Der
(abgelehnte) Bestseller
Von
Atze Schmidt
Das dickste
Lob kam von Mo Yan, dem Autor des verfilmten Weltbestsellers
„Das rote Kornfeld“. Er bescheinigte seinem Schriftstellerkollegen
Alai, Jahrgang 1959, ein Meisterwerk geschrieben zu haben:
„Ein Werk wie ,Roter Mohn‘ hat es in der chinesischen Literatur
noch nicht gegeben!“
Inzwischen kennen in China Millionen von
Menschen den tibetischen Fürsten Maichi und seinen Clan, insbesondere
seinen zweiten Sohn, von dem es heißt, er sei ein Idiot.
Dass der jedoch alles andere als ein Idiot ist, beweist sein
geistiger Vater Alai, indem er ihn auf 440 Seiten das Leben
in einem Tibet der Zeitenwende beobachten und erzählen
lässt. Der zweite Sohn des Fürsten Maichi bleibt im Buch
namenlos, wird in seinen Schilderungen aber ungeheuer lebendig,
und voll von Leben, Liebe, Hass und Leidenschaft in ihren
unterschiedlichsten Formen ist auch das, was er uns berichtet.
Das chinesische Fernsehen hat den farbigen
Stoff rasch zu einer Serie verarbeitet und zur besten Sendezeit
ausgestrahlt. Und das Buch, im Jahr 2000 mit dem wichtigsten
chinesischen Literaturpreis, dem Mao-Dun-Preis, ausgezeichnet,
verkauft sich in China hervorragend. Dabei sollte es erst
überhaupt nicht erscheinen. Mehrere chinesische Verlage hatten
eine Veröffentlichung „wegen der heiklen politischen
Thematik“ abgelehnt. Als der Roman dann 1998 im „Literaturverlag
des Volkes“ in Beijing erschien, stand er sogleich auf der
Bestsellerliste. Die Schadenfreude gegenüber jenen, die in
übergroßer Ängstlichkeit der Entwicklung in China
hinterher hinken, sie damit sogar behindern, war in der Literaturszene
hautnah zu spüren.
Der Roman „Roter Mohn“ hat alles, was ihn
dazu prädestiniert, ein Weltbestseller zu werden: die
zupackende Sprache, die zum Leben erwachenden Figuren und
die Story „zwischen dem duftenden Reich der Mythen und den
düsteren Bildern der Geschichte“, wie die New York Times es
formulierte.
Alai:
„Roter Mohn“, Unionsverlag Zürich, 440 Seiten, 23 Euro