Schön
profitabel
Selbst
die ramponiertesten Vorortstraßen in den östlichen
Provinzstädten Chinas haben üblicherweise einen „Avon“-Shop.
Von Fuzhou bis nach Harbin - über den Eingangstüren der Boutiquen
entlang bekannter Haupt- und weniger bekannter Seitenstraßen
prangt der Name der berühmten Kosmetikfirma ohnehin schon
seit langem.
Die
Warenhäuser in Chinas Großstädten sind voll
mit Verkaufstheken des weltweit bekanntesten Kosmetikherstellers.
China ist der achtgrößte Kosmetikkonsument der
Welt und nach Japan der Zweitgrößte in Asien. Angaben
der „Association of Perfume, Esence and Cosmetics Industry“
(CAPECI) zufolge, verfügt der chinesische Kosmetikmarkt über
ein Volumen von circa 14 Milliarden Yuan (ungefähr 1,7
Milliarden US-Dollar). Staatlichen Schätzungen zufolge
beläuft sich der Verkaufswert chinesischer Schönheitsprodukte
für das Jahr 2003 auf 46 Milliarden Yuan.
Der
französische Marktführer L’Oréal kaufte kürzlich innerhalb
von nur zwei Monaten gleich zwei chinesische Kosmetikfirmen
auf. All dies sind jedoch nur einige Indikatoren, die zeigen,
wie lukrativ der Handel mit Kosmetika in China mittlerweile
geworden ist. Im Januar erwarb der weltweit größte
Kosemtikhändler L’Oréal die chinesische Hautpflege-Marke
„Mininurse”. Die 1992 auf den Mark gebrachte Marke ist eine
der drei bekanntesten des Landes und verfügt über einen Marktanteil
von fünf Prozent. Da der Kauf auch den Erwerb der großen
Mininurse-Fabrik in Yichang in der Provinz Hubei beinhaltet,
erhält L’Oréal durch den Neuerwerb gleichzeitig eine
wertvolle Einrichtung zur Herstellung von Kosmetika. Dieser
Kauf war ein „großer Schritt hinein in den chinesischen
Markt“, so die Vorstandsvorsitzende von L’Oréal und CEO, Lindsay
Owen-Jones. Die französische Firma gibt sich damit jedoch
noch nicht zufrieden. Ihre letzten Käufe „zeigen vielmehr
unseren Willen zur Beschleunigung unseres Wachstums in China,“
so Owen-Jones weiter.
Einen
Monat zuvor unterzeichnete L’Oréal einen Übernahmevertrag
mit der von der chinesisch-amerikanischen TV-Berühmtheit Yue-Sai
Kan gegründeten Kosmetikmarke „Yue-Sai“. Yue-Sai gilt als
besonders attraktiver Kauf von L’Oréal, da die Firma über
eine große Anzahl an Kunden verfügt, und somit es L’Oréal
ermöglichen wird, mit Avon und Mary Kay auch in den Provinzstädten
konkurrieren zu können. Yue-Sai hat Verkaufsstellen in
insgesamt 240 Städten – viele ihrer Kunden sind treue
Anhänger von Yue-Sia Kans Schönheitstipps sowie
ihrer Fernsehshows. Die Fernsehqueen ist in ihrer Heimat so
beliebt, dass die chinesische Post ihr sogar eine Briefmarke
mit einem Bild von ihr widmete. Die Firma mit ihrem Namen
konnte letztes Jahr Verkäufe im Wert von 38 Millionen
Euro verzeichnen. Dennoch ist L’Oréal gegenüber dem amerikanischen
Konkurrenten Mary Kay noch in der Position des Aufholenden.
Mary Kay wurde bereits 1998 auf dem chinesischen Markt aktiv
und hielt die Konkurrenz seitdem mit acht Prozent Marktanteil
sowie Verkäufen im Wert von einer Milliarde Yuan im Jahre
2002 (30 Prozent Steigerung gegenüber dem Vorjahr) auf Distanz.
Während dessen ist für die japanischen Firmen Kanebo
und Shiseido China die Quelle zur Steigerung ihrer Gesamtverkäufe.
Kanebo verdoppelt derzeit die Anzahl ihrer 150 Verkaufsstellen,
um so Waren im Wert von 20 Millionen US-Dollar jährlich
in China verkaufen zu können.
In
China sind die jungen Berufstätigen die besten Käufer
von Kosmetika mittlerer Preisklasse. Mit einer abgeschlossenen
Hochschulausbildung und einem hohem Einkommen identifiziert
sich diese Schicht eher mit den in China hergestellten DVD-Raubkopien
von Fernsehserien wie „Sex and the City“ als mit den Konfuzianischen
Ideen von Schönheit und Bescheidenheit. „Ich benutze
lediglich Hautpflegeprodukte und Lippenstift, vorausgesetzt
dass ich kein Make-Up für meine Arbeit benötige“, versichert
die Finanzanalytikerin Amy Chen. Die 25-jährige Beijingerin
kauft ihre Gesichtsprodukte bei Topmarken wie Clinique, Estée
Lauder und Lancôme. „Ich kaufe Lancôme auch für meine Mutter,
weil deren Anti-Alterungs-Produkte einfach gut sind.“ Chen
gibt „ungefähr 800 Yuan pro Monat“ für Kosmetika aus,
„inklusive der Nebenkosten für Besuche im Schönheitssalon.“
„Ich finde, dass die Grundprodukte von Clinique am besten
zu mir passen. Ich benutze auch ihre Bürsten. Körperlotionen
verwende ich allerdings von Nivea, Vaseline, Waterson und
Olay. Außerdem greife ich nach dem Sport meistens zu
Adidas. Diese Marken sind alle sehr gut.“ Chen wählt
zur Lippenpflege Produkte von Lancôme und Mentholaton. Zudem
kauft sie einige - wenn auch nur wenige - in China hergestellte
Kosmetika. Dessen ist sich Chen durchaus bewusst: „All die
Produkte, die ich kaufe, sind von ausländischen Firmen,
auch wenn manche in China produziert wurden.“
Viele
ausländische Kosmetikmarken und Einzelhändler finden
es dennoch schwierig, Profit aus ihrem China-Geschäft
zu schlagen. In der Produktion herrscht ein erbitterter Konkurrenzkampf.
Auf dem Markt drängen sich über 3 000 chinesische Kosmetikfirmen
- die meisten eher von kleinerem Format. Das ausufernde Fälschen
ausländischer Top-Marken trägt nicht gerade dazu
bei, dass ausländische Firmen ihren Absatz steigern.
Dem US-amerikanischen Marktführer Mary Kay gelang es erst
durch die Abänderung seiner 40-jährigen Politik
des Direktverkaufes, in China Gewinne zu erzielen. Mary Kay
und andere ausländische Kosmetikmarken wollen daher eine
Lockerung der von China auferlegten Restriktionen gegenüber
von Importen ausländischer Verkäufer erreichen.
Grund: Mary Kay und ihre ausländischen Kokurrenten dürfen
in China lediglich ihre vor Ort hergestellten Produkte verkaufen.
Der US-Riese stellt deshalb seine Waren in einer 1995 in Hangzhou
errichteten Fabrik her. Es bestehen zudem bereits Pläne,
diese Fabrik weiter auszubauen, um so Märkte innerhalb
als auch außerhalb Chinas beliefern zu können.
Sowohl
Avon als auch Mary Kay versuchen beide seit fünf Jahren, das
Verbot des Dirketverkaufs zu umgehen und modifizierten daher
ständig das Vertriebssystem ihrer über ganz China verteilten
Einzelhändler. Derweil verkaufen sogenannte „Promoter“
ihre Produkte außerhalb der Geschäftsläden.
Es ist für sie jedoch nicht notwendig, Unmengen von Produkten
im Voraus zu kaufen. Vielmehr werden sie gemäß
monatlicher Prämien bezahlt, die sich danach richten,
wie viel sie verkauft haben. „Wir legen großen Wert
auf Service, um so Kunden anzulocken“, verrät Mary Kays
China CEO Paul Mak. Das Unternehmen zielt auf verschiedene
Einkommensgruppen als potentielle Käufer ab. So wurde
kürzlich die Produktreihe „Timewise“ für wohlhabende Kunden
entwickelt und zudem eine separate Kollektion speziell für
Tennager konzipiert. „Wir verfügen über 150 Produktreihen“,
erklärt Mak, der davon ausgeht, dass China noch in diesem
Jahr ausländischen Firmen mehr Handelsrechte einräumen
wird.
Das
Wachstum des chinesischen Kosmetikmarktes wird in absehbarer
Zukunft das der restlichen Welt übertreffen, so Paul French,
Chefanalyst der Shanghai-Abteilung der Marktanalysefirma „Access
Asia“. “Die zunehmende Zahl junger Frauen in gehobenen Arbeitsverhältnissen
wird auch in Zukunft den Absatzmarkt stärken. Der Anteil
ihres Einkommens, den sie bereit sind für Kosmetika auszugeben,
wird im Vergleich zum internationalen Durchschnitt sogar noch
schneller ansteigen.”
Nagellack
und Lippenstift sind hierbei die sich am besten verkaufenden
Produkte. French prophezeit jedoch auch Hautcremes und Puder-Artikeln
eine goldene Zukunft. “Ein Grund dieses erstaunlichen Wachstums
ist - neben den steigenden Einkommen und dem zunehmenden Pflegebewusstsein
der Käufer - die weite Verbreitung - ja fast schon Besessenheit
- von Modells und Schönheitsshows, die derzeit in China
vorherrscht.”