Januar 2003
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Kultur und Kunst

Ein Buddhamaler
Wohnhöfe – konfuzianisch oder was?
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Wohnhöfe

– konfuzianisch oder was?

Von Susan Trimble

Ich lehne am südlichen Fenster und lass meinen Stolz schwellen

Ich sinne darüber nach, wie einfach es ist, mit wenig Raum zufrieden zu sein

Jeden Tag lustwandle ich in meinem Garten...

Und umkreise meine einsame Kiefer, streichle sie.

Tao Yuanming, 4. Jh.

Wenn Sie das Wort „Wohnhof“ hören, stellen Sie sich dann vor, sich in einem zu befinden?

Ein Wohnhof ist ein von Wänden umschlossener Raum, ein Hof, der von Gebäuden umgeben ist, eine eingeschlossene viereckige Fläche. In China nennt man einen Wohnhof „Siheyuan“, was soviel heißt wie ein Hof, der von vier Häusern umgeben ist. Durch die ganze chinesische Geschichte hindurch war die Siheyuan-Anlage das Grundmuster für Wohnhäuser, Paläste, Tempel, Klöster, Familiengeschäfte und Regierungsämter. Es gab einfache Wohnhöfe, aber auch Wohnhof-Villen.

Beijing wurde, als es im 13. Jh. zur Hauptstadt aufstieg, entsprechend der chinesischen Verehrung von Himmel und Erde als Schachbrett-Stadt mit einer Mauer entworfen. Im Norden war das Zentrum der Welt, und von dort blickte der Kaiser zu allen Zeiten nach Süden. Die Verbotene Stadt wurde so angelegt, dass alle kaiserlichen Hallen und Gemächer nach Süden gehen. Dementsprechend wurden die Wohnhöfe der Stadt nach der gleichen Art gebaut.

Hier stehe ich in einem Wohnhof. Die Sonne scheint auf mich herab. Ich kann die Tageszeit daran ablesen, welche Seite meines Wohnhofs ihren Schatten auf die Pflastersteine unter meinen Füßen wirft. Ich kann am Morgen aufwachen und aus der Tür des Hausherrengemachs heraustreten mit der Gewissheit, dass die Sonne mein Gesicht wärmen wird. Ich kann meine Lebensmittel im Ostteil des westlichen Hauses lagern mit der Gewissheit, dass dies immer der kühlste Ort ist. Ich kann meine Schlafmatte nach Osten oder nach Westen verschieben, dorthin, wo es am bequemsten ist. Ich weiß, wo ich meine Blumen hinstellen soll und wo die Vögel nisten werden. Woher weiß ich das alles? Mein Wohnhof wurde nach dem Prinzip gebaut, die Sonneneinstrahlung zu maximieren und gleichzeitig Schutz vor kalten Nordwinden zu bieten, wie es die alten chinesischen Regeln für die Ausrichtung eines Hauses vorschreiben.

Der Wohnhof war ein äußerer Raum, geschützt vor dem Lärm und Schmutz der Straße und auch vor Eindringlingen und ungebetenen Gästen. Wohnhöfe brachten die totale Abgeschiedenheit. Den Blick nach innen gewandt, behielten die Chinesen Familienangelegenheiten innerhalb des Wohnhofs der Familie, schlossen hier Geschäfte mit vertrauten Freunden ab und lebten ein abgeschirmtes Privatleben. Trübgraue, unverzierte Fassaden verrieten wenig von der inneren Pracht und dem Leben im Hof.

Folgen Sie mir nun durch einen Wohnhof und sehen Sie sich diese liebliche Art an, einen Wohnraum zu gestalten. Harmonisch, einfühlsam, bequem und beruhigend – all dies sollte die Atmosphäre sein, in der man ruht, isst und liebt. Und genau so ist die Atmosphäre in einem Wohnhof.

Der Eingang zum Wohnkomplex befand sich in der südwestlichen Ecke. Bevor man in den Hof gelangte, stieß man auf eine „Schirmmauer“. Diese Wand schützte die Privatsphäre im Innern, wenn das große Haupttor offenstand, um Besucher hereinzulassen. Um in den Hof zu gelangen, musste man an der Mauer nach links wenden. Der Hof war die Privatwelt der Familie. Meistens standen mindestens zwei Bäume im Hof, ein immergrüner und einer, der Blüten oder gar Früchte trug. Im Hof gab es schöne Steine oder Felsen und Wasser. Blumen standen darin und fast immer auch ein großer steinerner Bottich, in dem rüschenflossige, glupschäugige Goldfische faul vor sich hin schwammen. Zwitschernde Vögel in einem Bambuskäfig, in einen duftenden, Schatten spendenden Baum gehängt, rundeten das Bild ab.

In der Regel wurde das Gebäude im Norden, das nach Süden lag, das Herrenhaus genannt, weil es die beste Lage hatte – im Winter am wärmsten, wenn die Sonne tief am Himmel hing, und im Sommer am kühlsten, wenn die Sonne hoch stand und die Räume im Schatten des Dachvorsprungs lagen. Dieser erlesene Standort war deshalb dem Haushaltsvorstand oder den Familienältesten vorbehalten. Die Häuser im Osten und Westen des Hofs, Seitengebäude genannt, beherbergten gemäß der konfuzianischen Familienordnung die Söhne und (unverheirateten) Töchter. Der konfuzianische Kodex, auf der kosmischen Ordnung und der Hierarchie von über- und untergeordneten menschlichen Beziehungen beruhend, stammt etwa aus dem 5. Jh. v. Chr. und ist bis zum heutigen Tag ein grundlegendes Element der chinesischen Familie und Gesellschaft geblieben. „Jia“, das chinesische Zuhause, das sowohl die Familie wie auch das Heim bezeichnet, gründet auf dem konfuzianischen Kodex.

Das südliche Gebäude, neben dem Hofeingang gelegen und nach Norden ausgerichtet, war für die Diener und Kinder. Hier befanden sich die Küche und der Waschraum. Bisweilen diente es auch als Ort für die Erledigung äußerer Angelegenheiten, so dass die anderen Gebäude tatsächlich rein private Räumlichkeiten blieben.

Wohlhabende Familien gaben sich nicht mit einem einfachen Wohnhof zufrieden und fügten entlang der Nord-Süd-Achse einen zweiten oder gar dritten hinzu, wodurch sich ein Hofkomplex bildete. Mit dem Zuwachs der Familie wurden zusätzliche Höfe auch zu beiden Seiten der Hauptachse angebaut. Wiederum siedelten die Ältesten, wie es der konfuzianischen Ordnung entsprach, im nördlichsten Wohnhof. Wer als Gast durch das Haupttor im Südwesten schritt, nach Westen wendete und in den ersten Hof eintrat, wurde von einem Diener aufgefordert, Platz zu nehmen, während ein anderer die Ankunft des Besuchers meldete. Der Gastgeber bereitete darauf den Empfang am angebrachten Ort und in der korrekten Art vor. Jeder Hof war vom nächsten durch einen zentralen Durchgang, zu beiden Seiten von einem steinernen Löwen bewacht, getrennt. Die Gesamtgröße der Hofanlage und das Ausmaß der Verzierung hing von Reichtum, Status und Größe der Familie ab.

Falls die Familie Tiere besaß, fügte sie einen Stallbereich an. In Chinas Norden befand sich dieser in der Regel im Osten des Haupthofs und bildete einen eigenen Hof innerhalb des Komplexes. Sehr große Häuser oder Villen mit vielen Wohnhöfen wurden ihrerseits von einer äußeren Umfassungsmauer eingeschlossen. Innerhalb dieser Mauer lag der Familiengarten, eine Weide, vielleicht gar ein Weiher, und Höfe in Höfen in Höfen.

Ob groß oder klein, ein Wohnhof bot ein sicheres und ruhiges Lebensumfeld für die Familie.

Kehren Sie nun zurück in meinen liebenswürdigen Hof. Setzen Sie sich unter den blühenden Jujuben-Baum. Erlauben Sie mir, Ihnen Jasmintee in einer Porzellantasse anzubieten. Hören Sie der Brise zu, wie sie in der Kiefer flüstert...

Und so hab ich hier mein Zuhause errichtet

habe Zimmer erbaut, Teiche ausgehoben.

Hohe Weiden spiegeln sich auf ihrer Oberfläche,

und die Hecke duftender Stachelorangen;

verspielte Fische springen und peitschen das Wasser,

Lotosblüten recken und entfalten sich.

Bambushaine, dicht und schattig...

Pan Yue

In meinem Wohnhof kann ich mich „vom Netz des Staubs der Welt zurückziehen in die Natur“. Nichts anderes kann ich von hier aus erblicken als die Bergspitzen in der Ferne, die Wolken, die Sonne, den Mond über dem ziegelgedeckten Dach meiner Hofgebäude. Der kleine Raum in meinem Hof gehört mir allein. Hierher, an meinen Platz, bringe ich meine geliebten Freunde, um zu verweilen und dem Leben zuzulächeln.

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