Oktober 2002
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Kultur und Kunst

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Beijings Flüsse

Von Huo Jianying

Im August 2002 erblickte der Changpu-Bach östlich der Tian’anmen-Tribüne nach mehr als 40 Jahren im Untergrund wieder das Tageslicht. In den späten 60er Jahren verschwand der Bach unter einem Betondeckel, auf dem Lagerräume für Verzierungen, die bei Paraden auf dem Tian’anmen-Platz zum Einsatz kamen, gebaut wurden. In den letzten Jahren jedoch hat die Stadtregierung der natürlichen Umwelt und dem Schutz historischer Stätten vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt und entsprechende Maßnahmen ergriffen. Dabei wurde der Wiederherstellung des Flussnetzes auf dem Stadtgebiet hohe Priorität eingeräumt.

Das kaiserliche Flussnetz

Obwohl gerade 510 m lang, war der Changpu zwischen dem 14. und dem 20. Jh. einer der zwei wichtigsten Wasserläufe in der einstigen kaiserlichen Stadt Beijings. Der andere war der Goldwasserfluss neben der Halle der Höchsten Harmonie in der Verbotenen Stadt. Weil der Changpu außerhalb des Kaiserpalasts liegt, wird er auch der „Äußere Goldwasserfluss“ genannt. In der Ming-Dynastie war Beijing in drei konzentrischen Ringen angelegt: Das Zentrum bildete die Verbotene Stadt, darum herum lag die kaiserliche Stadt, wo der Adel und hohe Beamte wohnten, und zuäußerst befand sich die Innenstadt. Die Verbotene Stadt als kaiserlicher Hof war von Wasser umgeben; im Süden floss der Goldwasserfluss, im Osten, Norden und Westen der Tongzi-Fluss. Beide Wasserläufe sind heute noch erhalten. Die Innenstadt war ebenfalls durch Wassergräben eingefasst. Was heute davon übrig ist, wurde in der Ming-Dynastie (1368–1644) gebaut und diente damals mehreren Zwecken, nämlich der Wasserversorgung, der Abwasserableitung, dem Transport und der Verteidigung.

Aufgrund ihrer Herkunft in Südchina hatten die Ming-Kaiser eine große Vorliebe für Wasser. Kaiser Zhu Yuanzhang, der Gründer der Dynastie, wählte Nanjing am Yangtze als Hauptstadt für sein Reich aus, doch nachdem sein Sohn Zhu Di den Thron bestiegen hatte, wurde sie nach Beijing verlegt. Der Grund dafür war, dass Beijing seit langem zu Zhu Dis Einflussbereich gehört hatte und über eine erhebliche wirtschaftliche und militärische Stärke verfügte. Seine Lage war außerdem von strategischer Bedeutung für die Verteidigung gegen die feindlichen Völker im Norden. Auf Zhu Di folgte im Jahr 1424 sein Sohn Zhu Gaochi, der bald den Entscheid seines Vaters rückgängig machte und die Hauptstadt abermals nach Nanjing verlegte. Doch er starb nur gerade zwei Monate später. Ansonsten wäre Beijings Geschichte ganz anders verlaufen.

Zhu Di hatte schon in seiner Zeit als Gouverneur von Beijing, damals unter dem Namen Prinz Yan, großes Gewicht auf den Bau der Wasserversorgung gelegt. 1371 ließ er die Stadtmauer aus der vorhergehenden Dynastie, der Yuan (1271–1368), nach Süden verlegen und machte den Gaoliang-Fluss und den Jishuitan-See zum nördlichen Wassergraben. 1419 wurde ein neuer Wassergraben südlich der kaiserlichen Stadt angelegt, und der westliche und der östliche Graben aus der Yuan-Dynastie wurden erweitert und mit ihm verbunden. Später, nach dem Bau der Stadtmauer, kam ein äußerer Graben hinzu, dessen Wasser schließlich, zusammen mit dem der anderen Wasserläufe, in den Tonghui-Fluss abgeführt wurde. Ab diesem Zeitpunkt war Beijing von grünem Wasser eingeschlossen.

Alte Wasserversorgungsanlagen

In alter Zeit war Beijing ein bedeutender Binnenhafen. Nachdem es im 13. Jh. zur Hauptstadt der Yuan-Dynastie erklärt wurde, nahm seine Bevölkerung schlagartig zu. In jener Zeit unterstanden der Stadt 16 Bezirke mit einer einheimischen Bevölkerung von über 400 000. Zählt man die Regierungsbeamten, Kasernenbelegschaften und Wanderarbeiter hinzu, dürfte die wahre Einwohnerzahl Beijings bei einer Million gelegen haben. Um eine Bevölkerung dieser Größe zu ernähren, bedurfte es regelmäßiger Getreidetransporte aus Südchina, der „staatlichen Kornkammer“. Diese erfolgten auf dem Kaiserkanal, der von Hangzhou nach Beijing führt, und die Fracht wurde in den Docks von Zhangjiawan entladen.

Im Süden des heutigen Beijinger Bezirks Tongzhou gelegen, wickelte der Hafen von Zhangjiawan alle Getreidelieferungen nach Beijing ab, von der Yuan- bis zur Qing-Dynastie. Da sich in Zhangjiawan das Amt für die Verwaltung der Getreidetransporte nach Beijing zu Wasser und zahlreiche Getreidespeicher befanden, war der Ort streng bewacht. Frachtkähne bildeten nur wenige Kilometer außerhalb der Stadt lange Kolonnen entlang des Kanals.

Als politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum der Yuan-Dynastie stand Beijing vor zwei dringenden Aufgaben: neue Wasserquellen zu finden und eine Wasserverbindung nach Zhangjiawan zu bauen, um Getreidelieferungen direkt in die Stadt zu erlauben.

Diese beiden Projekte standen unter Federführung von Guo Shoujing (1231–1316), einem renommierten Astronomen und Wasserbauingenieur. Nach sorgfältigen hydrologischen und geographischen Abklärungen entdeckte Guo die Baifu-Quelle im Shenshan-Berg. Er ließ im Nordwesten Beijings den 30 km langen Baifu-Kanal bauen, um das Quellwasser in die Stadt zu führen, das dann über das bestehende Flusssystem in den Kaiserkanal fließen sollte.

Um topographische Probleme bei der Verbindung Beijings mit dem Kaiserkanal zu lösen, sah Guo Dutzende von Schleusen vor, mit denen der Wasserstand und die Abflussmenge gesteuert werden konnten. Der 80 km lange Kanal wurde von 20 000 Arbeitern in gerade etwas mehr als einem Jahr gebaut. Bei seiner Fertigstellung war der Yuan-Kaiser Kublai Khan entzückt, auf dem Jishuitan-See lauter Boote aus Tongzhou zu sehen, und gab dem Kanal den Namen „Tonghui-Fluss“. Der Fluss wurde instandgestellt und man kann heute darauf eine Bootstour machen.

Hochwasserkatastrophen

Obwohl Beijing heutzutage zunehmend unter Wassermangel leidet, führt es nichtsdestoweniger jährlich Hochwasserschutzübungen durch. Dies rührt daher, dass die Stadt in den vergangenen Jahrhunderten schwere Überschwemmungen erlebte, für die meistens der Yongding-Fluss verantwortlich war. Wie historischen Dokumenten zu entnehmen ist, trat der Yongding-Fluss zwischen 1115 und 1949 140 Mal über die Ufer, wobei die Zeitabstände zwischen den einzelnen Hochwassern immer kürzer wurden. In den 268 Jahren der Qing-Dynastie gab es 68 Flutkatastrophen, im Durchschnitt also eine alle vier Jahre.

Im Jahre 1626 fegten reißende Fluten vom Yongding-Fluss durch die Stadt und forderten viele Opfer. Das Hochwasser von 1890 überschwemmte auch das östliche, westliche und südliche Umland von Beijing, mit der Folge, dass das Wasser nicht aus der Stadt abfließen konnte und viele der unter Wasser stehenden Gebäude einstürzten

Trotz des Unheils, das der Yongding-Fluss immer wieder über Beijing gebracht hat, ist er seine Lebensader. Ohne ihn hätte sich Beijing nicht von einer einfachen Siedlung zu einer Metropole entwickeln können. Aus den süßen und erfrischenden Quellen am Yuquan-Hügel sprudelt genau besehen durch Kalkstein gefiltertes Wasser aus dem Yongding-Fluss. Er ermöglichte die Bewässerung des Ackerlands um Beijing und speiste die meisten Bäche und Seen in der Stadt. Vor Jahrhunderten gab es große Wasserflächen nordwestlich der Innenstadt, in denen üppiger Lotos spross und es vor Fischen und Wasservögeln wimmelte. Tempel, Pavillons und Residenzen schmückten die Ufer.

Restaurierung der Flüsse Beijings

Wegen klimatischer Veränderungen und stark gestiegenen Verbrauchs ist der Wasserstand in den Gewässern Beijings in den letzten hundert Jahren gesunken. In den 60er Jahren wurde der westliche Teil des Wassergrabens um die Innere Stadt in den Untergrund verbannt, und im Zuge der raschen Stadtentwicklung in den 70er Jahren erlitten andere Teile das gleiche Schicksal. Übrig geblieben sind nur noch der südliche und ein Stück des nördlichen Grabens und damit weniger als die Hälfte der ursprünglichen Anlage. Unschön sind auch die betonierten Flussränder, in die Beijings alte Wasserläufe gezwängt wurden.

Dies soll sich jedoch mit dem Erlass des „Plans zum Schutz historisch und kulturell wertvoller Stadtteile“ durch die Beijinger Stadtregierung ändern. Der Plan sieht einen besonderen Schutz von Beijings Wassersystem vor, insbesondere von historisch und ökologisch bedeutenden Gewässern, und verlangt auch Maßnahmen für deren Nutzung. Gemäß dem Plan sollen außerdem die wichtigsten Flüsse und Seen wiederhergestellt werden.

Seit 1998 hat die Stadtregierung eine Milliarde Yuan in Wasserprojekte investiert. Der Beihai- und der Shichahai-See sowie der Tongzi-Fluss wurden ausgebaggert und ihre Uferanlagen repariert. Zur Zeit sind die Arbeiten am Qingshui-, am Bahe- und am Liangshui-Fluss noch im Gang. Bis 2005 hat die Regierung weitere 5,45 Mrd. Yuan für die Säuberung weiterer 20 Flüsse veranschlagt. Ziel ist es, die ursprüngliche Pracht Beijings als Wasserstadt wiederherzustellen.

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