Mai 2004
Ihre Position: Homepage >

Hochschulabsolventen sind auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt

Von Lu Rucai

Am 28. Februar 2004 fand im Militärmuseum in Beijing eine Arbeitsmesse statt. Feng Jun, der sein ordentliches Studium an der Peking-Universität bald abschließen wird, stand mit zahlreichen anderen künftigen Absolventen vor dem Tor des Militärmuseums Schlange. „In der Tat habe ich lange überlegt, ob ich komme oder nicht, weil es so viele Arbeitsmessen gibt. Ich fürchte, dass diese auch nichts Besonderes ist. Bei einer Arbeitsmesse ist es oft so, dass Arbeitssuchende sich die Füße platt stehen, für eine einzige Stelle oft hundert, wenn nicht gar tausend Lebensläufe eingereicht werden, manche von ihnen jedoch bereits wärhend der Arbeitsmesse noch auf den Boden geworfen wurden. Nur ganz wenige Bewerber haben die Möglichkeit, mit dem Arbeitgeber persönlich zu sprechen“, sagt Feng Jun. „Wenn dies der Fall ist, warum sind Sie dennoch gekommen?“, fragt die Journalistin. Feng Jun antwortete: „Weil ich keine einzige Gelegenheit verpassen will. Zwar wurde die Namenliste der Unternehmen, die Personal anstellen wollen, im Voraus von der Arbeitsmesse bekannt gegeben, aber ich will auf jeden Fall persönlich zur Arbeitsmesse kommen, um zu schauen, ob noch einige gute Firmen, die nicht auf der Namenliste stehen, zu finden sind.“ Diese Ansicht vertreten fast alle Besucher der Arbeitsmesse.

Es ist üblich, dass man bei einer Arbeitsmesse enttäuscht wurde und dennoch die nächste wieder besuchen will. Das ist im Falle von Feng Jun auch nicht anders. Viele Leute sind der Meinung, dass die Absolventen der Peking-Universität, einer der wenigen Spitzenuniversitäten Chinas, eine Arbeitsstelle leicht finden können. Solche Worte hat Feng Jun bereits mehrmals gehört. „Ich hoffe wirklich, dass das wahr ist. Auch die Leute, die im Ausland studiert haben, wagen nicht zu sagen, dass es leicht ist, eine Arbeitsstelle zu finden, geschweige denn für uns, die bisher nur im Inland waren“, sagt Feng Jun mit bitterer Ironie. Statistischen Angaben zufolge betrug von 1978 bis 2003 die Gesamtzahl der im Ausland Studierten Chinas 700 200, 172 800 davon sind nach China zurückgekehrt. Die Zahl der Zurückgekehrten lag 2003 bei 20 100, eine Zunahme von 12,3% gegenüber 2002. Eine Forschungsinstitution hat bei 1500 Zurückgekehrten eine Umfrage durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass mehr als 35% der Befragten Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche haben und deshalb vorläufig arbeitslos sind. 30% der Befragten haben drei Monate lang keine Arbeitsstelle gefunden und weitere 15% waren sogar fünf Monate arbeitslos.

Immer mehr Arbeitssuchende, die im Ausland studiert haben, sorgen für Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, wo die angebotenen Arbeitsplätze ohnehin nicht für alle ausreichen. „Solche Leute üben wirklich einen großen Duck auf uns aus. Gegenüber ihnen sind wir unterlegen, weil wir nicht im Ausland studiert haben. Selbst sie, die Englisch sehr gut sprechen können, werden auf dem Arbeitsmarkt kühl behandelt. Das gilt dann erst recht für uns“, sagt Feng Jun schwermütig. Glücklicherweise ist er erfolgreich in die letzte Runde des Auswahlverfahrens der französischen Firma L’Oréal gelangt. Eine ausländische Firma wie L’Oréal ist sehr interessant für die meisten Studienabgänger. Allein in dieser letzten Auswahlrunde wurden schon mehr als 1000 Hochschulabsolventen als Bewerber abgewiesen. Trotzdem sieht Feng Jun seiner Zukunft nicht sonderlich optimistisch entgegen: „Zwar befinde ich mich bereits in der letzten Auswahlrunde, aber ich wage noch nicht zu sagen, ob ich Erfolgsaussichten habe. Für diese Stelle will die Firma L’Oréal landesweit nur ein oder zwei Personen anstellen. Allein in Beijing gibt es mehr als zehn Bewerber, die auch erfolgreich in die letzte Auswahlrunde gekommen sind. In Shanghai und anderen Gebieten warten noch viele weitere Konkurrenten.“

Ein wichtiger Grund für den großen Beschäftigungsdruck auf Studienabgänger liegt in der Reduzierung der Arbeitsmöglichkeiten und der Zunahme der Studentenzahl. Das hat mit der Vergrößerung des Aufnahmeumfangs neuer Studenten seit 1999 zu tun. „Wäre schön, wenn meine Eltern mich einige Jahre früher geboren hätten. Für Absolventen, die ein paar Jahre älter als ich sind, war es früher viel einfacher, eine Arbeitsstelle zu finden, da sie bereits kurz vor dem Abschluss ihres Studiums von vielen Firmen angeworben wurden.“ 1992 gab es in China 2,18 Mio. Studierende. Diese Zahl stieg 1998 auf 7,8 Mio. und 2002 auf 16 Mio. In diesen drei Jahren betrug die Gesamtbevölkerung Chinas 1,16 Mrd., 1,248 Mrd. und 1,28 Mrd. Menschen. Die Vergrößerung des Aufnahmeumfangs neuer Studenten trägt einerseits zur Erhöhung der Bildungsniveaus innerhalb der Bevölkerung bei, hat andererseits jedoch große Beschäftigungsprobleme mit sich gebracht. Am Anfang gab es in China nur wenige Studenten, wobei in der Gesellschaft zahlreiche Arbeitsstellen auf sie warteten. Der Staat übernahm außerdem für die Arbeitszuweisung der Absolventen die volle Verantwortung. Mit der Zunahme der Absolventenzahl gibt es für sie immer weniger freie Arbeitsstellen. Gleichzeitig ist die Arbeitszuweisung durch den Staat inzwischen durch die Politik „Gegenseitiges Wählen“ ersetzt worden. Studienabgänger müssen heute selbst eine Arbeitsstelle suchen. Auf dem Arbeitsmarkt wählen sie ihren Arbeitgeber und werden gleichzeitig selbst von künftigen Arbeitgebern gewählt.

-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+--+-+-+-+--+-+-+--+-
Zurück