Bäuerliche
Wanderarbeiter in Beijing
Von Mitarbeiter Zhang Yuan


Angezogen
durch die besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen, verlässt
eine große Anzahl von chinesischen Bauern ihre ländliche
Heimat, um in die Stadt zu gehen. Sie haben keine andere Wahl,
als schlecht bezahlte Hilfsarbeiten anzunehmen, da die meisten
nur die Unterstufe der Mittelschule besucht haben. Das tun
sie ohne sich zu beschweren, da sie ihr Geld so noch immer
leichter verdienen als auf dem Land.
Xiao
Cui (Straßenfeger): „Ich will gerade genug verdienen,
um zu heiraten und einen kleinen Handel zu betreiben.
Es
ist 4 Uhr früh und während die Beijinger noch schlafen,
tritt Xiao Cui in die Pedale seines Arbeitsdreirads mit Anhänger,
der vollgestopft mit Besen und anderen Putzutensilien ist,
und fährt entlang der ausgestorbenen Straßen. Sein
tägliches Arbeitspensum ist eine Fläche von 7.500
m2, die er ein einem Zeitraum von 18 Stunden reinigen
muss.
Der 24-jährige Xiao Cui ist aus dem
Autonomen Gebiet Innere Mongolei. Während seines sieben
Jahre langen Aufenthalts in Beijing arbeitete er in Autowerkstätten,
Restaurants und auf Baustellen. Ein Freund half ihm, seinen
jetzigen Putzjob zu finden. Die meisten seiner Kollegen sind
auch von ländlichen Gebieten, doch er ist bei weitem
der Jüngste. „Ich bekomme meinen Lohn einmal im Monat, die
Unterbringung ist nicht schlecht und der Chef ist gerecht“,
zählt Xiao Cui die „Segnungen“ seines Jobs auf.
Gegen 9 Uhr beginnen sich die Straßen
langsam mit Autos und Fahrrädern zu füllen. Laut der
Regelungen für die Straßenreinigung ist nun Zeit für
Xiao Cui, das Eingesammelte zum Mülldepot zu bringen und eine
Pause einzulegen. Dann sieht er, wie ein Taxifahrer Müll aus
dem Fenster wirft. Er weist den Fahrer zurecht: „Es ist schwierig,
zwischen den auf dem Gehsteig geparkten Fahrrädern zu
putzen. Bitte verwenden Sie nächstes Mal einen Mülleimer.“
Der Taxifahrer wirft ihm einen wütenden Blick zu und schnauzt
ihn an: „Wirst du nicht von der Regierung dafür bezahlt, die
Strassen sauber zu halten? Wenn es auf der Straße keinen
Müll gäbe, wärst du deinen Job los.“
Xiao Cui und andere ländliche Wanderarbeiter
werden oft auf diese Weise angesprochen. Einige Tage zuvor
hatte ein Freund von Xiao Cui in einem kleinen Wohnviertel
einen Abfallkarton aufgehoben. Der Wächter des Wohnblocks
nannte ihn einen Dieb, schlug ihn und nahm ihm 200 Yuan Strafe
ab. Seit diesem Zwischenfall setzt kein Straßenreiniger
auch nur einen Schritt in das betreffende Wohnviertel.
Xiao Cuis Freundin arbeitet auch in der
Putztruppe. Sie verlobten sich vor kurzem. Die Verlobten haben
vor, noch einige Jahre hart zu arbeiten und genug Geld zu
verdienen, um nach Hause zu gehen, zu heiraten und einen kleinen
Handel zu betreiben.
Xiao Liu (Trinkwasser Auslieferer):
„Ich werde für meine Arbeit bezahlt.“
Xiao
Liu kam letzten September nach Beijing. Er fährt ein
Spezialfahrrad mit Stahlrahmen, in denen die großen
Flaschen Trinkwasser transportiert werden, die er an Privatwohnungen
und Büros ausliefert. Da er ursprünglich mit dem Straßen-
und Verkehrssystem in Bejing nicht vertraut war, machte er
anfangs anstrengende Umwege auf seiner Lieferroute. Nun kennt
er sein Einzugsgebiet und stellt täglich 20 große
Wasserbehälter zu.
Als er auf eine Kreuzung zufährt, schaltet
die Ampel auf Rot, doch er zockelt noch hastig über die Kreuzung,
um Zeit zu sparen. Sein Pedal streift die Tür eines Taxis
beim Vorbeifahren und der Fahrer steigt aus, um nachzuschauen,
ob der Lack zerkratzt ist. Nachdem er sicher gegangen ist,
dass die Farbe keinen Kratzer abbekommen hat, flucht er und
fährt davon. Xiao Liu schimpft außer Atem zurück
und fährt weiter zu seiner nächsten Auslieferung.
Sein nächster Kunde wohnt im 12. Stock,
deshalb trägt Xiao Liu nur eine Wassertonne und nicht
wie sonst eine auf der Schulter und die andere in seiner Hand.
Die letzte Nacht verbrachte er damit, mehr als 300 Wassertonnen
aus einem Lastwagen im Lager seiner Firma auszuladen. Für
seine Arbeit, die seine Schulter ganz verkrampfte, bekam er
magere 50 Yuan.
Zhu Lili (Kellnerin): „Ich höre
ihre Flüche nicht mehr.“
Zhu
Lili kam 1997 nach ihrem Mittelschulabschluss mit einigen
Freunden nach Beijing. Nach 6-monatiger erfolgloser Jobsuche,
musste sie Geld von Freunden leihen, um überleben zu können.
Während dieser Zeit arbeitete sie probeweise für einige
Restaurants, wurde aber ohne jegliche Bezahlung wieder entlassen,
mit der Ausrede, dass sie nicht qualifiziert genug sei.
Zhu Lili fand letztendlich ihre jetzige
Arbeit, wo sie die einzige von fünf Kellnerinnen und Kellnern
ist, die richtig angestellt ist. Die anderen sind alle mit
dem Chef verwandt. „Ich mache die ganze Arbeit und muss immer
anwesend sein. Die anderen können kommen und gehen, wie
es ihnen beliebt.“ Zur Frühstückszeit ist am meisten los.
Lili steht jeden Tag um 4 Uhr auf, um den Teig und die Füllung
für Baozi (gefüllte gedämpfte Brötchen) vorzubereiten.
Ihr Chef kommt normalerweise um 5 Uhr zur Arbeit und wenn
sie den Teig noch nicht fertig geknetet hat, schreit er sie
an: „Was hast du die ganze Zeit gemacht? Wenn du den Job nicht
magst, kannst du jederzeit gehen. Es gibt genug, die sich
darum reißen würden.“ Lili schweigt und arbeitet weiter.
Nachdem der Teig fertig vorbereitet ist,
nimmt Lili unter dem Tisch einen Korb mit 5 kg Karrotten heraus,
die sie in den 20 Minuten, die noch bis zur Zubereitung der
Baozi bleiben, schälen und kleinhacken muss.
Das Restaurant ist zu dieser Zeit voll mit
Leuten. Eines Morgens, als Lili einen Gast bediente, verschüttete
sie ein wenig heißes Wasser auf dessen Ärmel. Obwohl
sie sich entschuldigte, beschimpfte er sie ausführlich. Lili
hat sich an derartige Beschimpfungen gewöhnt und ist
abgestumpft. Ihr bleibt auch nichts anderes übrig, weil ihr
Lohn eingezogen würde, ließe sie sich zu einer Widerrede
hinreißen.
Zu Mittag machen einige Gäste anzügliche
Bemerkungen und belästigen sie sogar körperlich.
Wie immer bleibt Lili ruhig. Ihre Abwehr würde die Gäste
verärgern und sie würden sich bei ihrem Chef beschweren.
Zhu Lili schickt den Großteil ihres
Einkommens nach Hause, um die Schulgebühren ihrer zwei Brüder
zu bezahlen. „Ich habe keine besonderen Fähgkeiten, deshalb
ist Restaurantarbeit das Einzige, was ich machen kann. Die
Aufgabe einer Kellnerin ist nun mal, zu bedienen, doch der
Lohn und die Behandlung in größeren Restaurants
und Hotels sind besser als hier, wo man von mir erwartet,
dass ich alles mache.“
Lili überfliegt oft die Zeitungen auf der
Suche nach Gelegenheiten bei besseren Restaurants. Vor kurzem
sah sie ein vielversprechendes Stellenangebot, doch als sie
ihrem Chef sagte, dass sie gehen wollte, sagte dieser: „Du
musst bis Monatsende bleiben, sonst bekommst du keinen Lohn.“