Mai 2004
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Schön profitabel

Selbst die ramponiertesten Vorortstraßen in den östlichen Provinzstädten Chinas haben üblicherweise einen „Avon“-Shop. Von Fuzhou bis nach Harbin - über den Eingangstüren der Boutiquen entlang bekannter Haupt- und weniger bekannter Seitenstraßen prangt der Name der berühmten Kosmetikfirma ohnehin schon seit langem.

Die Warenhäuser in Chinas Großstädten sind voll mit Verkaufstheken des weltweit bekanntesten Kosmetikherstellers. China ist der achtgrößte Kosmetikkonsument der Welt und nach Japan der Zweitgrößte in Asien. Angaben der „Association of Perfume, Esence and Cosmetics Industry“ (CAPECI) zufolge, verfügt der chinesische Kosmetikmarkt über ein Volumen von circa 14 Milliarden Yuan (ungefähr 1,7 Milliarden US-Dollar). Staatlichen Schätzungen zufolge beläuft sich der Verkaufswert chinesischer Schönheitsprodukte für das Jahr 2003 auf 46 Milliarden Yuan.

Der französische Marktführer L’Oréal kaufte kürzlich innerhalb von nur zwei Monaten gleich zwei chinesische Kosmetikfirmen auf. All dies sind jedoch nur einige Indikatoren, die zeigen, wie lukrativ der Handel mit Kosmetika in China mittlerweile geworden ist. Im Januar erwarb der weltweit größte Kosemtikhändler L’Oréal die chinesische Hautpflege-Marke „Mininurse”. Die 1992 auf den Mark gebrachte Marke ist eine der drei bekanntesten des Landes und verfügt über einen Marktanteil von fünf Prozent. Da der Kauf auch den Erwerb der großen Mininurse-Fabrik in Yichang in der Provinz Hubei beinhaltet, erhält L’Oréal durch den Neuerwerb gleichzeitig eine wertvolle Einrichtung zur Herstellung von Kosmetika. Dieser Kauf war ein „großer Schritt hinein in den chinesischen Markt“, so die Vorstandsvorsitzende von L’Oréal und CEO, Lindsay Owen-Jones. Die französische Firma gibt sich damit jedoch noch nicht zufrieden. Ihre letzten Käufe „zeigen vielmehr unseren Willen zur Beschleunigung unseres Wachstums in China,“ so Owen-Jones weiter.

Einen Monat zuvor unterzeichnete L’Oréal einen Übernahmevertrag mit der von der chinesisch-amerikanischen TV-Berühmtheit Yue-Sai Kan gegründeten Kosmetikmarke „Yue-Sai“. Yue-Sai gilt als besonders attraktiver Kauf von L’Oréal, da die Firma über eine große Anzahl an Kunden verfügt, und somit es L’Oréal ermöglichen wird, mit Avon und Mary Kay auch in den Provinzstädten konkurrieren zu können. Yue-Sai hat Verkaufsstellen in insgesamt 240 Städten – viele ihrer Kunden sind treue Anhänger von Yue-Sia Kans Schönheitstipps sowie ihrer Fernsehshows. Die Fernsehqueen ist in ihrer Heimat so beliebt, dass die chinesische Post ihr sogar eine Briefmarke mit einem Bild von ihr widmete. Die Firma mit ihrem Namen konnte letztes Jahr Verkäufe im Wert von 38 Millionen Euro verzeichnen. Dennoch ist L’Oréal gegenüber dem amerikanischen Konkurrenten Mary Kay noch in der Position des Aufholenden. Mary Kay wurde bereits 1998 auf dem chinesischen Markt aktiv und hielt die Konkurrenz seitdem mit acht Prozent Marktanteil sowie Verkäufen im Wert von einer Milliarde Yuan im Jahre 2002 (30 Prozent Steigerung gegenüber dem Vorjahr) auf Distanz. Während dessen ist für die japanischen Firmen Kanebo und Shiseido China die Quelle zur Steigerung ihrer Gesamtverkäufe. Kanebo verdoppelt derzeit die Anzahl ihrer 150 Verkaufsstellen, um so Waren im Wert von 20 Millionen US-Dollar jährlich in China verkaufen zu können.

In China sind die jungen Berufstätigen die besten Käufer von Kosmetika mittlerer Preisklasse. Mit einer abgeschlossenen Hochschulausbildung und einem hohem Einkommen identifiziert sich diese Schicht eher mit den in China hergestellten DVD-Raubkopien von Fernsehserien wie „Sex and the City“ als mit den Konfuzianischen Ideen von Schönheit und Bescheidenheit. „Ich benutze lediglich Hautpflegeprodukte und Lippenstift, vorausgesetzt dass ich kein Make-Up für meine Arbeit benötige“, versichert die Finanzanalytikerin Amy Chen. Die 25-jährige Beijingerin kauft ihre Gesichtsprodukte bei Topmarken wie Clinique, Estée Lauder und Lancôme. „Ich kaufe Lancôme auch für meine Mutter, weil deren Anti-Alterungs-Produkte einfach gut sind.“ Chen gibt „ungefähr 800 Yuan pro Monat“ für Kosmetika aus, „inklusive der Nebenkosten für Besuche im Schönheitssalon.“ „Ich finde, dass die Grundprodukte von Clinique am besten zu mir passen. Ich benutze auch ihre Bürsten. Körperlotionen verwende ich allerdings von Nivea, Vaseline, Waterson und Olay. Außerdem greife ich nach dem Sport meistens zu Adidas. Diese Marken sind alle sehr gut.“ Chen wählt zur Lippenpflege Produkte von Lancôme und Mentholaton. Zudem kauft sie einige - wenn auch nur wenige - in China hergestellte Kosmetika. Dessen ist sich Chen durchaus bewusst: „All die Produkte, die ich kaufe, sind von ausländischen Firmen, auch wenn manche in China produziert wurden.“

Viele ausländische Kosmetikmarken und Einzelhändler finden es dennoch schwierig, Profit aus ihrem China-Geschäft zu schlagen. In der Produktion herrscht ein erbitterter Konkurrenzkampf. Auf dem Markt drängen sich über 3 000 chinesische Kosmetikfirmen - die meisten eher von kleinerem Format. Das ausufernde Fälschen ausländischer Top-Marken trägt nicht gerade dazu bei, dass ausländische Firmen ihren Absatz steigern. Dem US-amerikanischen Marktführer Mary Kay gelang es erst durch die Abänderung seiner 40-jährigen Politik des Direktverkaufes, in China Gewinne zu erzielen. Mary Kay und andere ausländische Kosmetikmarken wollen daher eine Lockerung der von China auferlegten Restriktionen gegenüber von Importen ausländischer Verkäufer erreichen. Grund: Mary Kay und ihre ausländischen Kokurrenten dürfen in China lediglich ihre vor Ort hergestellten Produkte verkaufen. Der US-Riese stellt deshalb seine Waren in einer 1995 in Hangzhou errichteten Fabrik her. Es bestehen zudem bereits Pläne, diese Fabrik weiter auszubauen, um so Märkte innerhalb als auch außerhalb Chinas beliefern zu können.

Sowohl Avon als auch Mary Kay versuchen beide seit fünf Jahren, das Verbot des Dirketverkaufs zu umgehen und modifizierten daher ständig das Vertriebssystem ihrer über ganz China verteilten Einzelhändler. Derweil verkaufen sogenannte „Promoter“ ihre Produkte außerhalb der Geschäftsläden. Es ist für sie jedoch nicht notwendig, Unmengen von Produkten im Voraus zu kaufen. Vielmehr werden sie gemäß monatlicher Prämien bezahlt, die sich danach richten, wie viel sie verkauft haben. „Wir legen großen Wert auf Service, um so Kunden anzulocken“, verrät Mary Kays China CEO Paul Mak. Das Unternehmen zielt auf verschiedene Einkommensgruppen als potentielle Käufer ab. So wurde kürzlich die Produktreihe „Timewise“ für wohlhabende Kunden entwickelt und zudem eine separate Kollektion speziell für Tennager konzipiert. „Wir verfügen über 150 Produktreihen“, erklärt Mak, der davon ausgeht, dass China noch in diesem Jahr ausländischen Firmen mehr Handelsrechte einräumen wird.

Das Wachstum des chinesischen Kosmetikmarktes wird in absehbarer Zukunft das der restlichen Welt übertreffen, so Paul French, Chefanalyst der Shanghai-Abteilung der Marktanalysefirma „Access Asia“. “Die zunehmende Zahl junger Frauen in gehobenen Arbeitsverhältnissen wird auch in Zukunft den Absatzmarkt stärken. Der Anteil ihres Einkommens, den sie bereit sind für Kosmetika auszugeben, wird im Vergleich zum internationalen Durchschnitt sogar noch schneller ansteigen.”

Nagellack und Lippenstift sind hierbei die sich am besten verkaufenden Produkte. French prophezeit jedoch auch Hautcremes und Puder-Artikeln eine goldene Zukunft. “Ein Grund dieses erstaunlichen Wachstums ist - neben den steigenden Einkommen und dem zunehmenden Pflegebewusstsein der Käufer - die weite Verbreitung - ja fast schon Besessenheit - von Modells und Schönheitsshows, die derzeit in China vorherrscht.”

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