Januar 2003
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Kultur und Kunst

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Das Rongbaozhai-Studio

Das Rongbaozhai-Studio

Von Chen Sheng

Die Reproduktionen, die im Rongbaizhai-Studio in Beijing gemacht werden, sind so gut, dass man sie nur schwer vom Original unterscheiden kann. Als z. B. ein ausländischer Fachmann erfuhr, dass die vor ihm liegende Malerei eine Reproduktion war, suchte er mit einer Lupe nach Spuren des Lichtdruckverfahrens, aber vergebens, denn das Bild war von Hand mit dem Holzschnittverfahren reproduziert worden.

Manchmal können sogar die Künstler selbst nicht auf den ersten Blick erkennen, welches das Original ist. Z. B. wurde Qi Baishi, einem bekannten chinesischen Maler, einmal eine Tuschmalerei von ihm selbst, "Krebs" betitelt, und eine Reproduktion davon vorgelegt, aber er hatte Schwierigkeiten sofort zu sagen, was Original und was Kopie war.

Die Geschäftsräume des Rongbaizhai-Studios liegen zur Straße hin, und dahinter befinden sich die vier Werkstätten. Für das Verfahren werden dieselben Utensilien benötigt wie für das Malen, außerdem noch Holzstöcke aus Birnbaumholz, Messer und Sticheln. Im ganzen werden vier Abteilungen unterschieden: die Übertragung des Originals auf den Holzstock, das Ausheben mit Messer bzw. Stichel, das Drucken und das Aufziehen. Die Kopisten müssen sich nicht nur mit Malerei auskennen, sondern auch selbst malen können.

In der Werkstatt, wo die Originale auf Holzstöcke übertragen werden, analysieren die Kopisten die Originale. Sie kennen sich mit den verschiedenen Arbeitstechniken aus, prüfen sorgfältig die Linienführungen, die Proportionen und die Farbabstufungen. Dann werden die Darstellungen in Abschnitte eingeteilt und Pausen auf durchsichtiges Reispapier mit feinen Pinseln und schwarzer Tusche angefertigt. Jeder Pinselstrich der Vorlage wird originalgetreu wiedergegeben. Dabei wird mit einkalkuliert, wie Stil und Besonderheit des Originals durch das Drucken mit mehreren Platten gut wiedergegeben werden können.

Beim zweiten Arbeitsgang werden die Pausen auf drei bis vier Zentimeter dicke Holzplatten geklebt, die der jeweiligen Größe der Pausen entsprechen. Diese Holzplatten sind meist aus Birnbaumholz, das wegen seiner Härte und seiner feinen Maserung bevorzugt wird. Das Original liegt immer vor dem Kopisten, damit er sich ständig mit dem Stil des Malers auseinandersetzen kann. Entlang den sich auf der Pause abzeichnenden Umrissen werden dann die Teile ausgehoben, die später keinen Abdruck hinterlassen sollen. Beim Schneiden werden etwa ein Dutzend verschiedene Messer und Sticheln benutzt, die sich in Form, Stärke und Schärfe unterscheiden. Bei einer feinen Pinselführung braucht man natürlich besondere Geschicklichkeit. Zum Beispiel sind die Köpfe auf der 29,5 cm breiten und 332,5 cm langen Bildrolle "Nachtbankett bei Han Xizai" von Gu Hongzhong aus der Tang-Dynastie nicht größer als ein Fingernagel. Sie unterteilt sich in fünf Zeichnungen mit 45 Menschendarstellungen. An der Reproduktion arbeiteten zwei Schneider und ein Drucker acht Jahre lang. 1600 Holzdruckplatten mussten geschnitten und es müde mehr als 5000mal aufeinander gedruckt werden.

Der wichtigste Arbeitsgang ist der dritte, das Drucken. Vor jedem Drucker liegen Pinsel, Farben und Tusche. Reispapierbögen liegen in einem Stapel auf dem Arbeitstisch und sind an einer Seite so befestigt, dass sie nicht verrutschen können. Die Druckplatte wird gegenüber dem Stapel befestigt, und die Farbe wird mit einem Pinsel aufgetragen. Dann wird der erste Bogen Papier an seinem freien Ende genommen und straff über die eingefärbte Holzplatte gelegt. Mit einem Reiber führt der Drucker leicht über die Rückseite des Papiers, bis die Farbe auf das Papier übertragen ist. Manchmal muss der Druckstock mehrmals eingefärbt, und es muss mehrmals gedruckt werden, um gleiche Farbtöne wie auf dem Original zu erreichen.

Der alte Holzschnittkünstler Tian Yongqing sagte, seiner Erfahrung nach müsse man z. B., wenn man den "Frosch" von Qi Baishi drucken wolle, zuerst wissen, dass die Farbtöne bewusst geändert würden, um den Eindruck der Dreidimensionalität zu schaffen und die Elastizität seiner Muskeln darzustellen, dass die Blätter des Pfeilkrautes besonders kräftig gemalt würden, damit sie frisch und lebendig wirken… Bei der Wollhandkrabbe müsse man darauf achten, dass die Scheren mit dem dichten Haarpelz gut dargestellt würden; bei der Wiedergabe der Tuschmalerei "Pferde im Galopp" von Xu Beihong müsse man so arbeiten, dass man nachher den Eindruck habe, als ob man die Pferde laufen hören würde.

Beim letzten Arbeitsgang wird das dünne, bedruckte Blatt auf eine Unterlage aus stärkerem Papier aufgeklebt, der Rand wird mit dünner Seide bezogen. Das Ganze kann dann in einen Rahmen gesteckt oder als Rollbild aufgezogen werden. Ein Sprichwort sagt: "Ob ein Bild gut ist, hängt zu 70% vom Malen und zu 30% vom Aufziehen ab."

Das Reproduzieren einer chinesischen Malerei schließt somit Malerei, Holzschnitt und Farbdruck ein. Manche Leute meinen deshalb auch: "Wenn ich die Wahl zwischen Original und Kopie habe, wähle ich die Kopie, denn so habe ich zwei Kunstformen in einem."

Schon vor 1300 Jahren war in China die Holzdruckkunst bekannt. Im 16. Jahrhundert wure diese Technik dann durch den Ton- und Farbdruck bereichert. (d.h. außer dem Holzstock für den Schwarzdruck wurden Platten für die Farbtöne geschnitten und übereinander gedruckt.)

Nach der Gründung der Volksrepublik China erlebte die Holzschneidekunst einen neuen Aufschwung. Im Rongbaizhai-Studio wurden in den letzten dreißig Jahren Unmengen an alten und neuen Malereien reproduziert, darunter auch viele alte Bilder auf Seide, z. B. "Hofdamen mit blumenreichen Haarspangen" von Zhou Fang, "Nachtbankett bei Han Xizai" von Gu Hongzhong aus der Tang-Dynastie. Bis heute wurden mehr als 600 klassische Malereien reproduziert, darunter auch "Die Flussuferszene am Qingming-Fest" von Zhang Zeduan aus der Song-Dynastie, "Reise dem Fluss entlang" von Qiu Shizhou aus der Ming-Dynastie und Malereien von acht bekannten Malern in Yangzhou, eine Stadt am Changjiang-Fluss (Yangtse), sowie von Ren Bonian aus der Qing-Dynastie. Unter den Kopien der Malereien und Zeichnungen aus neuerer und neuer Zeit sind solche von Wu Changshuo, Qi Baishi, Xu Beihong, Huang Binhong, Wu Zuoren usw. Durch die Reproduktionen wurde es möglich, dass die chinesische Malerei sowohl im Inland als auch im Ausland eine weite Verbreitung fand.

(Aus „China im Aufbau“, Nr. 4, 1979)

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