Trinksitten
in China
Ein
Gläschen Wein oder Schnaps lassen sich viele Chinesen
gerne munden. Besonders wenn man Gäste bewirtet, einen
Feiertag begeht oder mit lieben Freunden in trauter Runde
zusammensitzt, prostet man sich gerne zu. Die Trinksitten,
die sich dabei herausgebildet haben, unterscheiden sich ja
nach Anlass und Nationalität.
Bei
den Festmählern der Han sitzt man gewöhnlich zu
acht um die Tische. Die alkoholischen Getränke werden
in Krügen oder Flaschen serviert. Zum Trinken bedient man
sich kleiner runder Gläser. Üblicherweise wird das
Einschenken von der jüngeren Generation besorgt. Ältere
bwz. Gäste bekommen ihr Glas zuerst gefüllt. Dann hebt
der Gastgeber sein Glas und prostet allen zu, wobei jedoch
nicht angestoßen wird. Nun nimmt jeder einen Schluck
und stellt seinen Becher wieder ab. Diese Form des Zutrinkens
wird während des Mahls etliche Male wiederholt. Gegen
Ende des Essens hebt der Gastgeber nochmals sein Glas und
sagt: „gan bei“, was in etwa „Ex!“ bedeutet – eine Aufforderung,
der alle nachkommen. Zu guter Letzt und zur Abrundung des
Mahls nimmt man noch ein paar Bisschen Reis zu sich.
Bei
Hochzeiten ist es Brauch, das Brautpaar zum „Gläsertausch“
aufzufordern. Die Liebesleute trinken das Glas bis zur Hälfte,
tauschen es mit dem des Partners und leeren den Rest. Manchmal
trinken beide auch aus einem Glas je die Hälfte.
Am
Vorabend des traditionellen Frühlingsfestes versammelt sich
die ganze Familie zu einem gemeinsamen Mahl. Das fröhliche
Zusammensein wird eifrig genützt, einander zuzuprosten und
viel Glück zu wünschen. Am 9. Tag des 9. Monats nach dem Mondkalender
wird das Chongyang-Fest begangen. Es ist gerade die Zeit,
da die Chrysanthemen in voller Blüte stehen. Nach altem Brauch
ersteigt man Anhöhen und setzt sich zu einem Gläschen
zusammen.
Doch
nicht nur zu festlichen Anlässen erfreut man sich geistiger
Getränke. Vor allem älteren Leuten ist es eine liebe
Gewohnheit, zu Hause oder im Gasthaus hin und wieder einem
guten Tropfen zuzusprechen und dazu Erdnüsse oder Anisbohren
zu knabbern.
Noch
vielfältiger sind die Trinksitten und –gewohnheiten unter
den Minderheitsvölkern. Den Tibetern ist Qingkejiu, ein
aus Qingke-Gerste gegorenes Getränk, am liebsten. Jede
Familie hat ihren Vorrat davon zu Hause. Besonders zum Erntedankfest,
wenn man sich zu Tanz und Gesang versammelt, darf Qingkejiu
nicht fehlen.
Wenn
man bei den Mongolen zu Gast ist, wird man zuerst mit einem
Glas Kumyß willkommen geheißen, welches in einem
Zug getrunken werden sollte. Das Getränk, in Lammlederbeuteln
vergorene Stutenmilch, schmeckt leicht säuerlich und
ist sehr nahrhaft. Das Wa-Volk hat den Brauch, beim Empfang
eines Gastes zunächst den Mittelfinger ins Glas zu tauchen,
zu Ehren der Ahnen ein Paar Tropfen auf den Boden zu spritzen
und einen Schluck zu nehmen. Dann wird der Becher dem Gast
gereicht, der ihn mit der nach oben gewendeten Handfläche
der Rechten entgegennimmt.
Sehr
interessant ist auch eine Hochzeitssitte der Dahuren. Wenn
sich die Verwandten der Braut am Tag nach der Hochzeit auf
den Heimweg machen, lassen sie Schüssel, Teller und anderes
Hausgerät „mitgehen“. Der Bräutigam eilt ihnen nach
und zeigt sich mit einer ordentlichen Gabe geistiger Getränke
dafür erkenntlich, dass ihm seine Liebste wohlbehalten ins
Haus gebracht worden war. Erst dann bekommt er sein Geschirr
zurück.
Einem
guten Tropfen war man auch in alter Zeit nicht abgeneigt,
wie aus macherlei Anekdoten über historische Persönlichkeiten
hervorgeht. Unvergessen etwa ist jene Begebenheit aus der
Zeit der Drei Reiche (220-280), als Cao Cao, der mächtigste
Politiker und Feldherr dieser Ära (und ein ausgezeichneter
Dichter obendrein!), mit seinem späteren Widersacher
Liu Bei im frühen Frühling nach Herzenslust becherte und über
die künftigen Großen der Welt fabulierte. Und zum Ruf
des großen Tang-Dichters Li Bai gehört auch, dass
er ein trinkfester Geselle war. Sein Freund und Kollege Du
Fu nannte ihn zum Spaß sogar „Unsterblicher im Weine“.
Die Weinhäuser südlich des Changjiang hatten früher am
Eingang meist eine Tafel aufgehängt, auf welcher stand
„In der Tradition Li Bais“.
Die
Helden in dem klassischen Roman „Die Räuber vom Liangshan-Moor“
waren allesamt große Trinker. Eine der berühmtesten
Episoden schildert, wie ein junger Kraftlackel namens Wu Song
nach dem Genuss von achtzehn großen Bechern Schnaps
einen Berg übersteigt und dabei von einem Tiger angefallen
wird. Wu Song erledigt die Bestie mit bloßen Händen.
Aus
„China im Aufbau“, Nr. 2, 1983