Miniaturgarten-
und Topfpflanzenkultur in China


Die Miniaturgärten gehören seit
alter Zeit zum chinesischen traditionellen Kunsthandwerk.
In einem Topf, Kübel oder schalenartigem Gefäß
kann man mit Steinen und Pflanzen faszinierende Landschaftsmotive
wie Hügel, Seen, bestimmte Baumarten, Pavillons und kleine
gebogene Pfade oder Fischer im Boot stilvoll der Natur nachbilden.
In diesem pittoresken Mikrokosmos herrschen
entweder Baumelemente oder Steine und Miniaturfelsen vor.
Die Minibäume werden vielfach mit Felsengruppen, Menschenfiguren
und winzigen Pagoden zu einer Landschaft verbunden. Es gibt
über hundert verschiedenartige dünnstämmige Bäume
oder Sträucher mit starker Keimfähigkeit wie Kiefer,
Ulme, Buchsbaum, Ginster, Japanische Quitte und andere, um
diese Miniaturlandschaft in kunsthandwerklichen Gefäßen
herzustellen. Seit langer Zeit entstehen so in verschiedenen
Gebieten mit unterschiedlichsten Baumarten in einer besonderen
Verarbeitungstechnik stilistisch sehr vielseitige und unterschiedliche
kleine Wunderwerke.
Im Changjiang-Flußgebiet beschnürt
man die Bäumchen mit Palmenfasern zur besseren Anordnung
und Gestaltung. Die Topfpflanzen aus Suzhou werden hauptsächlich
mit Ulme, gelbem Flachs, Granatäpfeln und Winterkirsche
in frischer, geschmackvoller Wirkung hergestellt. Die Künstler
in Yangzhou schaffen ihre Topfpflanzengebilde aus Kiefer und
Zypresse sowie Buchsbaum, deren Stämme drachenförmig
gebogen und dünne Blätter wie aufziehende Wolken geformt
sind. Im Kreis Shexian der Provinz Anhui werden Topfpflanzenarrangements
mit dem hierfür geeigneten gebogenen Zypressenzweig und der
Winterkirsche, deren natürlicher Stamm sich mal links, mal
rechts in Form eines schwimmenden Drachens anordnen lässt,
zusammengestellt. Und in der Provinz Sichuan werden künstlerische
Topfpflanzen überwiegend mit Kakifeige, Quitte und wildem
Apfel gestaltet und zwar nach der poetischen Umschreibung
für den Wuchs ihrer Stämme: „Biegungen des Regenwurms“
und „die Drachen umfassen die Perlen“.
Aber in der Provinz Guangdong wird eine
andere Methode angewendet. Man nimmt Baumarten und Sträucher
wie Ulme, gelber Flachs und Fujian-Tee, stutzt die Baumstämme
und behält die Zweige zurück. Nachdem man sie dann zu
phantasievollen Topfpflanzen zusammengestellt hat, zeigen
sie unbefangen und kräftig einen natürlichen und anziehenden
Charakter.
Shanghaier Künstler haben für sich, nachdem
sie von dem Stil und den Methoden der anderen vieles lernten.
Sie verbinden kunstvoll Bäumchen mit Gestein und legen
den Hauptwert auf das Arrangement.
Eine ausgezeichnete Baumstumpf-Topfpflanze
kann erst richtig durch geordnete Gestaltung und durch jährliches
Stutzen sowie sorgfältige Pflege gezogen werden. Je älter
die Baumelemente sind, desto preiswerter ist das Arragement.
In den Städten Nantong und Yangzhou gibt es über 400
Jahre alte Topfpflanzen von Luohan-Kiefer und Zypresse; in
der Lunghua-Baumschule bei Shanghai blüht jedes Jahr eine
240 Jahre alte Granatapfel-Topfpflanze und bringt neue Früchte,
trotzdem das Holz bereits morsch wurde.
Die kunstvollen Miniatur-Felsengärten
werden arrangiert mit Gräsern, Moos, zierlichen Pavillons,
Booten und Brücken. Bereits im Buch „Yunlin Shipu“ aus der
Song-Dynastie (960-1127) wurde überliefert, dass es damals
schon 116 Arten von Steinen für die Herstellung und Dekoration
der Mini-Felsengärten gegeben hat. Heute verwendet man
auch lockere Steine wie Sandstein und Bimsstein, die leicht
Wasser absorbieren, so dass Moos darauf besser ansetzen und
wachsen kann, aber man nimmt auch ohne Moos härtere Steine
wie Axinit und Stalagmit. Man verwendet auch „Songhuashi“,
eine Kieferversteinerung, die zur Elite der Gartenfelsen zählt,
wobei sowohl die Gestalt und Art der Kiefer als auch der Charakter
des Felssteins erhalten bleiben.
Die Mini-Felsengärten stellen auch
als Landschaftsmotiv einen empor ragenden Berg oder eine baumreiche
Bergkette dar, ganz wie es in einem alten chinesischen Gedicht
beschrieben ist: „Wenn auch winzig wie ein Kinderfuß,
scheint es doch zehntausend Li weit; und an kleinsten Ort
erscheinen uns Tausende von hohen Bergen.“ Wichtig hierbei
ist, wie man einen Miniaturgarten komponieren und arrangieren
will. Nachdem die Künstler die natürlichen Steine bearbeiteten,
klebten und zersägten, können sie diese dann zu
einem perspektivischen Landschaftsbild anordnen.
Ein schönes Topfpflanzenkunstwerk muss
auch mit dem entsprechenden Gefäß und Blumentisch
angeboten werden. Die Töpfe selbst sind dann im Grunde
auch wertvolles Kunsthandwerk, darunter gibt es Marmor-, Keramik-
und Porzellantöpfe oder Kübel. Die Keramik- und glasierten
Töpfe von Yixing in der Provinz Jiangsu und Foshan in
der Provinz Guangdong nehmen hier den ersten Platz ein. Manche
alten Töpfe aus der Qing- und Ming-Zeit sind von den
Miniaturgarten-Freunden noch höher geschätzt. Die
Blumentische sind aus chinesischem Rotholz, Schwarz-Bambus
und auch natürlichen Baumwurzeln, und zwar viereckig, rund,
lang oder hoch geformt.
Diese chinesische Miniaturgartenkunst hat
eine Geschichte von über 1200 Jahren, wie aus den ersten Überlieferungen
der Tang-Dynastien (618-907) hervorgeht. Auf den 1971 in Qianling
in der Provinz Shanxi entdeckten Wandmalereien im Grab des
Prinzen Zhanghuai, des zweiten Sohnes der Kaiserin Wu Zetian
aus der Tang-Dynastie, kann man sehen, dass eine Hofdame eine
Minilandschaft in den Händen trägt. Dieses alte
Grab wurde 706 u. Z. gebaut und die darin befindlichen Wandmalereien
zeigen das echte Leben des kaiserlichen Hofs. In der Tang-
und Song-Zeit entstanden ferner viele noch heute beliebte
Gedichte über dieses überlieferte Kunsthandwerk. Noch umfangreicher
entwickelte sich diese Floristenkunst in der Ming- und Qing-Zeit.
Damals schrieb man sogar Fachbücher darüber, welche auf die
Herstellungstechnik und Pflege der Miniaturgärten näher
eingehen.
In China bemüht man sich jetzt in Parkanlagen
des ganzen Landes um die Entwicklung dieser Gartenkunst, In
manchen Städten gibt es Organisationen oder Verbände
für Miniaturgärten und Topfpflanzenarrangements, welche
untereinander die Technik dafür austauschen. In den Städten
Guangzhou, Shanghai, Hangzhou, Guilin, Nanning, Nantong und
Yangzhou sind die Topfpflanzen-Gärten der Bevölkerung
zugänglich. Seit 1954 sammelt der Garten der Lunghua-Baumschule
bei Shanghai Raritäten von Miniaturgärten und Topfpflanzengebilden
sowohl aus der Stadt Shanghai als auch von dem ganzen Land.
Hier entwickelte sich bereits ein großes Miniaturgarten-Zentrum
mit über zehntausend faszinierenden Schöpfungen. Und
manche Leute gestalten auch mit großem Engagement selbst
Mini-Landschaften in ihrer Freizeit. Sie hegen solche Gebilde
zur Verschönerung ihres Heims und haben daran Freude,
denn auch zu Hause kann man sich jetzt die Schönheit
einer Landschaft vorstellen. In Parks werden oft Miniaturgarten-Ausstellungen
eröffnet. Auch in Hotels, Banketthallen und Gasthäusern
stellt man zur Begrüßung der Gäste wertvolle Topfplanzen
auf. Sie sind ferner ein beliebtes Geschenk unter Freunden.
Anleitung zum Selbermachen:
1.
Die Pflanzenerde
muss unbedingt immer feucht sein. Ungleich, je nach Jahreszeit,
werden Topfpflanzen begossen, im Sommer täglich zweimal,
am Morgen und Abend, im Frühling und Herbst etwas weniger,
im Winter aber gießt man sie höchstens alle paar
Tage einmal. Durch zuviel Wassergehalt werden die Wurzeln
verdorben.
2.
Die kleinen
Baumlandschaften sollen in einem sonnigen Raum stehen, besonders
wenn man sie erst eingewöhnt. Im Sommer aber dürfen manche
Topfpflanzen, wie Kiefer oder Ahorn, keine direkte Sonnenbestrahlung
bekommen, um den Blätternachwuchs zu schützen.
3.
Zum Verschönen
der Gestaltung muss man rechtzeitig die Zweige stutzen. Die
langen Zweige sind kürzer zu schneiden und die dichten Zweigen
zu lichten.
4.
In kleinen
Mengen können auch Düngemittel öfter im Jahre verwendet
werden, mit Ausnahme von Pinien- und Zypressengestecken, die
leichte Düngung lediglich drei oder viermal in Jahre benötigen.
In China pflegt man Phosphat- und Kalidünger, Bohnen- oder
Rapskuchensubstanz (nachdem hier das Pflanzenöl bereits
ausgepesst ist) zur Bodenanreicherung zu benutzen.
5.
Die Pflanzenerde
muss in Frühjahr alle zwei bis drei Jahre und für die größeren
Topflandschaften alle vier bis fünf Jahre erneuert werden.
Damit zugleich sind die alten Wurzeln teilweise abzuschneiden,
damit die neuen schneller wachsen können.
6.
Außerdem
muss man auch für die Verhütung und Beseitigung von Pflanzenkrankheiten
und Schädlingen sowie Unkraut Sorge getragen werden.
Die in Südchina wachsenden oder in dünnen Töpfen gezogenen
Topfpflanzen sind vor der Winterkälte zu schützen.
(Aus „China im Aufbau“, Nr.
6, 1979)