Debatte
über die Restaurierung des Kaiserpalasts
Von Yang
Ruichun




Ihre
ersten Eindrücke vom Kaiserpalast in Beijing bekamen viele Ausländer
aus dem Film „Der letzte Kaiser“, der vom italienischen Regisseur
Bernardo Bertolucci 1987 gedreht wurde. In der Tat zählt
der Kaiserpalast zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten in Beijing,
seit er Besuchern zugänglich gemacht wurde. Die über 500
Jahre alte Residenz, wo 24 Kaiser der Ming- (1368-1644) und
Qing-Dynastie (1644-1911) lebten und regierten, ist gleichzeitig
eine Kunsthalle. Sie stellt den Glanz der chinesischen Geschichte
dar. Fast alle Besucher sind von ihr fasziniert. Vor 100 Jahren
schilderte ein US-Amerikaner den Kaiserpalast mit den Worten:
„Hier werden Sie von all dem, was Sie sehen, tief bewegt.
Alles ist von einer einzigartigen, beunruhigenden Schönheit.“
Als größter und vollständig
erhalten gebliebener kaiserlicher Baukomplex wird der Kaiserpalast
jeden Tag von zahlreichen in- und ausländischen Touristen
besucht. Allein 2001 betrug die Besucherzahl acht Millionen.
Ende
März 2002 wurden die viele Jahre lang besprochenen, umfangreichen
Restaurierungsarbeiten des Kaiserpalasts in Angriff genommen.
Jin Hongkui, Vizedirektor der Abteilung für Kulturgüterschutz
beim Staatlichen Amt für Kulturgüter, sagt voller Zuversicht:
„Ich hoffe, dass die große Überholung des Kaiserpalasts
vor dem Jahr 2008 vollendet werden kann. Das ist ein majestätischer
historischer Baukomplex, er soll nach der Restaurierung weder
verfallen noch nagelneu sein.“
Zum gewaltigen Restaurierungsplan gehört
der Bau einer modernen unterirdischen Ausstellungshalle, damit
Millionen von Kulturgegenständen, die bisher hinter verschlossenen
Türen aufbewahrt sind, den Besuchern endlich zur Schau gestellt
werden können. Dieses Vorhaben hat sofort die Aufmerksamkeit
besonders von Sachverständigen für Kulturgegenstände
und historische Bauwerke auf sich gezogen. Derzeit wird überall
heiß diskutiert, ob die unterirdische Ausstellungshalle
gebaut werden soll. Wird sie die gegenwärtige Gesamtanordnung
stören? Wie kann man das Kulturerbe besser schützen?
Ein Plan, der fünf Jahre in der Schublade
lag
Die ersten Striche für den Plan, eine unterirdische
Ausstellungshalle zu bauen, wurden 1994 gezogen. Sie sollte
in Shangsiyuan, nahe dem Donghua-Tor, zu liegen kommen.
Shangsiyuan
war der kaiserliche Pferdestall. Nun ist dort nur eine Abschirmwand
erhalten geblieben. Es existieren keine weiteren Bauwerke. Dies
ist der größte freie Platz im Kaiserpalast, der noch
ungenutzt ist. 1988 untersuchte das Rekognoszierungs- und Projektierungsinstitut
Beijing im Auftrag der Verwaltung des Kaiserpalasts diesen Ort
und kam zum Schluss: „Der Boden ist eben, dicht und hat eine
hohe Tragfähigkeit. Es ist keine schlechte Bodenbeschaffenheit
festzustellen. Die Projektausführung an diesem Ort hätte
nur geringste Schäden an den Fundamenten der nahe liegenden
antiken Bauwerke zur Folge.“
Der Hauptgrund, eine unterirdische Ausstellungshalle
zu bauen, liegt darin, den langjährig bestehenden Widerspruch
zwischen dem Schutz der kaiserlichen Bauwerke und der Ausstellung
der Kulturgegenstände zu beseitigen. Der Kaiserpalast verfügt
über fast eine Million Kulturgegenstände, wovon nur 1%
zur Schau gestellt werden. Die restlichen 99% liegen in unterirdischen
Lagern und können Besuchern nicht gezeigt werden.
Jeder
Museumsleiter des Kaiserpalasts war und ist von diesem Widerspruch
geplagt. Einerseits beruhen die meisten Bauwerke des Kaiserpalasts
auf einer Holzkonstruktion und sind kaum geeignet für moderne
Ausstellungsanlagen mit konstanter Wärme und Feuchtigkeit.
Alarmsysteme für Brand- und Diebstahlschutz sind auch nur schwer
zu installieren. Andererseits kann man unter den gegebenen Ausstellungsbedingungen
im Kaiserpalast viele delikate Gegenstände wie Seidenstücke
oder Bilder überhaupt nicht ans Tageslicht bringen. Bilder und
Kalligraphien können normalerweise nur für 20 Tage und
einen Monat im Jahr ausgestellt werden, weil sie zu empfindlich
gegen UV-Strahlen sind. Auch viele Gewebe und Stoffgegenstände
wie Gardinen, Decken oder Kissen sind im Sonnenlicht bereits
verblichen.
Um
das Problem zu lösen, setzen sich viele Experten für Kulturgüterschutz
für eine neue Ausstellungshalle ein, für die jedoch viele Voraussetzungen
nicht gegeben sind. Deshalb scheint die unterirdische Ausstellungshalle
letztendlich doch die beste Lösung zu sein. Seltsam ist
nur, dass der Plan im Jahr 1998 nicht in die Tat umgesetzt wurde,
sondern im Gegenteil für fünf Jahre in den Schubladen verschwand.
Pro und Kontra
Laut Insidern liegt der Grund dafür, dass
der Plan beiseitegelegt wurde, im Widerstand vieler Experten
für Kulturgüterschutz und Architekten.
Ihr Hauptargument war, der Bau einer unterirdischen
Ausstellungshalle könnte nicht nur die vorhandene Anordnung
beeinträchtigen, sondern auch die Bauwerke selber beschädigen.
Diese Ansicht könnte Laien schwer verständlich
erscheinen. Shangsiyuan ist ein freier Platz und liegt
in einigem Abstand von den umliegenden Bauwerken entfernt. Wie
könnten diese Schaden nehmen?
Im Buch „Die Verbotene Stadt“ von Li Xuewen,
dem berühmten Experten für antike Bauwerke, wird eine Ziegelkonstruktion
im Boden unter der Verbotenen Stadt geschildert. Beim Bau des
Kaiserpalasts in der Ming-Dynastie wurde um den Palast herum
ein tiefer Graben ausgehoben, der dann mit Ziegeln aufgefüllt
wurde. Diese unterirdische Mauer sollte verhindern, dass Feinde
einen Tunnel in die Verbotene Stadt graben könnten. Die
Ziegel wurden sieben Schichten quer und acht Schichten längs
in den Graben gelegt und dann mit einem aus klebrigem Reisbrei
und Kalkmilch gemischten Mörtel zusammengefügt.
Laut einigen Experten ist das Fundament des
Kaiserpalasts eine aus festgestampfter Erde und Ziegeln bestehende
Platte aus einem Stück. Dank der Platte sei bei den vielen Erdbeben
in Beijing nie eine Haupthalle zusammengefallen.
Viele Experten sind jedoch anderer Meinung.
Der Architekt Zhang Kegui, Abteilungsleiter für antike Bauwerke
am Kaiserpalastmuseum, meint, die verbreitete Ansicht, das Fundament
sei eine einzige, ganze Platte, sei nicht exakt. Nach Untersuchungen
wurde festgestellt, dass die Fundamente der Hauptbauwerke nicht
gleichmäßig seien. Die Proportionen der Bauwerke
und deren Tragbarkeit seien auch nicht gleich.
Während es früher hieß, der Bau
einer unterirdischen Ausstellungshalle neben dem Kaiserpalast
würde die Schäden so gering wie möglich halten, nun
spricht man jetzt schon davon, dass diese Variante gar keinen
Schaden hervorrufen werde.
Offensichtlich hat die letztere Meinung die
Oberhand gewonnen, denn die Restaurierungsarbeiten wurden bereits
in Angriff genommen.
Informationen
1. Die „Verbotene Stadt“
Die Verbotene Stadt diente als kaiserliche
Residenz in der Ming- und Qing-Dynastie. Sie hat eine Fläche
von 720 000 m2 , auf der 1228 Bauwerke mit 8700 Räumen
liegen. Die Baufläche beträgt 170 203 m2 .
Der Kaiserpalast ist der größte und am vollständigsten
erhaltene alte Baukomplex der Welt . Er hat eine streng geordnete
Baustruktur. Die Ziegel und Dachziegel spiegeln die allerhöchste
Autorität des Kaisers wider. Im Kaiserpalast regierten
insgesamt 24 Ming- und Qing-Kaiser während 491 Jahren.
Er durchlebte alles, was es an gesellschaftlichen Änderungen
im Lauf der Zeit gab. Aufgrund seines hohen historischen, wissenschaftlichen
und künstlerischen Werts wurde der Kaiserpalast 1961 zum nationalen
Kulturgut erklärt und unter Denkmalschutz gestellt. 1987
wurde er von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.
2. Die Restaurierungsarbeiten
Ab März 2002 werden Restaurierungsarbeiten
ausgeführt, die sechs Bereiche betreffen. 1. Große
Flächen des Bodens und zahlreiche Straßen werden
im Originalzustand wiederhergestellt. Das heißt, Betonziegel
und Asphaltstraßen werden durch Tonziegel ersetzt. 2.
Wichtige Bauwerke wie die Wuying-Halle (Halle der militärischen
Tapferkeit), der Shoukang-Palast (Palast der Langlebigkeit und
Gesundheit), der Cining-Palast (Palast der Barmherzigkeit und
Ruhe) und der Cining-Garten, die zu zerfallen drohen und innerlich
sowie äußerlich in schlechtem Zustand sind, werden
renoviert. 3. Ausschmückungen wie Kassettendecken, Zimmerdecken
und Trennwände aus Brettern werden restauriert. 4. Zahlreiche
steinerne und bronzene Kulturgegenstände, die im Freien
liegen, werden gereinigt und geschützt. 5. Beschädigte
Schutzmauern und ein Teil der Hofmauern werden befestigt. 6.
Veraltete Infrastruktureinrichtungen wie die Brandalarmanlage,
technische Sicherheitsvorkehrungen und das Wasser- und Stromversorgungssystem
werden erneuert.