Februar 2004
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Tausendjährige Fresken auf der „Seidenstraße“

Bei Kezir im Kreis Baicheng im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang, dem ehemaligen größten Stadtstaat Qiuci der „westlichen Gebiete“ Chinas, wurde eine Stätte der buddhistischen Kultur, die „Tausend-Buddha-Höhle“ genannt, gefunden.

Nach geschichtlichen Aufzeichnungen kam der Buddhismus im 1. Jahrhundert, zur Zeit des Han-Kaisers Ming Di, über die Seidenstraße nach Xinjiang. Im 4. Jahrhundert hatte die buddhistische Kultur im Königreich Qiuci bereits einen großen Einfluss. Zahlreiche majestätische und herrliche Klöster schossen aus dem Boden. „Buddha-Höhlen“ wurden aus den Berghängen ausgehoben. Sogar der Palast des Königs wurde wie ein Kloster ausgestattet. Im 7. Jahrhundert erreichte der Buddhismus den Höhepunkt in Qiuci, ging aber dann allmählich zurück, bis er im 13. Jahrhundert durch den Islam ersetzt wurde. So existierte der Buddhismus in Qiuci insgesamt 1000 Jahre.

Die „Tausend-Buddha-Höhlen“ reihen sich ordentlich übereinander, so dass sie wie eine Bienenwabe oder wie ein Leopardenfell mit ringförmigen schwarzen Flecken wirken. Etwa 300 Höhlen wurden bereits erforscht und numeriert. Sie dienten einst verschiedenen Zwecken. Hier veranstalteten Mönche und Nonnen religiöse Zeremonien, meditierten oder predigten die Sutren. Es gibt auch Höhlen, wo sie wohnten oder ihre Aschenkrüge oder Lebensmittel aufbewahrten. Diese Höhlen bildeten ein vollständiges und umfassendes Klostersystem. Nach Dunhuang besitzt Kezir die zweitgrößte Freskensammlung Chinas. Die Fresken von Kezir, die etwa 10 000 m2 der Wände und Decken der Höhlen bedecken, zeigen Buddha, Bodhisattwas, fliegende Tänzerinnen und Musiker des Himmlischen Reiches. Dargestellt werden auch buddhistische Geschichten, Sitten und Gebräuche der Bevölkerung, Produktion und Alltagsleben sowie betende Gläubige, wilde Tiere und anderes. In diesen meisterhaften Werken vergegenwärtigen sich die Geschichte und das Leben der Bevölkerung Xinjiangs im Zeitraum zwischen dem 3. und 13. Jahrhundert.

Eine etwa 30 m hohe Treppe führt zu einem hängenden Wandelgang, der die Höhlen miteinander verbindet. Die Höhle Nr. 7, deren Fresken hauptsächlich Motive aus buddhistischen Geschichten behandeln, besteht aus einem relativ geräumigen Vorraum und einem niedrigen und schmalen Hinterraum. Hier wurden religiöse Zeremonien abgehalten. An den Wänden und Decken der beiden Räume und des Korridors sowie an der Vorderseite der Nische sind bunte Bilder zu sehen. Die Fresken an den Decken werden jeweils durch einen Rhombus voneinander abgegrenzt. Dargestellt werden Menschen und Tiere. Im Hintergrund sieht man eine Berg- oder eine Flusslandschaft. Die Motive der Fresken stammen nicht zuletzt aus dem leidvollen Leben des gutherzigen Schakjamuni vor seiner Wiedergeburt. Ein Motiv aus dem Jataka-Sutra zum Beispiel ist bedeutungsvoll: Ein Mann umwickelt sich mit eingeöltem weißem Filz der Arme, zündet den Filz an und erhebt dann die Arme. So erleuchtet er den Weg für eine Kamelkarawane. Die zwei vollbärtigen Kulis der Karawane, die beide eine spitze Mütze, ein Paar hohe Stiefel und einen offenen, mit einem Gürtel zusammengehaltenen Kaftan tragen, jubeln, denn sie können sich in der Nacht beim Licht der „Filzfackeln“ nicht in der endlosen Wüste verirren. Anhand dieses religiösen Bildes kann man sich vorstellen, dass die Kamelkarawanen einerseits auf der Seidenstraße enge Kontakte miteinander unterhielten. Die Karawanen baten die Mönche und Nonnen, Gott um eine glückliche Reise für sie zu bitten, und gaben ihnen als Gegenleistung Geldspenden oder beschenkten sie mit Gebrauchsartikeln. Wenn die Mönche und Nonnen zum Studium nach Indien pilgerten oder sich zum Predigen der Sutren nach Chang’an, der Hauptstadt des damaligen China, oder nach Luoyang, dem damaligen Kulturzentrum des Reiches, begaben, waren die Kamelkarawanen ihre Reisegefährten.

Im Gegensatz zu den Fresken, die die „Tausend-Buddha-Höhlen“ in Dunhuang aufweisen, wird eine einzelne buddhistische Geschichte nicht in einer Serie von Bildern, sondern in einem einzigen rohmbischen Fresko dargestellt. Zum Beispiel umfasst das buddhistische Sutra über das Leben Schakjamunis vor seiner Wiedergeburt mehr als 200 Seiten. Aber ein einziges Fresko in der Höhle Nr. 17 in Kezir stellt die ganze Geschichte des Affenkönigs dar, der Schakjamuni vor seiner Wiedergeburt war. Im Bild sieht man die folgende Szene: Der Affenkönig hält mit den Armen einen Baum an einem Ufer eines Wildbachs und mit den Füßen einen Baum am anderen Ufer und bildet so eine „Brücke“. Die kleinen Affen, von einem mit Bogen und Pfeilen bewaffneten Jäger verfolgt, laufen über diese „Brücke“, um zu entfliehen. Der Affenkönig sieht erschöpft aus und scheint nicht mehr aushalten zu können, wendet aber besorgt sein Gesicht, ob die schwachen Kleinen alle schon den Bach überquert haben. Nach fachmännlicher Auffassung sind die besten Fresken der „Tausend-Buddha-Höhlen“ von Kezir diejenigen, die Motive aus dem Leben Buddhas vor seiner Wiedergeburt behandeln. Bisher weiß man schon, dass es 60 bis 70 Fresken mit solchen Motiven gibt, also doppelt so viel wie in den Höhlen von Dunhuang, Longmen und Yungang.

Bei den Fresken von Kezir wurden Mineralfarben benutzt, so dass die Bilder besonders farbenprächtig und nuancenreich sind. Auf rostrotem Grund wurden in blassroter, fahlweißer und hauptsächlich smaragdgrüner Farbe Menschenbildnisse gemalt. Dabei hob man den Kontrast zwischen den kalten und warmen Farben sowie den Unterschied in Helligkeitsgrad hervor. Da der Buddhismus sich allmählich nach Osten ausbreitete, wurden die Wandmalereien von Dunhuang und die Feinzeichnung, eine Art der traditionellen chinesischen Malerei, von der oben erwähnten Maltechnik beeinflusst. Die Menschenbildnisse von Kezir wirken dreidimensional. Das zeugt davon, dass sie, durch die traditionelle indische Malerei, die den Körperbau des Menschen betont, und durch das griechische Schönheitsideal inspiriert, geschaffen wurden. So unterscheiden sie sich von den Menschenbildnissen im Stil der traditionellen chinesischen Malerei. Aber sie sind rostrot und schwarz konturiert und wiesen eine gleich kräftige Linienführung auf, was zu den Besonderheiten der traditionellen chinesischen Malerei gehört. Am typischsten dafür sind die Bilder der fliegenden Feen an der Decke des hinteren Raums der neu gefundenen Höhle Nr. 1. Die Linienführung ihrer Füße ist so kräftig, als ob sie aus Eisendrähten geflochten worden wären.

Die Fresken von Kezir spiegeln nicht nur die Entwicklung und den Untergang des Buddhismus in diesem Gebiet sowie die Sitten und Gebräuche der Bevölkerung des damaligen Stadtstaats Qiuci wider, sondern sie sind auch eine Verbindung von chinesischer, griechischer und indischer Zivilisation.

Aus China im Aufbau, Nr. 4, 1985

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