchführung des Systems der „Goldenen Wochen“ hatten Chinesen pro Jahr wenig Urlaub. Wenn man beispielsweise weniger als zehn Jahre gearbeitet hatte, bekam man jährlich nur sieben Tage Urlaub, wenn man mehr als zehn Jahre gearbeitet hatte, hatte man 10 bis 20 Tage Urlaub im Jahr. Aber auch diesen wenigen Urlaub konnte und kann man ab und zu aus verschiedenen Gründen nicht genießen. Neben diesem Arbeitsurlaub gab es noch insgesamt wenige Feiertage zu Neujahr, dem Frühlingsfest, dem Internationalen Tag der Arbeit und dem Nationalfeiertag. Die Nachfrage nach Reisen wurde lange Zeit unterdrückt und brach darum in den „Goldenen Wochen“ des ersten Jahres wie Erdöl aus einem Bohrloch hervor. Daraus haben die Branchen wie Tourismus, Einzelhandel und Dienstleistung riesige Profite erzielt. Gerade aus diesem Grund werden die drei siebentägigen Urlaube „Goldene Wochen“ genannt.

Aber alle Dinge haben zwei Seiten. Bis heute hat die Durchführung des Systems der „Goldenen Wochen“ auch viele Probleme mit sich gebracht, so dass immer mehr Chinesen, Experten und Gelehrte eingeschlossen, die Meinung vertreten, dass das Urlaubssystem der „Goldenen Wochen“ so bald wie möglich abgeschafft werden soll. Die Nachteile der „Goldenen Wochen“ sind hauptsächlich wie folgt:

Erstens werden dadurch die touristischen Ressourcen in gewissem Maße zerstört. Die Überzahl der Touristen, die zur gleichen Zeit kommen, belastet die Sehenswürdigkeiten kritisch und schädliche Einflüsse sind nicht zu vermeiden.

Zweitens wird den Interessen der Touristen geschadet. Während einer „Goldenen Woche“ gibt es bei Sehenswürdigkeiten große Menschenansammlungen, wodurch man die Reise überhaupt nicht genießen kann. Beispielsweise musste man sich laut eines Berichtes der Xinhua-Nachrichtenagentur bei manchen Sehenswürdigkeiten bei der Toilette mindestens 20 Minuten anstellen. Viele berühmte Sehenswürdigkeiten seien völlig von Menschen verstopft gewesen. Weil außerdem die Nachfrage in den „Goldenen Wochen“ das Angebot bei weitem übertrifft, steigt der Preis in großem Maßstab.

Drittens sind die Verkehrseinrichtungen überbelastet, indem Millionen und aber Millionen von Chinesen zur gleichen Zeit zu verschiedenen Reisezielen strömen. Dabei kann die Sicherheit auch nicht garantiert werden.

Viertens wird ein Teil des Inlandtourismus ins Ausland abgeleitet. Wegen der Reisen, die durch hohe Preise und niedrige Qualität gekennzeichnet sind, haben viele Chinesen keine Lust mehr bzw. Angst davor, in einer „Goldenen Woche“ im Inland zu reisen. So reisen immer mehr Chinesen zu dieser Zeit ins Ausland oder bleiben ganz einfach zu Hause, wobei sie nur Ausflüge in die Vororte machen. Da China ein bevölkerungsreiches Land ist, können zur Zeit noch beträchtliche Profite aus dem Tourismus in den „Goldenen Wochen“ erzielt werden. Aber der Tourismus dieser Art kann sich nicht nachhaltig entwickeln.

Fünftens wirken sich die „Goldenen Wochen“ nachteilig auf die gesunde Entwicklung des Tourismus aus. Wenn eine „Goldene Woche“ vor der Tür steht, muss man viele vorübergehende Mitarbeiter in den damit zusammenhängenden Branchen anstellen, wie Reiseführer und Touristenbusfahrer. Danach gehen diese Leute einer anderen Arbeit nach. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass viele vorübergehende Angestellte keinen Wert auf ihre Berufsmoral und ihren Ruf legen, weswegen gegen sie häufig Beschwerden über ihren schlechten Service vorgebracht werden. Außerdem müssen die Tourismusgebiete wegen der „Goldenen Wochen“ nach dem „Spitzenwert“ ihre Serviceeinrichtungen aufbauen, die außerhalb der „Goldenen Woche“ zum größten Teil ungenutzt bleiben.

Darüber hinaus stört das Urlaubssystem der „Goldenen Wochen“ das Leben der Studenten in gewissem Maße. Die „Goldenen Wochen“ jeweils zum Internationalen  Tag der Arbeit im Mai und zum chinesischen Nationaltag im Oktober sind keine regulären Universitätsferien. Die meisten Studenten sind nicht einheimisch und können sich keine Reise leisten. So bleiben sie während einer „Goldenen Woche“ im Campus. Nach der Reform des Bildungswesens haben die Studenten heute in China viel Schulgeld und Geld für die Unterkunft zu zahlen, was für viele Familien eine große Belastung ist. Aus diesem Grund heißen Studenten, insbesondere diejenigen aus armen Familien, die „Goldenen Wochen“ nicht willkommen.

Chinesen erwarten, dass ein vernünftigeres Urlaubssystem, in dem man pro Jahr mehrere Wochen Urlaub mit Bezug von Gehältern und Löhnen hat, die man in einer selbst gewählten Zeit genießen kann, möglichst bald in Gang gesetzt wird.

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