August 2002
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Debatte über die Restaurierung des Kaiserpalasts

Von Yang Ruichun

Ihre ersten Eindrücke vom Kaiserpalast in Beijing bekamen viele Ausländer aus dem Film „Der letzte Kaiser“, der vom italienischen Regisseur Bernardo Bertolucci 1987 gedreht wurde. In der Tat zählt der Kaiserpalast zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten in Beijing, seit er Besuchern zugänglich gemacht wurde. Die über 500 Jahre alte Residenz, wo 24 Kaiser der Ming- (1368-1644) und Qing-Dynastie (1644-1911) lebten und regierten, ist gleichzeitig eine Kunsthalle. Sie stellt den Glanz der chinesischen Geschichte dar. Fast alle Besucher sind von ihr fasziniert. Vor 100 Jahren schilderte ein US-Amerikaner den Kaiserpalast mit den Worten: „Hier werden Sie von all dem, was Sie sehen, tief  bewegt. Alles ist von einer einzigartigen, beunruhigenden Schönheit.“

Als größter und vollständig erhalten gebliebener kaiserlicher Baukomplex wird der Kaiserpalast jeden Tag von zahlreichen in- und ausländischen Touristen besucht. Allein 2001 betrug die Besucherzahl acht Millionen.

Ende März 2002 wurden die viele Jahre lang besprochenen, umfangreichen Restaurierungsarbeiten des Kaiserpalasts in Angriff genommen. Jin Hongkui, Vizedirektor der Abteilung für Kulturgüterschutz beim Staatlichen Amt für Kulturgüter, sagt voller Zuversicht: „Ich hoffe, dass die große Überholung des Kaiserpalasts vor dem Jahr 2008 vollendet werden kann. Das ist ein majestätischer historischer Baukomplex, er soll nach der Restaurierung weder verfallen noch nagelneu sein.“

Zum gewaltigen Restaurierungsplan gehört der Bau einer modernen unterirdischen Ausstellungshalle, damit Millionen von Kulturgegenständen, die bisher hinter verschlossenen Türen aufbewahrt sind, den Besuchern endlich zur Schau gestellt werden können. Dieses Vorhaben hat sofort die Aufmerksamkeit besonders von Sachverständigen für Kulturgegenstände und historische Bauwerke auf sich gezogen. Derzeit wird überall heiß diskutiert, ob die unterirdische Ausstellungshalle gebaut werden soll. Wird sie die gegenwärtige Gesamtanordnung stören? Wie kann man das Kulturerbe besser schützen?

Ein Plan, der fünf Jahre in der Schublade lag

Die ersten Striche für den Plan, eine unterirdische Ausstellungshalle zu bauen, wurden 1994 gezogen. Sie sollte in Shangsiyuan, nahe dem Donghua-Tor, zu liegen kommen.

Shangsiyuan war der kaiserliche Pferdestall. Nun ist dort nur eine Abschirmwand erhalten geblieben. Es existieren keine weiteren Bauwerke. Dies ist der größte freie Platz im Kaiserpalast, der noch ungenutzt ist. 1988 untersuchte das Rekognoszierungs- und Projektierungsinstitut Beijing im Auftrag der Verwaltung des Kaiserpalasts diesen Ort und kam zum Schluss: „Der Boden ist eben, dicht und hat eine hohe Tragfähigkeit. Es ist keine schlechte Bodenbeschaffenheit festzustellen. Die Projektausführung an diesem Ort hätte nur geringste Schäden an den Fundamenten der nahe liegenden antiken Bauwerke zur Folge.“

Der Hauptgrund, eine unterirdische Ausstellungshalle zu bauen, liegt darin, den langjährig bestehenden Widerspruch zwischen dem Schutz der kaiserlichen Bauwerke und der Ausstellung der Kulturgegenstände zu beseitigen. Der Kaiserpalast verfügt über fast eine Million Kulturgegenstände, wovon nur 1% zur Schau gestellt werden. Die restlichen 99% liegen in unterirdischen Lagern und können Besuchern nicht gezeigt werden.

Jeder Museumsleiter des Kaiserpalasts war und ist von diesem Widerspruch geplagt. Einerseits beruhen die meisten Bauwerke des Kaiserpalasts auf einer Holzkonstruktion und sind kaum geeignet für moderne Ausstellungsanlagen mit konstanter Wärme und Feuchtigkeit. Alarmsysteme für Brand- und Diebstahlschutz sind auch nur schwer zu installieren. Andererseits kann man unter den gegebenen Ausstellungsbedingungen im Kaiserpalast viele delikate Gegenstände wie Seidenstücke oder Bilder überhaupt nicht ans Tageslicht bringen. Bilder und Kalligraphien können normalerweise nur für 20 Tage und einen Monat im Jahr ausgestellt werden, weil sie zu empfindlich gegen UV-Strahlen sind. Auch viele Gewebe und Stoffgegenstände wie Gardinen, Decken oder Kissen sind im Sonnenlicht bereits verblichen.

Um das Problem zu lösen, setzen sich viele Experten für Kulturgüterschutz für eine neue Ausstellungshalle ein, für die jedoch viele Voraussetzungen nicht gegeben sind. Deshalb scheint die unterirdische Ausstellungshalle letztendlich doch die beste Lösung zu sein. Seltsam ist nur, dass der Plan im Jahr 1998 nicht in die Tat umgesetzt wurde, sondern im Gegenteil für fünf Jahre in den Schubladen verschwand.

Pro und Kontra

Laut Insidern liegt der Grund dafür, dass der Plan beiseitegelegt wurde, im Widerstand vieler Experten für Kulturgüterschutz und Architekten.

Ihr Hauptargument war, der Bau einer unterirdischen Ausstellungshalle könnte nicht nur die vorhandene Anordnung beeinträchtigen, sondern auch die Bauwerke selber beschädigen.

Diese Ansicht könnte Laien schwer verständlich erscheinen.  Shangsiyuan ist ein freier Platz und liegt in einigem Abstand von den umliegenden Bauwerken entfernt. Wie könnten diese Schaden nehmen?

Im Buch „Die Verbotene Stadt“ von Li Xuewen, dem berühmten Experten für antike Bauwerke, wird eine Ziegelkonstruktion im Boden unter der Verbotenen Stadt geschildert. Beim Bau des Kaiserpalasts in der Ming-Dynastie wurde um den Palast herum ein tiefer Graben ausgehoben, der dann mit Ziegeln aufgefüllt wurde. Diese unterirdische Mauer sollte verhindern, dass Feinde einen Tunnel in die Verbotene Stadt graben könnten. Die Ziegel wurden sieben Schichten quer und acht Schichten längs in den Graben gelegt und dann mit einem aus klebrigem Reisbrei und Kalkmilch gemischten Mörtel zusammengefügt.

Laut einigen Experten ist das Fundament des Kaiserpalasts eine aus festgestampfter Erde und Ziegeln bestehende Platte aus einem Stück. Dank der Platte sei bei den vielen Erdbeben in Beijing nie eine Haupthalle zusammengefallen.

Viele Experten sind jedoch anderer Meinung. Der Architekt Zhang Kegui, Abteilungsleiter für antike Bauwerke am Kaiserpalastmuseum, meint, die verbreitete Ansicht, das Fundament sei eine einzige, ganze Platte, sei nicht exakt. Nach Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Fundamente der Hauptbauwerke nicht gleichmäßig seien. Die Proportionen der Bauwerke und deren Tragbarkeit seien auch nicht gleich.

Während es früher hieß, der Bau einer unterirdischen Ausstellungshalle neben dem Kaiserpalast würde die Schäden so gering wie möglich halten, nun spricht man jetzt schon davon, dass diese Variante gar keinen Schaden hervorrufen werde.

Offensichtlich hat die letztere Meinung die Oberhand gewonnen, denn die Restaurierungsarbeiten wurden bereits in Angriff genommen.

Informationen

1. Die „Verbotene Stadt“

Die Verbotene Stadt diente als kaiserliche Residenz in der Ming- und Qing-Dynastie. Sie hat eine Fläche von 720 000 m2 , auf der 1228 Bauwerke mit 8700 Räumen liegen. Die Baufläche beträgt 170 203 m2 . Der Kaiserpalast ist der größte und am vollständigsten erhaltene alte Baukomplex der Welt . Er hat eine streng geordnete Baustruktur. Die Ziegel und Dachziegel spiegeln die allerhöchste Autorität des Kaisers wider. Im Kaiserpalast regierten insgesamt 24 Ming- und Qing-Kaiser während 491 Jahren. Er durchlebte alles, was es an gesellschaftlichen Änderungen im Lauf der Zeit gab. Aufgrund seines hohen historischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Werts wurde der Kaiserpalast 1961 zum nationalen Kulturgut erklärt und unter Denkmalschutz gestellt. 1987 wurde er von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.

2. Die Restaurierungsarbeiten

Ab März 2002 werden Restaurierungsarbeiten ausgeführt, die  sechs Bereiche betreffen. 1. Große Flächen des Bodens und zahlreiche Straßen werden im Originalzustand wiederhergestellt. Das heißt, Betonziegel und Asphaltstraßen werden durch Tonziegel ersetzt. 2. Wichtige Bauwerke wie die Wuying-Halle (Halle der militärischen Tapferkeit), der Shoukang-Palast (Palast der Langlebigkeit und Gesundheit), der Cining-Palast (Palast der Barmherzigkeit und Ruhe) und der Cining-Garten, die zu zerfallen drohen und innerlich sowie äußerlich in schlechtem Zustand sind, werden renoviert. 3. Ausschmückungen wie Kassettendecken, Zimmerdecken und Trennwände aus Brettern werden restauriert. 4. Zahlreiche steinerne und bronzene Kulturgegenstände, die im Freien liegen, werden gereinigt und geschützt. 5. Beschädigte Schutzmauern und ein Teil der Hofmauern werden befestigt. 6. Veraltete Infrastruktureinrichtungen wie die Brandalarmanlage, technische Sicherheitsvorkehrungen und das Wasser- und Stromversorgungssystem werden erneuert.

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