Mai 2004
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Eine Reise zum „Steinwald“

Von Qing Xianyou

Der „Steinwald“, eines der Naturwunder Chinas, liegt im Autonomen Kreis Lunan der Yi-Nationalität in der Provinz Yunnan. Dieser Landstrich ist wegen seiner großen Schönheit im In- und Ausland bekannt.

Über die Entstehung des „Stein-Walds“ gibt es viele Sagen. Eine erzählt von einem „bösen Teufel namens Asi Abo, der einen Fluss mit Steinen aufstauen wollte“: Vor langer, langer Zeit schleppte Asi Abo viele große Steine herbei, um den Nanpan-Fluss zu stauen und so die fruchtbaren Felder bei Yiliang und Lunan, wo die Sani und Axi (die heutigen Yi) seit Generationen lebten, furchtbar zu überschwemmen. Er kam aber bloß bis zu dieser Stelle, als der Morgen heraufdämmerte. Er fürchtete, jemand könne seine abscheuliche Teufelsfratze sehen, und verschwand. Die Steine ließ er liegen. In Wirklichkeit ist der „Steinwald“ jedoch eine spezielle Karsterscheinung.

Ohne Angst vor Asi Abo machte ich also im Herbst letzten Jahres auf zum „Steinwald“. Aus Kunming ging es mit dem Bus südwärts, vorbei an grünbewaldeten Höhenzügen und Kristallklaren Seen, und nach einer Fahrt von ungefähr drei Stunden erreichte ich mein Reiseziel.

Als ich durch das Tor in den Garten eintrat, fiel mein erster Blick auf den wunderschönen Steinwald-See. Aus dem klaren Wasser ragt eine Reihe von Steinsäulen hervor, die, angespritzt von einem künstlichen Wasserfall, wie badende schöne Frauen aussahen.

Geleitet von unserer Reiseführerin, einem siebzehnjährigen Yi-Mädchen, stiegen wir eine Treppe hinauf zum Löwen-Pavillon, welchselbiger sich südwestlich vom See befindet, und von dem aus man die ganze Landschaft des „Stein-Waldes“ ins Auge fassen kann. Unsere Reiseführerin: „Anhand von geologischen Untersuchungen wissen wir heute, dass diese Gegend vor etwa 270 Millionen Jahren noch von einem Meer überflutet war. Eine dicke Kalkschicht lagerte sich ab. Später stieg der Meeresboden auf und wurde zum Festland; in der Kalksedimentschicht entstanden tiefe Spalten und damit Durchlässe für das abfließende Wasser. Es entstanden immer größere Schichtfugen, Klüfte und Spalten, aus denen sich zu guter Letzt der ,Steinwald’ mit seinen wunderlich geformten Felsen bildete.“

Dieser „Wald“ aus Felsen zieht sich über 26 000 Hektar hin. Schwerpunktmäßig besichtigt werden meist nur wenig mehr als 80 Hektar, nämlich der große und der kleine „Wald“.

Bevor man den großen „Steinwald“ betritt, schreitet man auf eine wie ein großes Tor geformte Steinplatte zu, in die zwei große rote Schriftzeichen „Shilin“ eingraviert sind.

Bizarre Figuren und Formen aus Stein – Tiger, Löwen, Schlangen, Vögel, Mandarinenten, Bambus, Lotosblumen und Feen – formieren sich hier zu einer faszinierenden Landschaft. Schließlich dringt man zum klaren Jianfeng (Schwertspitzen)-Teich vor, der von hohen Gipfeln umgeben ist. Wache über den Teich hält der Jianfeng-Stein, ein großes, mit dem Griff in den Boden gerammtes Schwert.

Die nächste Station ist ein achteckiger Pavillon namens „Wangfeng“, der auf einem der höchsten Gipfel steht. Von hier aus kann man in aller Ruhe eine Reihe von Gipfeln mit schönen Namen – „Der Phönix glättet seine Flügel“, „Das Nashorn, das in den Mond guckt“, „Zehntausendjahrespilz“ usw. – betrachten.

Unter diesem Pavillon trifft man überall auf Höhlen und seltsame Felsen, manche davon hängen so lose herunter wie die Sterne am Himmel. Unter diesen Sternen bleibt niemand lange stehen. Mitten im „Steinwald“ entdeckt man dann einen Rasenplatz, auf dem Mädchen und Jungen der Yi-Nationalität oft unterm silbernen Mondschein singen und tanzen.

Östlich von diesem Platz liegt der sogenannte „kleine Steinwald“. Dort, rings um den Goldfisch-Teich, sehen die Felsen so aus, als ob sich Feen im Winde kämmten. Eine davon heißt „Ashima“ – nach einem schönen Mädchen aus den Legenden der Yi, das nach seinem Tod zu Stein geworden ist.

Von Generation zu Generation ist „Ashima“ von den Yi als ein Mädchen verehrt worden, das alle Tugenden – Mut und Fleiß, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit – in sich vereinen. „Du bist die schönste aller Kamelien; du bist das beste aller Sani-Mädchen“, preisen sie die Yi. Einen Spielfilm namens „Ashima“ gibt es auch, und der schildert die tragische Liebesgeschichte Ashimas und ihren mutigen Kampf gegen die Ungerechtigkeit.

Die Reiseführerin entließ uns schließlich mit den Worten: „Vor kurzem wurde es noch größerer und noch faszinierenderer ,Steinwald‘ entdeckt, der 12 km nordöstlich von hier liegt und sich über mehr als 300 Hektar erstreckt. Die meisten Steine sind wie Pilze geformt. Nicht weit vom ,Wald‘ braust ein großer Wasserfall wie ein silbernes Band aus einer Höhe von 100 Metern herab. Außerdem wurde nocheine unterirdische, drei km lange Kalkhöhle entdeckt. Der neue ,Steinwald‘ wird bald für den Besuch freigegeben werden“. – Da weiß ich ja, wo ich nächstes Jahr hinfahren werde.

Aus „China im Aufbau“, Nr. 2, 1983

 

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