November 2004
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Mit dem Flugzeug, dem Zug … oder dem Hubschrauber

Chinas zunehmend technisch ausgereifte Schwertransportindustrie findet einen Markt im Ausland

Von Mark Godfrey

 

Wenn die Händler dieser Welt ein Schiff kaufen wollen, kommen sie immer öfter nach China. Traditionelle Produktionsländer für schwere Transportmaschinen wie Länder in Nordeuropa, Südkorea und die USA verlieren zunehmend an Boden im Vergleich zu China, das begonnen hat, Züge, wie auch Schiffe nach Afrika, in den Nahen Osten und nun auch in westliche Länder zu exportieren. „Das Wachstum in China ist erstaunlich“, sagte Mauricio Bothello, Generaldirektor des brasilianischen Flugzeugherstellers Embraer vor kurzem in São Paulo, und kündigte an, dass Embraer 26 Millionen US-Dollar in eine Jointventure-Fabrik in Chinas Provinz Heilongjiang investieren werde, um gemeinsam Düsenflugzeuge zu bauen. Bothello sagt, dass Embraer erwartet, dass China in den kommenden 20 Jahren 650 kleine und mittelgroße Flugzeuge brauchen wird. Dabei kämpft man gegen die Rivalen Bombardier und Gulfstream um ein Stück des privaten Jetmarkts in China. Eine BIP-Wachstumsrate von beinahe 10 Prozent pro Jahr hat genügend Reichtum geschaffen, durch den sich chinesische Geschäftsleute und Firmen ihre eigenen Jets leisten können.

China braucht Flugzeuge, aber dieses exportorientierte Land benötigt auch Schiffe, die seine Fabrikshallen leeren. China wird bald zum weltweit größten Hersteller von Frachtschiffen und höchstwahrscheinlich Südkorea in 20 Jahren überholen. Nichtsdestotrotz führen die Nachbarn Japan und Südkorea vor China, was die Technologie betrifft, und China wird seine Technologie und seine Produktionskapazität verbessern müssen, um sein eigenes Ziel, der Schiffbauer Nummer 1 der Welt zu werden, zu erreichen. Laut einer Studie, die Anfang dieses Jahres vom Forschungszentrum für Schiffbauwirtschaft Chinas herausgegeben wurde, wird von den chinesischen Schiffbauern erwartet, dass sie zwischen 2025 und 2030 15,2 Millionen Tonnen Schiffe jährlich produzieren, die 40 Prozent der weltweiten Gesamtproduktion ausmachen werden.

In den späten 80er und frühen 90er Jahren produzierten Chinas Schiffswerften einfache Containerschiffe und Massengutfrachter. Heute erhält China Zuschläge für Bestellungen von hochentwickelten Flüssignaturgas-Transportern. Laut staatlichen Medienberichten baute die China State Shipbuilding Corporation (CSSC) 2002 69 Schiffe, inklusive eines für die iranische Regierung gebauten Rohöltransporters. CSSC verdiente letztes Jahr fast 1,5 Milliarden US-Dollar durch den Bau von Schiffen nach meist ausländischen technischen Normen und die große Nachfrage europäischer Schiffbesitzer hat dieses Jahr noch weitere Bestellungen hervorgebracht.

Jedes Jahr läßt die in der Nähe von Shanghai gelegene Schiffswerft Waigaoqiao 200 000 Tonnen Massengutfrachter von ihren Fließbändern treiben und segelt sie den Yangtse hinauf. Das ist die Schiffswerft der CSSC, die dem neuesten Stand der Technik entspricht und Ende 2001 eröffnet wurde. Industrieexperten, die aktuellen Trends folgen, glauben, dass China innerhalb von zwei Jahrzehnten der weltweit größte Schiffbauer sein wird. Unerschöpfliche Arbeitskraftreserven verleihen der chinesischen Schiffbauindustrie den Wettbewerbsvorteil.

Währenddessen stellt sich der Himmel über Shanghais sich vermehrenden Anzahl lokalen Magnaten als Gewinn bringender Markt für Hubschrauberhersteller heraus. 2000 lockerte die chinesische Regierung die Verordnungen, um lokalen privaten Firmen und ausländischen Betrieben zu erlauben, zusammenzuarbeiten und zivile Hubschrauber zu entwerfen und herzustellen. Seit den 90er Jahren begann die chinesische Hubschrauberindustrie, in deren Zentrum hauptsächlich Harbin Aircraft Industry Co. und Changhe Aircraft Industry Co. stehen, größere Summen in die Forschung und die Entwicklung zu stecken, um Chinas zukünftige Nachfrage an lokal hergestellten Hubschraubern zu decken. Die chinesische Regierung gibt viel Geld aus, um internationales Fachwissen in das Feld der Aeronautik zu bringen. Sowohl die Firma in Harbin wie auch die Changhe Aircraft Industry Co., beide staatlich, haben Geschäfte mit amerikanischen und europäischen Hubschrauberbauern abgeschlossen. Der Leichthubschrauber EC-120 zum Beispiel – ein Projekt in Zusammenarbeit zwischen der französischen Firma Eurocopter, Harbin Aircraft Industry Co. und Singapore Aerospace Co. – ist seit Mitte der 90er Jahre in Entwicklung. Changhe Aircraft Industry Co. hat währenddessen in Zusammenarbeit mit französischen Partnern eine Version des Sikorsky S-92 Helibus, eines mittelgroßen Transporthubschraubers, gebaut. Chinesische kommerzielle Hubschrauber, die zur Zeit mit westlichen Teilen und Expertise gebaut werden, werden erwartungsgemäß zwischen 2005 und 2007 in die Lüfte steigen.

Chinas weniger hochfliegender aber spektakulärster Erfolg im Schwertransport beruht aber auf Schienen, es sind die Herstellung und der Export von Zügen. Neben der Deckung der eigenen riesigen Transportnachfrage exportiert China nun Züge sowohl in Entwicklungsländer als auch in entwickelte Länder. In den frühen 90er Jahren verkaufte die Qiqihar Locomotive (Group) aus Heilongjiang beinahe 600 Frachtzüge nach Botswana, Myanmar und Nigeria. Der Markt der Firma weitete sich in den 90er Jahren auf entwickelte Länder aus, als Frachtzüge nach Australien verkauft wurden.

Ausländische Expertise war entscheidend für das Anfangsstadium der Zugherstellungsindustrie. Die Züge, die durch ein Jointventure zwischen Changchun Automobile Corporation in der nordöstlichen Provinz Jilin und der deutschen Bombardier Transportation in China hergestellt werden, bedienen nun die U-Bahnlinie 2 in Guangzhou. Dies ist Chinas erster im Inland produzierter U-Bahnzug nach dem internationalen Standard. „Die erfolgreiche Produktion der ersten Gruppe von Zügen bringt China in eine neue Ära im Industriezweig der U-Bahnherstellung und damit wird ein internationaler Standard erreicht“, sagt Lu Guanglin, Hauptgeschäftsführer von Guangzhou Metro Corporation. Insgesamt werden 156 Züge von Changchun und von der deutschen Firma Bombardier auf der U-Bahnlinie 2 in Betrieb genommen. Im letzten Juni kamen in der iranischen Hauptstadt Teheran in China produzierte U-Bahnzüge zur Anwendung, die auf der neuen U-Bahnlinie der Stadt fahren. Teheran wählte chinesische Züge, weil sie billiger waren, sagt ein Sprecher der Stadtregierung. „Europäische Exporteure wollten 3,5 Milliarden US-Dollar für die Waggons, während die chinesische Rechnung näher bei 702 Millionen US-Dollar lag.“ Inzwischen haben im August dieses Jahres Regierungsbeamte von Zimbabwe angekündigt, dass dieses im Süden Afrikas gelegene Land vorhat, in China hergestellte Zugwaggons und Lokomotiven zu importieren, wobei ein fixer Vertrag erst zum Abschluss gebracht werden muss.

Die internationale Nachfrage nach neuen Schiffen hat sich inzwischen von einem scharfen Rückgang Ende 2001 erholt, und chinesische Schiffswerften laufen auf Hochtouren, um mehr Schiffe ins Wasser zu lassen. In einem Forschungsbericht vom Juni schätzte die japanische Maklerfirma Nomura, dass China nur mehr eine Dekade davon entfernt ist, in Qualität und Produktionsleistung mit südkoreanischen Schiffswerften gleichzuziehen.

Der anerkannte Hauptsitz der chinesischen Hochseeschifffahrtsindustrie, Shanghai, kann sich schon rühmen, der viertgrößte Containerhafen der Welt zu sein. Eine große Handelsflotte und eine starke Marine könnte Beijings Rezept werden, um Chinas globale Reichweite auszudehnen, damit folgt China der Führung von Großbritannien und den Vereinigten Staaten, deren Marine sich für die Entwicklung der Geschichte in den vergangenen Jahrhunderten als ausschlaggebend erwies. Beijings massive Investitionen in neue Schiffswerften würden zeigen, dass Schiffsbaukenntnisse eine nationale Priorität sind. Ende letzten Jahres kündigte CSSC an, dass sie 3,6 Milliarden US-Dollar ausgeben wird für den Bau der ihrer Meinung nach weltweit größten Schiffswerft auf der Insel Changxing außerhalb von Shanghai. Die neue Werft , kündigte der Hauptgeschäftsführer von CSSC, Chen Xiaojin, gegenüber staatlichen Medien an, wird die Schiffbaukapazitäten des Unternehmens bis 2015 vervierfachen und China dadurch zum weltweit größten Schiffbauer machen.

Wie immer auch der Erfolg im Ausland sein mag, das größte Potential für Chinas Flugzeuge und Züge ist der blühende lokale Markt. Ein Mangel an Flughafeninfrastruktur und hohe inländische Landungsgebühren waren Hindernisse für die Ausdehnung des privaten Lufttransportsektors. Doch manche Einschränkungen werden langsam gelockert, und private Schätzungen setzen Chinas Geschäftsjetmarkt auf über 9 Milliarden US-Dollar innerhalb von 10 Jahren. „Es gibt im Großraum Los Angeles im Moment mehr Privatjets als in ganz China, aber wir erwarten ein schnelles Wachstum“, sagt David Dixon, der für Asien und den Pazifischen Raum zuständige Vizevorstandsvorsitzende des regionalen Jetherstellers Bombardier Aerospace. Chinas hohe Regierungssubventionen für die Schiffbauindustrie könnten den Zorn anderer WTO (World Trade Organization) - Mitglieder auf sich ziehen. Die EU beschwerte sich schon bei der WTO über Hilfestellung aus den Regierungskassen für südkoreanische und japanische Schiffswerften. Die Schiffhersteller dampfen inzwischen voran, doch durch das Fehlen von neuester Technologie, die von den südkoreanischen und japanischen Konkurrenten angewandt wird, könnten die Seefahrtsambitionen Chinas auf unruhiges Gewässer stoßen.

Der Autor ist ein irischer Journalist, der zur Zeit in Beijing lebt.

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