März 2004
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Wirtschaft

Was essen echte Revolutionäre?

Von Inesa Pleskacheuskaya

Die Küche Westchinas ist sehr scharf. Ihr besonderer Geschmack kommt von rotem Chili, einer Zutat, die zum ersten Mal von spanischen Händlern im 17. Jahrhundert nach China gebracht worden war. Aber die Sichuan-Küche war schon lange vor Ankunft der Spanier scharf. Eine Gedichtsammlung des alten Reiches Chu namens Elegy to the South enthüllt, dass Einwohner dieses Gebiets seit 300 v. Chr. mit Sichuan-Pfeffer, Kassia (lokalem Zimt), bitterem Beifuß und anderen Gewürzen kochen. Texte, die in Gräbern der Han-Dynastie (206 v. Chr. – 220 n. Chr.) gefunden wurden, beschreiben auch reichhaltige, verschiedenartige und exquisite Gerichte, die mit exotischen Gewürzen zubereitet wurden. Heute ersetzen Chili und Knoblauch einige der Gewürze aus alten Zeiten, aber Sichuan-Pfeffer, Kassia, Sternanis, Fünfgewürz und Koriander kommen noch immer in der lokalen Sichuan-Küche vor.

Der Hauptzweck der Küche Nordchinas ist, die Körperwärme bei kaltem Wetter zu erhalten. Sichuan-Gerichte andererseits zielen darauf ab, den Körper von innen zu trocknen und berücksichtigen dadurch die hohe Luftfeuchtigkeit dieses Gebiets. Im Winter wärmt Chili den Körper von innen, beschleunigt die Blutzirkulation, fördert den Stoffwechsel und beschleunigt die Verdauung. Da Nahrungsmittel sich in warmem Klima nicht lange halten und der Kühlschrank eine relativ neue Erfindung ist, wie haben die chinesischen Vorfahren ihr Essen dann vor dem Verderben bewahrt? Mit Chili: einem verlässlichen Bakterienzerstörer.

Die Provinz Sichuan ist mit einem subtropischen Klima und exzellenter Bewässerung gesegnet, deshalb gibt es das ganze Jahr lang frische Nahrungsmittel. Die Hauptnahrungsmittel der Lokalküche sind Reis, Fadennudeln, Schweinefleisch, Kohl, weißer Rettich, Süßwasserfisch und Tofu. Mit Bambuswöldern bedeckte Berge sind der Lebensraum des Pandabären, dem Wahrzeichen Sichuans und Chinas. Ihr Hauptnahrungsmittel ist Bambus und gleichzeitig ein bevorzugtes Element des menschlichen Konsums gemeinsam mit den verschiedenen Pilzarten, einheimischen Kräutern und Pflanzen, die die lokalen Speisetische bereichern.

Diese Bergregion ist auch reich an Nüssen, besonders an Walnüssen, Ginkgo-Nüssen und Pinienkernen. Lange harte Winter zwingen die Sichuaner, Gemüse einzulegen, was sie mit Salz, Essig und Öl und – natürlich! – dem unabdingbaren Chili bewerkstelligen.

Der Vorsitzende Mao Zedong wurde in Hunan geboren und verlor nie seine Liebe zu der lokalen, scharfen Küche und bestand darauf: „Diejenigen, die keine scharfen Gerichte essen, sind keine echten Revolutionäre.“ Es ist nur einige Jahrzehnte her, dass echte Revolutionäre zeitweise in Sichuan stationiert waren, deshalb ist es keine Überraschung, dass der Ruhm der lokalen Küche sich über ganz China ausgebreitet hat, gemeinsam mit den kommunistischen Idealen und der Macht des Volkes.

Leute von Sichuan sind beim Kochen sehr einfallsreich und haben viele ungewöhnliche Rezepte erfunden. Es gibt eine lokale Geschichte über jemanden, der einmal ein paar kleine Karauschen in einen Krug mit Eingemachtem warf, um eine unverkennbare Schärfe zu einem schon scharfen Gericht hinzuzufügen. Diese ungewöhnliche Soße, wird „Fischpfeffer“ genannt, zu Zwiebeln, Ingwer, Knoblauch, Sojasoße, Salz, Zucker und Essig hinzugefügt und schafft eine eigene Reihe von Gerichten mit „Fischaroma“.

Die Sichuan-Küche umfasst mehr als zwanzig Zubereitungsmethoden, trotzdem sind die Gewürze, die darin verwendet werden, grundsätzlich die gleichen, nur die Hauptzutaten wechseln. Eine Zubereitungsmethode kann deshalb eine ganze Reihe von Gerichten kreieren.

Wenn ich an die Sichuan-Küche denke, fällt mir sofort Yuxiang Rousi ein, Schweinefleischstreifen mit Fischaroma. Es ist das erste Gericht, dass ich auf Chinesisch bestellt habe und es ist mein Lieblingsgericht. Ich bestelle es in jedem neuen Restaurant, in das ich gehe, da jeder Koch seine eigene Spezialität hinzufügt und es jedes Mal ein wenig anders schmeckt. Das ist eigentlich einer der Gründe, warum ich chinesisches Essen so gerne mag, und die Sichuan-Küche besonders: wegen der Überraschungen und Entdeckungen, die sich auch in den Standardgerichten verstecken.

 

Inesa Pleskacheuskaya ist Büroleiterin des Beijinger Büros der weißrussischen nationalen Zeitung Belarus Today und des nationalen Fernsehsenders ONT.

 

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