Juli 2004
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Mo Zi und seine Lehre

Von Hou Jueliang

Vor mehr als zweitausend Jahren, im Zeitraum zwischen 475–221 vor Christus, fanden im heutigen China häufig Kriege statt. Das Land bestand aus verschiedenen Fürstentümern, die Krieg gegeneinander führten, um sich gegenseitig zu erobern. Dies hatte zur Folge, dass die Wirtschaft zum Erliegen kam. Das Volk war gegen Krieg und so entstand eine Antikriegslehre. Ihr wichtigster Vertreter war Mo Zi (497–381 vor Christus), auch Meh Ti oder Mo Tse genannt.

Über seine Persönlichkeit

Mo Zi war Militärstratege und Philosoph. Auch interessierte er sich für die Gebiete der Optik, Geometrie und Logik. Seine Weisheit und Tapferkeit werden in vielen Geschichten gerühmt. Eine davon trägt den Titel „Dem Fürsten von Chu zureden, auf den Angriff gegen die Song zu verzichten“:

Im fünften Jahrhundert vor Christus versuchte der Fürst des großen Fürstentums Chu, das zahlreiche Einwohner hatte, das im Norden von ihm befindliche, kleine Fürstentum Song einzunehmen. Der Chu-Fürst bat Gongshu Ban, einen genialen Baumeister des Fürstentums Lu, einen Wagen mit einer faltbaren Leiter, mit dem man Festungsmauern erstürmen konnte, zu bauen. Als Mo Zi dies erfuhr, beschloss er, den Chu-Fürsten zu besuchen, um ihm zuzureden, auf den Angriff gegen das Fürstentum Song zu verzichten. Dieses Fürstentum lag am Unterlauf des Gelben Flusses, sehr weit vom Fürstentum Chu entfernt. Mo Zi musste einen zehn Tage langen Fußmarsch hinter sich bringen, um die Residenz des Chu-Fürsten zu erreichen. Bei der Audienz überfiel der zungenfertige Mo Zi den Chu-Fürsten mit einer Frage: „Heute gibt es einen gewissen Mann. Er versuchte seinem Nachbarn einen bescheidenen Wagen in Besitz zu stehlen, obwohl er einen Prunkwagen in Besitz hat; er hat die Absicht, seinem Nachbarn Kleider aus grobem Stoff zu entwenden, obwohl er einen eleganten Seidenanzug hat; er genießt täglich wohlschmeckende Speisen, versucht aber seinem Nachbarn grobe Nahrungsmittel wegzunehmen. Welchen Charakter hat er?“ Der Fürst von Chu antwortete: „Das ist ein gemeiner Dieb!“ Im Anschluss daran wies Mo Zi darauf hin, dass der Fürst von Chu so ungerecht wie dieser Dieb wäre, wenn er den kleinen und schwachen Staat Song angreifen würde. Der Chu-Fürst konnte Mo Zi nicht widerlegen und gab nach. Aber er wollte dennoch den Angriff gegen Song nicht aufgeben. Er nahm die neue Waffe, die Gongshu Ban entworfen hatte, zum Vorwand, indem er sagte, sie angeblich einem Test unterziehen zu wollen. Nun nahm Mo Zi seinen Gürtel ab und bildete damit eine symbolische Stadtmauer. Als symbolische Verteidigungswaffen wurden Essstäbchen benutzt. Er ließ Gongshu Ban die Stadt angreifen. Neunmal versuchte Gongshu Ban die Stadt zu nehmen, aber jedesmal misslang es ihm. Aus Scham über die Blamage wegen dieser Niederlage wollte er seinen gefährlichen Gegner ermorden. Doch durchschaute Mo Zi rechtzeitig die Intrige Gongshu Bans und sagte furchtlos: „Es hilft Euch auch nicht, mich zu töten. Meine dreihundert Schüler sind schon bereit, die Hauptstadt von Song zu verteidigen. Selbst wenn ich tot bin, wird meine Verteidigungstaktik doch weiter existieren.“ Da ein Angriff aussichtslos erschien, verzichtete der Chu-Fürst darauf, das Fürstentum Song zu erobern. Er sagte zu Mo Zi: „Ihr habt recht. Ich werde keinen Feldzug gegen Song unternehmen.“

Ein Philosoph der Armen

Im Gegensatz zu Konfuzius, dem Sohn einer adligen Familie, stammte Mo Zi aus einer Familie niederen Standes. Da er ein aus dem einfachen Volk hervorgegangener Gelehrter war, hatte er eine starke Bindung zu dem Landvolk, Handwerkern und anderen arbeitenden Menschen. Er hatte Mitleid mit den Armen, die ein kümmerliches Leben führten. Er sagte: „Das Volk hatte dreifach zu leiden: Hunger, Mangel an Kleidung und Sklavenarbeit! Lange Zeit lebte er unter einfachen Menschen und lernte so ihr hartes Leben kennen. Daraus ergab sich seine Lehre, die den Interessen, Ansprüchen und Wünschen der Armen entsprach.

Mo Zi lag das Erziehungswesen am Herzen

Nach Konfuzius war Mo Zi ein weiterer Pädagoge im Altertum Chinas, der sich um das Erziehungswesen bemühte. Seine Schüler waren „überall unter dem Himmel“ zu finden. Die von ihm gegründete Schule, eine der wichtigsten von damals, stand im Wettbewerb mit der des Konfuzius. Sie war ein gut organisierter Gelehrtenbund. Der Führer dieser Schule, „Meister“ genannt, wurde von den Schülern gewählt. Mo Zi war der erste „Meister“. Die Mitglieder dieser Schule waren sehr diszipliniert, handelten nach einem festen Aktionsprogramm, traten für die Gerechtigkeit ein und waren vom Geist der Aufopferung erfüllt. Sie trugen Kleider aus grobem Stoff und Strohsandalen, arbeiteten fleißig und ließen sich nicht von Schwierigkeiten abschrecken. Innerhalb der Schule herrschten Harmonie und Freundschaft. „Wer Kraft hat, setzt sie für andere ein“, „Wer Reichtum hat, teilt ihn mit anderen“ und „Wer mehr Kenntnisse hat, bringt sie anderen bei“, war ihre Richtschnur.

Die Zersplitterung der Mo Zi-Schule

Nach dem Tode von Mo Zi spaltete sich seine Schule in drei Gruppen und verschwand allmählich völlig. Das lag hauptsächlich daran, dass die Herrscher des Landes die Lehre von Mo Zi nicht anerkannten und unterstützten, weil sie ja im Dienste des Kampfes für die Armen stand. Erst im 19. Jahrhundert, als die demokratische Revolution Chinas sich entwickelte, gewann die Lehre von Mo Zi wieder an Bedeutung. Der Geist des einfachen Volkes, ein wichtiger Bestandteil der Lehre von Mo Zi, stand im Einklang mit der demokratischen Revolution. Mo Zi schrieb sehr viel. Fast alle seine Werke, mit Ausnahme des Mo Zi, das 53 Artikel enthält, ging jedoch verloren.

Die Lehre von Mo Zi

Im Gegesatz zu Konfuzius, der für die „Mildtätigkeit“ sprach, und Yang Zhu, der die Nützlichkeit befürwortete, bildete Mo Zi eine Einheit von Mildtätigkeit und Nützlichkeit. Konfuzius meinte: „Die Mildtätigkeit ist die Menschenliebe“. Er stellte die Mildherzigkeit im Gegensatz zur Nützlichkeit. Die Mildtätigkeitslehre von Konfuzius, eine fast leere, scholastische Phrase, bezog sich nicht auf die Interessen des einfachen Volks. Yang Zhu, ein Zeitgenosse von Mo Zi, lehnte die Mildtätigkeitslehre ab. Er stellte die Nützlichkeitslehre, die sogenannte „Philosophie im Interesse des Ich“, auf. Er war der Ansicht, es lohne sich nicht, „ein Haar auszureißen, um den anderen unter dem Himmel zu nützen“. Yang Zhus Lehre, ein unumwundener Ausdruck des Utilitarismus, hatte in der Geschichte dennoch fortschrittliche Bedeutung, weil sie zur Stärkung der Bemühungen der Ausgebeuteten, sich um das eigene Leben und die eigenen Interessen zu kümmern, beitrug.

Mo Zi trat für die Einheit von Mildtätigkeit und Nützlichkeit ein. Das Ziel seiner Losung „Nützliches unter dem Himmel fördern! Mit Schädlichem brechen!“ war die Verbesserung des Lebens der Armen. Die Kernpunkte der Lehre von Mo Zi sind die „gegenseitige Liebe“ und der „Verzicht auf den Angriffskrieg“:

Die gegenseitige Liebe. Mo Zi lebte zu einer Zeit der Kriegswirren. Die großen Staaten griffen die kleinen an; die großen Familien ruinierten die kleinen; die Mächtigen beraubten die Schwachen; die Mehrheit tyrannisierte die Minderheit; die unehrlichen Menschen betrogen die ehrlichen. Alle diese Missstände entstanden aus dem Mangel an „gegenseitiger Liebe“, meinte Mo Zi. Zwischen König und Untertanen, zwischen Vater und Sohn, zwischen Brüdern, Familien und Staaten sowie zwischen den einzelnen Personen bestand keine gegenseitige Liebe, sondern nur Eigenliebe und gegenseitige Beeinträchtigung. Dies war Grund für Mo Zi, die Lehre der geigenseitigen Liebe aufzustellen. Er sagte: „Besteht unter dem Himmel gegenseitige Liebe, so besteht zwischen den Staaten kein gegenseitiger Angriff und zwischen den Familien keine gegenseitige Bekämpfung; dann gibt es keine Diebstähle, und so lieben sich Könige und Untertanen, Väter und Söhne gegenseitig. Erst dann ist die Welt in Ordnung.“ Er kam zur Schlussfolgerung: „Die gegenseitige Liebe führt die Ordnung herbei. Der Widerstreit verursacht Unordnung.“ Vom moralischen Aspekt her untersuchte Mo Zi die Ursache der Unordnung und stellte das Prinzip der „gegenseitigen Liebe“ und des „gegenseitigen Nutzens“ auf. Wie war dieses Prinzip durchzuführen? Mo Zi setzte seine ganze Hoffnung auf die Herrscher. Er glaubte, dass sie ihr Bestes tun würden, um die Unordnung zu beseitigen. Offensichtlich war dies reine Phantasie! Mo Zi sagte: „Man darf nicht nachlassen, die Menschen von der Wichtigkeit gegenseitiger Liebe zu überzeugen.“ Die Lehre der Menschenliebe von Mo Zi und die von Konfuzius sind unterschiedlich. Konfuzius teilte die Menschen in Vertraute und Nichtvertraute, in Adlige und Niedrige ein. „Die Menschenliebe gilt nur den Vertrauten und Adligen“, meinte er, „Die Liebe ist je nach der Kaste unterschiedlich“. Die Menschenliebe gälte, meinte Mo Zi, allen Menschen, egal, ob sie Vertraute oder Nichtvertraute, Adlige oder Niedrige wären, und sollte nicht durch die Kasten beschränkt werden. Die Mildtätigkeitslehre von Mo Zi übertraf die von Konfuzius.

Der Nichtangriff. Nach der Meinung Mozis war der Krieg das „größte Übel“ auf Erden. Er sagte: „Bricht im Frühling der Krieg aus, schadet er dem Ackerbau; bricht er im Herbst aus, schadet er der Ernte. Im Krieg werden Reichtümer verschwendet, Schaden am Rinder- und Pferdebestand angerichtet, sowie viele Opfer an Leben unter Soldaten und der Zivilbevölkerung gefordert. Um dieses größte Übel zu beseitigen, verurteilte er den Krieg. Damit wurde der ungerechte Krieg gemeint, den die großen Staaten den kleinen erklärten, nicht der gerechte Krieg, den das Volk gegen seinen Diktator führte. Bemerkenswert ist, dass Mo Zi den Unterschied zwischen dem ungerechten und dem gerechten Krieg einsah. Aber er erkannte noch nicht, dass die einzelnen feudalen, separatistischen Fürstentümer nur durch den Krieg vereinigt werden konnten. Deshalb war der von ihm befürwortete Nichtangriff unmöglich.

Gegen das Luxusleben der Herrscher und aufwendige Begräbnisse. Mo Zi förderte die Sparsamkeit und das einfache Begräbnis. Auf Kosten der arbeitenden Menschen lebten die Herrscher in Saus und Braus. Nach dem Tode wurden sie feierlich begraben. Die Grabbeigabe bestand aus Juwelen, Gold- und Silbergegenständen, sogar aus lebenden Menschen. Bei einem einzigen Begräbnis wurden einzelne, doch auch einige Dutzend oder Hunderte von Menschen lebendig mit begraben.

Die Lehre von Mo Zi wurde in einen naturreligiösen Schleier gehüllt. Er sprach gern über den Himmel und Dämonen und vermenschlichte sie, um sich selbst zu helfen. Konfuzius sprach nicht gern über Dämonen. Glaubte Mo Zi, dass es wirklich einen Himmelsgott und Dämonen gäbe? Vielleicht nicht, obschon er sagte: „Der Himmel hat den Willen, die Güte zu belohnen und die Gewalt zu bestrafen“ und „Wenn der Sohn des Himmels (Kaiser) gütig ist, wird er vom Himmel belohnt; ist er tyrannisch, wird er von ihm bestraft.“ Mo Zi versuchte mit Hilfe des Himmels als Argument den Kaiser daran zu hindern, sein Unwesen zu treiben. Er forderte vom Kaiser, sich „dem Willen des Himmels“ zu ergeben und eine „gerechte Politik“ zu machen. Er hob hervor, dass die gegenseitige Liebe, die Nützlichkeit und der Friede der „Wille des Himmels“ wäre, und dass die Beseitigung der Unordnung die Förderung des sparsamen Lebens und des bescheidenen Begräbnisses sowie die Heranziehung aller Befähigten zu den gerechten politischen Maßnahmen gehörten. Er forderte vom Kaiser, sie durchzuführen. In Wirklichkeit war es irreal, den Kaiser veranlassen zu wollen, sich von seiner Lehre leiten zu lassen.

Eine weitere Absicht seiner Dämonen-Lehre war es, die schlechten Leute (untreue Untertanen, ehrfurchtslose Kinder, Räuber, unfähige Beamte und Faulenzer) zu warnen. Sie hätten nicht gewusst, dass die Dämonen die Güte belohnen und die Gewalt bestrafen könnten, meinte Mo Zi.

Gegen den Schicksalsglauben von Konfuzius

Konfuzius war ein Anhänger des Fatalismus. Seiner Ansicht nach war es vom Schicksal bestimmt, dass er sein politisches Programm nicht durchführen konnte. Als er erfuhr, dass einer seiner engsten Schüler jung starb, sagte er, das Schicksal habe seinen Lauf genommen. Ein fanatischer Schüler von Konfuzius entwickelte seinen Fatalismus zu einer Doktrin: „Tod und Leben werden vom Schicksal bestimmt; ob man reich und adlig ist, hängt vom himmlischen Mandat ab“. Mo Zi trat gegen den Schicksalsglauben auf. Ob man eine hohe oder niedrige Herkunft habe, ruhmvoll oder diskriminiert, arm oder reich sei, hungern müsse oder sich satt essen könne, frieren müsse oder warm angezogen sei – das alles wäre nicht schicksalsbedingt, meinte Mo Zi, der Mensch könnte den Status quo verändern, das Schicksal wäre nicht Herrscher über den Menschen. Damit reduzierte Mo Zi die Rolle des Schicksals zur Bedeutungslosigkeit, was den wichtigsten Bestandteil seiner Lehre darstellt.

In materialistischem Glanz strahlend spornte Mo Zis Lehre die Unterdrückten an, ein besseres Dasein zu erkämpfen. Die Nachwelt wurde von ihr inspiriert.

Aus China im Aufbau, Nr. 6, 1986

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