Geschichten
und Legenden ums Pferd
Das Jahr 2002 ist in der Reihenfolge der
zwölf chinesischen Tierzeichen das "Jahr des Pferdes".
Pferde nehmen im Leben des chinesischen
Volkes einen wichtigen Platz ein. Viele Sagen und Legenden
über das Pferd sowie Sprichwörter und Redewendungen in
Bezug auf das Pferd sind im chinesischen Volk verbreitet.
Die Gestalt des Pferdes, seine langen Beine und sein kräftiger
Körper haben zu allen Zeiten die Künstler inspiriert.
In einer berühmten Pferdefigur aus der Zeit der Östlichen
Han-Dynastie (25-220) sind die Kraft und Geschwindigkeit des
Pferdes meisterhaft dargestellt: Ein galoppierendes Pferd
berührt mit einem Huf eine Schwalbe, es hebt den Kopf, die
anderen Hufe schweben über dem Boden.
Im chinesischen Altertum wurden Pferde sehr
oft als Lasttiere und für militärische Zwecke gebraucht.
Wer eine kaiserliche Prüfung bestanden hatte und damit Beamter
wurde, schmückte sich oft mit einer roten Schärpe über
der Schulter und einer roten Blume auf der Brust und ritt
stolz über den Markt, um die Aufmerksamkeit auf sich
zu lenken. Und von Konfuzius ist überliefert, dass er zu Pferde
eine Rundreise durch damalige Fürstentümer machte, um Fürsprecher
für seine Ideen zu finden. In den Kriegen des Altertums spielten
Kampfpferde und Kampfwagen eine herausragende Rolle. Die zahlreichen
tönernen Pferdefiguren und Kampfwagen aus der Grabstätte
des ersten Qin-Kaisers Shi Huang Di (259-210 v.Chr) bei Xi'an,
Provinz Shaanxi, zeugen davon, dass die Kavallerie und die
Kampfwagen damals das Rückgrat der Armee waren. 1980 wurde
bei Xi'an ein bronzenes Vierergespann
aus der Qin-Zeit freigelegt, die Pferde mit Gold und Silber
und der Wagen mit bunten Mustern verziert. Man vermutet, dass
es sich hierbei um eine Kopie des Gespanns für die Gemahlin
des Kaisers Shi Huang Di handelt.
Das Kloster des Weißen Pferdes in
Luoyang in der Provinz Henan ist das älteste buddhistische
Kloster in China. Vor dem Eingang stehen zwei Steinpferde
aus der Zeit der Song-Dynastie (960-1279). Es war während
der Östlichen Han-Zeit, als Kaiser Ming Di Gesandte nach
Indien schickte, um von dort buddhistische Schriften zu holen.
Weil die Bücher dann von einem weißen Pferd befördert
wurden, bekam das Kloster den Namen "Baima" (weißes
Pferd). Später skulptierte man zwei Pferde und stellte
sie vor dem Kloster auf.
Im Südwesten des Kreises Dunhuang in der
Provinz Gansu soll es in der Han-Zeit (206 v.Chr. - 220) inmitten
einer Wüste vier Quellen gegeben haben. Die größte
Quelle, so die Überlieferung, fasste man mit Steinen
ein, so dass ein Teich entstand. Um diesen Teich herum wuchs
üppiges Gras. Ein Gefangener war hierher verbannt, und dieser
beobachtete, dass ein wunderschönes Pferd oft zu dem
Teich kam und daraus trank. Es gelang dem Mann, das Pferd
einzufangen. Er gab ihm den Namen "Himmlisches Ross"
und bot es Kaiser Wu Di als Geschenk an. Wu Di begnadigte
daraufhin den Gefangenen. Weiter ist überliefert, dass der
Kaiser ein Gedicht geschrieben habe, in dem er das Pferd als
einen Drachen darstellte, der Wind und Regen herbeizaubern
konnte. Solche übernatürlichen Fähigkeiten des Pferdes
kamen noch oft in künstlerischen Darstellungen zum Ausdruck.
Die bekanntesten Beispiele sind die geflügelten Pferde.
In der Grabstätte des Tang-Kaisers
Li Shimin (599-649) in der Provinz Shaanxi wurde ein Relief
mit sechs Pferden freigelegt. Es heißt, die hier dargestellten
Pferde sollen sich um die Gründung der Tang-Dynastie (618-907)
bedeutende militärische Verdienste erworben haben. Deutlich
ist zu sehen, dass alle sechs Pferde durch Pfeile tödlich
verwundet wurden, eines ist sogar von fünf Pfeilen getroffen.
Schon in der Tang-Dynastie kam das Polo-Spiel
in China auf, was Darstellungen in Zeichnungen und Wandmalereien
aus jener Zeit beweisen. Ebenfalls in der Tang-Dynastie erfuhr
der Handel über die Seidenstraße eine bemerkenswerte
Entwicklung. Pferde waren dabei neben Kamelen die Haupttransportmittel.
Daran erinnern dreifarbige glasierte Keramik-Pferde aus jener
Zeit, die man in vielerlei Variationen gefunden hat.
Auf dem Grasland in Nordwestchina leben
viele Hirten fast ausschließlich vom Pferd. Sie ziehen
mit Pferden von Weideplatz zu Weideplatz, sie trinken Stutenmilch
und essen Pferdefleisch. Unentbehrlich sind Pferde auch bei
vielen traditionellen Sportveranstaltungen der chinesischen
nationalen Minderheiten.
Ein mongolischer Hirte, so wird erzählt,
baute einst, als sein Lieblingspferd starb, aus den Knochen
des Tieres eine Geige und verzierte den oberen Teil mit einem
geschnitzten Pferdekopf. Die Geige mit der Pferdekopfverzierung,
"Matouqin" genannt, ist heute ein bei Mongolen sehr
beliebtes Musikinstrument.
Auch die modernen chinesischen
Künstler schätzen das Pferd als Sujet für ihre Werke.
Der Maler Xu Beihong z.B. hat durch seine lebendige Pferdedarstellungen
internationalen Ruf erworben.