Oktober 2002
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Kultur und Kunst

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Kurze Einführung in die Peking-Oper
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Kurze Einführung in

die Peking-Oper

Von M.-L. Latsch-Heberer

Im Mai dieses Jahres geht die Shanghaier Peking-Oper-Truppe auf Tournee in Deutschland. Dies möchte ich zum Anlass nehmen, kurz eine Einführung in die Peking-Oper zu geben, denn diese Theaterform ist für den westlichen Betrachter relativ schwer zugänglich, und zudem ist dieses klassische Musiktheater von unserer Oper grundsätzlich verschieden.

Alle Aspekte jedoch fundiert und bis ins einzelne darzulegen würde eine genauere Analyse erfordern und ist an dieser Stelle nicht beabsichtigt.

Zur Geschichte

Von einer Peking-Oper als solcher kann man seit ungefähr 200 Jahren sprechen. Die Ursprünge reichen allerdings weit in die Geschichte zurück. Großen Einfluss auf die Entwicklung hatte beispielsweise das Kunqu, eine Singspielform, die sich zur Zeit der Ming-Dynastie entwickelte, und von der heute noch viele Elemente beim Gesang, beim Tanz und bei der Musikbegleitung festgestellt werden können.

Die Peking-Oper entwickelte sich aus einer Synthese verschiedener Lokalopern, hauptsächlich aus der Hui-Oper aus Anhui und der Han-Oper aus Hubei.

Besondere Merkmale

Als besonders charakteristisch für die Peking-Oper wäre zu nennen, dass in ihr Gattungen vereint sind, die bei der europäischen Bühnenkunst scharf getrennt sind, wie Gesang mit Orchesterbegleitung, das gesprochene Wort, Pantomime, Akrobatik. Der Darsteller ist Schauspieler, Tänzer, Akrobat, alles in einem.

Dabei haben sich verschiedene Formen herausgebildet. Manchmal überwiegen Musik und Gesang, manchmal die Pantomime, wieder bei einer anderen Art überwiegen die Kampfszenen - also die Akrobatik - und bei einer vierten schließlich steht das gesprochene Wort im Vordergrund.

Musik und Sprechen

Die Zusammenstellung der begleitenden Instrumente kann je nach Stück sehr variieren. Mal dominieren die Schlaginstrumente, mal die Streich- oder Blasinstrumente. Generell kann aber gesagt werden, dass zum Peking-Oper-Orchester folgende Instrumente gehören: die zweisaitigen Fideln (Erhu, Huqin), Flöten, die Mundorgel (Sheng), die viersaitige Mondguitarre (Yueqin), die chinesische Laute (Pipa), eine Art Klarinette (Sona), Trommeln, verschiedene Arten von Glocken, Becken, ein hölzerner Taktschlegel. Der "Schlagzeuger" dirigiert gleichzeitig das Orchester. Musikalisch werden Auftritte und Abgänge unterstrichen, Kämpfe im allgemeinen mit Schlaginstrumenten untermalt, Gesänge mit Streich- oder Blasinstrumenten begleitet, pantomimische Darbietungen unterstrichen.

Singen und Dialoge sind eng miteinander verworben. Normalerweise wird der Gesang benutzt, um starke emotionale Intensität auszudrücken. Oftmals wird im Gesang noch einmal wiederholt, was vorher schon gesprochen wurde.

An dieser Stelle auf die Unterschiede in den verschiedenen Gesangsstilen, ihre Entwicklung und Herkunft einzugehen, würde zu weit führen. Allgemein gesagt werden muss jedoch, dass gerade Musik und Gesang das Bestimmende, das wesentlichste Element der Peking-Oper sind. Die Peking-Oper-Fans gehen sich eine Oper nicht ansehen, sondern anhören.

Die Sprechdialoge selbst werden nicht musikalisch begleitet, aber in verschiedenen rythmischen Variationen vorgetragen.

Betritt ein Darsteller in einer traditionellen Peking-Oper zum ersten Mal die Bühne, hält er einen sehr melodischer Prolog in Versform.

Er stellt sich auf diese Art vor, erzählt, wer er ist, in welcher Situation er sich befindet usw. Vereinfacht lässt sich sagen, dass der Kaiser, die Beamten, die Gelehrten usw. meistens in Gedichtform sprechen, die Spaßmacher, das Dienstpersonal aber im allgemeinen die Umgangssprache benutzen.

Rollen

Es werden vier Rollentypen unterschieden: Sheng, Dan, Jing und Chou. Nicht dabei inbegriffen sind die Statisten, d.h. die Truppen, Volksmassen usw.

Sheng heißen die Darsteller männlicher Hauptrollen. Es sind die Scholaren, Staatsleute, kriegerischen Patrioten usw. Man untergliedert in Lao Sheng, ältere Männer mit Bart, und Xiao Sheng, jüngere Männer, die mit hoher Falsettstimme singen, um ihre Jugendlichkeiten anzuzeigen. Dann unterscheidet man noch die Wen Sheng und die Wu Sheng. Die Wen Sheng sind die Gelehrten und Beamten, die Würde und Haltung zeigen müssen, und die Wu Sheng sind die Militärs, die besonders in Akrobatik ausgebildet sein müssen, weil sie in Kampfszenen auftreten.

Mit Dan bezeichnet man die Frauenrollen. Sie werden unterteilt in Lao Dan, ältere, würdevolle Damen wie Mütter, Tanten, Witwen. Sie sind natürlich geschminkt und singen mit natürlicher Stimme; die Qing Yi, edle Frauen mit gutem Charakter; die Hua Dan, Kammerzofen und Mägde; die Dao Ma Dan, die Kämpferinnen, und schließlich die Cai Dan oder Chou Dan, manchmal gefährliche, unangenehme Frauen, aber meistens weibliche Spaßmacher, der Gegenpart zu der Chou-Rolle (Siehe weiter unten).

Die Jing-Rollen sind die Bemalten-Gesichter-Rollen. So dargestellt werden Krieger, Helden, aber auch Staatsleute, Abenteuer, übernatürliche Wesen usw. eine Untergruppe davon sind die Fu Jing - bärbeißige, oft lächerliche überhaupt nicht heldenhafte Figuren.

Die Chou schließlich sind die Spaßmacher. Sie sind daran zu erkennen, dass die Augen- und Nasenparte weiß geschminkt ist. Sie bringen das Publikum zum Lachen. Durch sie werden törrichte, tölpelhafte, aber auch geizige, geldgierige Charaktere dargestellt, d.h. aber nicht unbedingt schlechte, sondern öfter auch offenherzige, einfache, aufrichtige Menschen.

Kostüme

Für jede Rolle gibt es ein entsprechendes Kostüm. Dabei orientierte man sich hauptsächlich an der Kleidung der Ming-Dynastie (1368-1644), fügte allerdings einiges hinzu, wandelte manches ab.

An Schnitt und Farbe lässt sich die gesellschaftliche Stellung erkennen. Jedes Kostüm weist bestimmte Merkmale auf. Ein Bettler etwa trägt wie alle anderen Darsteller Seidenkleidung, allerdings mit kunstvoll verteilten Flicken.

Bei den männlichen Rollen sind die Bärte ein wichtiges Accessoire. Dabei sind Farbe und Form von Belang. Der Bart bestimmt sich nach dem darzustellenden Charakter, dem Alter, der sozialen Stellung. Ein in drei Teile geteilter Bart zeigt Rechtschaffenheit, Redlichkeit an, ein kurzer Schnurrbart einen groben Charakter usw.

Pantomime und Akrobatik

Auf der äußerst sparsam dekorierten Bühne, meistens gibt es nur wenige Requisiten wie Tische, Stühle, Paravents, Stöcke, Peitschen und in wenigen Fällen auch ein Bühnenbild, werden viele Vorgänge pantomimisch dargestellt: Pferde werden bestiegen, indem man sich eine mit Quasten geschmückte Peitsche reichen läßt und genau vorgeschriebene Bein- und Armbewegungen vollzieht, ebenso wird geritten, vom Pferd abgestiegen. Die Farbe der Quasten gibt dabei die Farbe des Pferdes an. Imaginäre Türen werden geöffnet, geschlossen, es wird geschwommen, Boot gefahren, Berge werden bestiegen. Tücher bestickt und das alles, ohne dass neue Requisiten außer den oben genannten ins Spiel kämen.

Jedoch benutzt man solche Hilfsmittel wie Fahnen und Tücher. Tücher mit blauen Wellenlinien stellen Wasser dar, zwei Fahnen mit Rädern symbolisieren einen Wagen usw. Dabei ist jede Haltung, jede Bewegung genau vorgeschrieben. Es gibt unzählige Arten von Schritten, zwanzig Arten des Lachens und Lächelns usw. Der Tanz in der Peking-Oper geht zum einen auf alte Volkstänze zurück, zum anderen auf den alten klassischen Tanz. Die akrobatischen Elemente dabei stammen von alten Kampf- und Kriegstänzen.

Inhalte

Generell wird zwischen Wenxi und Wuxi unterschieden. Erstere sind Stücke, die das gesellschaftliche, häusliche Leben beschreiben, und letztere sind Stücke, die von Krieg, Militär und Abenteuer handeln. Aber meistens sind beide Arten in einem Stück vermischt. Allgemein lässt sich sagen, dass viele Volksmärchen, Sagen, Legenden und klassische literarische Werke wie die "Drei Reiche", "Traum der Roten Kammer", "Reise nach dem Westen" usw. die Vorlage zu Peking-Opern dargestellt haben.

Die Thematik ist dementsprechend. Es geht um geschichtliche Gegebenheiten, gesellschaftliche Missstände werden angeprangert, es geht um Helden, um dem Kampf von Frauen gegen die feudalen Zustände, die Treue von Männern und Frauen, um Liebesgeschichten, um phantastische Geschichten.

Reform

Seit 1949, der Gründung der VR China, begann man, neue Peking-Opern im traditionellen Stil gezielt zu schreiben und alte zu reformieren, um damit der neuen gesellschaftlichen Entwicklung gerecht zu werden. Mit dem Beginn der Kulturrevolution wurden dann nur noch die sogenannten "Modellopern" gezeigt, die alten Peking-Opern verschwanden von der Bühne, waren verboten. Zehn Jahre lang gab es an den Peking-Opern-Schulen keine Absolventen mehr.

Nach der Zerschlagung der Viererbande, im Gefolge der neuen Kulturpolitik, wurden wieder einige der alten Peking-Opern aufgeführt.

Ich befragte hierzu in Interviews Zuständige an dem Beijinger Institut für Chinesisches Theater. Als ein Grund wurde angeführt: "Wir führen diese Stück auf, weil die Leute sie so lange nicht sehen konnten. Unter der Viererbande ging es nur ums Belehren. Natürlich kann gute Kunst einen erzieherischen Effekt haben, aber die Leute wollen sich doch auch für ihr Geld amüsieren."

Und auf meine Frage, ob und wie man in Zukunft die Oper reformieren wolle: "Die Peking-Oper muss geändert werden, und zwar so, dass sie mit der Entwicklung der Gesellschaft in Zusammenhang steht. Aber dabei darf man nicht grobschlächtig vorgehen, wie unter der Viererbande, aber auch nicht zu konservativ. Vor allen Dingen müssen die hauptsächlichen Merkmale der Peking-Oper beibehalten werden."

                                 (Aus Nr. 3 von "China im Aufbau", 1979)

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