Das
Rongbaozhai-Studio
Von
Chen Sheng
Die Reproduktionen, die im Rongbaizhai-Studio
in Beijing gemacht werden, sind so gut, dass man sie nur schwer
vom Original unterscheiden kann. Als z. B. ein ausländischer
Fachmann erfuhr, dass die vor ihm liegende Malerei eine Reproduktion
war, suchte er mit einer Lupe nach Spuren des Lichtdruckverfahrens,
aber vergebens, denn das Bild war von Hand mit dem Holzschnittverfahren
reproduziert worden.
Manchmal
können sogar die Künstler selbst nicht auf den ersten
Blick erkennen, welches das Original ist. Z. B. wurde Qi Baishi,
einem bekannten chinesischen Maler, einmal eine Tuschmalerei
von ihm selbst, "Krebs" betitelt, und eine Reproduktion
davon vorgelegt, aber er hatte Schwierigkeiten sofort zu sagen,
was Original und was Kopie war.
Die Geschäftsräume des Rongbaizhai-Studios
liegen zur Straße hin, und dahinter befinden sich die
vier Werkstätten. Für das Verfahren werden dieselben
Utensilien benötigt wie für das Malen, außerdem
noch Holzstöcke aus Birnbaumholz, Messer und Sticheln.
Im ganzen werden vier Abteilungen unterschieden: die Übertragung
des Originals auf den Holzstock, das Ausheben mit Messer bzw.
Stichel, das Drucken und das Aufziehen. Die Kopisten müssen
sich nicht nur mit Malerei auskennen, sondern auch selbst
malen können.
In der Werkstatt, wo die Originale auf Holzstöcke
übertragen werden, analysieren die Kopisten die Originale.
Sie kennen sich mit den verschiedenen Arbeitstechniken aus,
prüfen sorgfältig die Linienführungen, die Proportionen
und die Farbabstufungen. Dann werden die Darstellungen in
Abschnitte eingeteilt und Pausen auf durchsichtiges Reispapier
mit feinen Pinseln und schwarzer Tusche angefertigt. Jeder
Pinselstrich der Vorlage wird originalgetreu wiedergegeben.
Dabei wird mit einkalkuliert, wie Stil und Besonderheit des
Originals durch das Drucken mit mehreren Platten gut wiedergegeben
werden können.
Beim zweiten Arbeitsgang werden die Pausen
auf drei bis vier Zentimeter dicke Holzplatten geklebt, die
der jeweiligen Größe der Pausen entsprechen. Diese
Holzplatten sind meist aus Birnbaumholz, das wegen seiner
Härte und seiner feinen Maserung bevorzugt wird. Das
Original liegt immer vor dem Kopisten, damit er sich ständig
mit dem Stil des Malers auseinandersetzen kann. Entlang den
sich auf der Pause abzeichnenden Umrissen werden dann die
Teile ausgehoben, die später keinen Abdruck hinterlassen
sollen. Beim Schneiden werden etwa ein Dutzend verschiedene
Messer und Sticheln benutzt, die sich in Form, Stärke
und Schärfe unterscheiden. Bei einer feinen Pinselführung
braucht man natürlich besondere Geschicklichkeit. Zum Beispiel
sind die Köpfe auf der 29,5 cm breiten und 332,5 cm langen
Bildrolle "Nachtbankett bei Han Xizai" von Gu Hongzhong
aus der Tang-Dynastie nicht größer als ein Fingernagel.
Sie unterteilt sich in fünf Zeichnungen mit 45 Menschendarstellungen.
An der Reproduktion arbeiteten zwei Schneider und ein Drucker
acht Jahre lang. 1600 Holzdruckplatten mussten geschnitten
und es müde mehr als 5000mal aufeinander gedruckt werden.
Der wichtigste Arbeitsgang ist der dritte,
das Drucken. Vor jedem Drucker liegen Pinsel, Farben und Tusche.
Reispapierbögen liegen in einem Stapel auf dem Arbeitstisch
und sind an einer Seite so befestigt, dass sie nicht verrutschen
können. Die Druckplatte wird gegenüber dem Stapel befestigt,
und die Farbe wird mit einem Pinsel aufgetragen. Dann wird
der erste Bogen Papier an seinem freien Ende genommen und
straff über die eingefärbte Holzplatte gelegt. Mit einem
Reiber führt der Drucker leicht über die Rückseite des Papiers,
bis die Farbe auf das Papier übertragen ist. Manchmal muss
der Druckstock mehrmals eingefärbt, und es muss mehrmals
gedruckt werden, um gleiche Farbtöne wie auf dem Original
zu erreichen.
Der alte Holzschnittkünstler Tian Yongqing
sagte, seiner Erfahrung nach müsse man z. B., wenn man den
"Frosch" von Qi Baishi drucken wolle, zuerst wissen,
dass die Farbtöne bewusst geändert würden, um den
Eindruck der Dreidimensionalität zu schaffen und die
Elastizität seiner Muskeln darzustellen, dass die Blätter
des Pfeilkrautes besonders kräftig gemalt würden, damit
sie frisch und lebendig wirken… Bei der Wollhandkrabbe müsse
man darauf achten, dass die Scheren mit dem dichten Haarpelz
gut dargestellt würden; bei der Wiedergabe der Tuschmalerei
"Pferde im Galopp" von Xu Beihong müsse man so arbeiten,
dass man nachher den Eindruck habe, als ob man die Pferde
laufen hören würde.
Beim letzten Arbeitsgang wird das dünne,
bedruckte Blatt auf eine Unterlage aus stärkerem Papier
aufgeklebt, der Rand wird mit dünner Seide bezogen. Das Ganze
kann dann in einen Rahmen gesteckt oder als Rollbild aufgezogen
werden. Ein Sprichwort sagt: "Ob ein Bild gut ist, hängt
zu 70% vom Malen und zu 30% vom Aufziehen ab."
Das Reproduzieren einer chinesischen Malerei
schließt somit Malerei, Holzschnitt und Farbdruck ein.
Manche Leute meinen deshalb auch: "Wenn ich die Wahl
zwischen Original und Kopie habe, wähle ich die Kopie,
denn so habe ich zwei Kunstformen in einem."
Schon vor 1300 Jahren war in China die Holzdruckkunst
bekannt. Im 16. Jahrhundert wure diese Technik dann durch
den Ton- und Farbdruck bereichert. (d.h. außer dem Holzstock
für den Schwarzdruck wurden Platten für die Farbtöne
geschnitten und übereinander gedruckt.)
Nach der Gründung der Volksrepublik China
erlebte die Holzschneidekunst einen neuen Aufschwung. Im Rongbaizhai-Studio
wurden in den letzten dreißig Jahren Unmengen an alten
und neuen Malereien reproduziert, darunter auch viele alte
Bilder auf Seide, z. B. "Hofdamen mit blumenreichen Haarspangen"
von Zhou Fang, "Nachtbankett bei Han Xizai" von
Gu Hongzhong aus der Tang-Dynastie. Bis heute wurden mehr
als 600 klassische Malereien reproduziert, darunter auch "Die
Flussuferszene am Qingming-Fest" von Zhang Zeduan aus
der Song-Dynastie, "Reise dem Fluss entlang" von
Qiu Shizhou aus der Ming-Dynastie und Malereien von acht bekannten
Malern in Yangzhou, eine Stadt am Changjiang-Fluss (Yangtse),
sowie von Ren Bonian aus der Qing-Dynastie. Unter den Kopien
der Malereien und Zeichnungen aus neuerer und neuer Zeit sind
solche von Wu Changshuo, Qi Baishi, Xu Beihong, Huang Binhong,
Wu Zuoren usw. Durch die Reproduktionen wurde es möglich,
dass die chinesische Malerei sowohl im Inland als auch im
Ausland eine weite Verbreitung fand.
(Aus
„China im Aufbau“, Nr. 4, 1979)