Der
Potala-Palast

Der Potala-Palast ist ein Schwerpunkt im staatlichen Schutzprogramm.
Er ist der höchstgelegene, umfangreichste alte Baukomplex der Welt und ein
Symbol für Lhasa, ja für Tibet insgesamt. Im Dezember 1994 wurde der Potala-Palast
von der UNESCO in die Liste des Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.
Der
Potala-Palast befindet sich auf dem Südhang des Roten Berges und erstreckt sich
vom Fuß bis zum Gipfel des Berges. Der Potala-Palast erreicht eine Höhe
von 119 m und hat eine Länge von 350 m von Ost nach West, eine Breite von
270 m von Nord nach Süd. Die Baufläche beträgt 130 000 qm. Wenn man
die umgebenden Bauwerke vor dem Berg und den Drachenkönig-Teich mitrechnet,
dann nimmt der Potala-Palast sogar eine Fläche von 360 000 qm ein.
Der Berg, auf dem sich der Potala-Palast befindet, heißt
Roter Berg (auf Tibetisch Maburi). In den tibetischen buddhistischen Schriften
gleicht er ganz dem vom Guanyin-Bodhisattwa bewohnten Putuo-Berg und wird deshalb
im Tibetischen als Potala nach der Lautung von Putuo in Sanskrit bezeichnet.
Der
prächtige Palast entstand in den 30er Jahren des 7. Jahrhunderts u. Z. Um
die Tang-Prinzessin Wencheng zur Frau zu gewinnen, ließ der König der
Tubo-Dynastie Songtsan Gampo speziell für sie auf dem Roten Berg einen Palast
mit angeblich 1000 Räumen bauen. Wegen eines Feuers im 8. Jahrhundert und
nach dem Untergang des von Songtsan Gampo gegründeten Tubo-Königreichs wurde
dieser alte Palast größtenteils zerstört.
Der Potala, den wir heute sehen, wurde in wesentlichen Teilen
im 17. Jahrhundert erbaut. Im 17. Jahrhundert, nachdem der 5. Dalai Lama die Gedanpozhang-Herrschaft
gegründet hatte und von der Qing-Regierung offiziell zum politischen und religiösen
Führer Tibets ernannt wurde, begann der Wiederaufbau des Potala-Palastes. Später
wurde er mehrfach erweitert. Im Jahr 1690, 8 Jahre nach dem Tod des 5. Dalai Lama,
wurden der Rote Palast und sein Gedächtnisstupa gebaut. Damals wurden mehr
als 7000 Handwerker beschäftigt und 2 134 000 Tael Silber verbraucht. Unter
den Baumeistern befanden sich auch 114 Mitarbeiter der Han und der Man-Nationalität,
die vom Qing-Kaiser Kangxi nach Tibet geschickt wurden. Es kamen auch Handwerker
aus Nepal. 1693 wurde der Rote Palast fertiggestellt. Die Einweihungszeremonie
fand am 20. April nach dem tibetischen Kalender statt. Vor dem Palast wurde ein
Denkmal ohne Schrift eingerichtet, um den Bau zu feiern. Danach gab es am Baukomplex
keine wesentlichen Veränderungen mehr.
Geht
man vom Potala-Platz nach Norden, zunächst durch ein Steintor, dann immer
weiter nach Norden, sieht man bald eine breite Treppe, die den Berg hinauf zum
Osttor und zum Westtor führt. Das Osttor ist ein Haupteingang in den Potala-Palast.
Die Treppe emporsteigend, erreicht man zunächst die 1600 Quadratmeter große
„Deyangxia“-Terrasse. Von hier aus sahen sich der Dalai Lama und andere Würdenträger
tibetische Opern und Tanzveranstaltungen an. An der südlichen und nördlichen
Seite der Terrasse sind Wandelgänge, die östliche und die westliche
Seite waren früher die Mönchsschule. In der Mitte der westlichen Seite liegt
der Haupteingang in den Weißen Palast.
Der Weiße Palast befindet sich östlich vom Roten
Palast und umfasst die Osthalle, die Sonnenlichthalle sowie Unterkünfte und Verwaltungsräume.
Die Osthalle ist die größte Halle, die Haupthalle
des Weißen Palasts. Dort fanden wichtige religiöse und politische Feiern
statt. Nach Anerkennung des 5. Dalai Lama als religiöser und politischer
Führer durch den Kaiser Shunzhi der Qing-Dynastie wurden alle wichtigen Zeremonien,
z. B. zum Regentschaftsbeginn oder anlässlich des Amtsantritts eines Dalai
Lama, hier unter der Leitung des Kommissars der Qing-Dynastie in Tibet durchgeführt.
In der Mitte, genau nach Norden gerichtet, steht der Thron des Dalai Lama. Über
dem Thron hängt eine Kalligraphie des Qing-Kaisers Tongzhi „die Grenzen befrieden“.
In der Halle sind herrliche Wandgemälde zu sehen, zwei davon sind besonders
interessant. Das eine stellt die legendäre Verwandlung eines Affen in den
Menschen dar, das andere zeigt die Geschichte der Prinzessin Jincheng der Tang-Dynastie.
Die Sonnenlichthalle liegt über der Osthalle, unter dem Dach
des Weißen Palastes. Es sind eigentlich zwei Hallen: Ostsonnenlichthalle
und Westsonnenlichthalle. Die Westsonnenlichthalle wurde vom 5. Dalai Lama, die
Ostsonnenlichthalle vom 13. Dalai Lama erbaut. Die Sonnenlichthalle diente als
Unterkunfts- und Verwaltungsraum der Dalai Lamas (im Sommer und im Herbst waren
sie dann meistens in Norbulingka). Die Westsonnenlichthalle war das Schlafgemach
des 13. Dalai Lama und die Ostsonnenlichthalle das Schlafgemach des 14. Dalai
Lama. In der Halle sind die Buddhafiguren aus Gold und die Statue des Guanyin-Bodhisattwa
ist aus Jade. Es gibt hier sehr viele buddhistische Schriften, altes Porzellan
und viele andere originale Kostbarkeiten.
Der Rote Palast dient zu religiösen Festveranstaltungen.
Im Roten Palast stehen 8 Stupas für die verstorbenen Dalai Lamas. Die Stupas des
5. und des 13. Dalai Lama sind die prächtigsten. Hier sind auch viele Kostbarkeiten
und kunstgewerbliche Gegenstände zu sehen, wie z. B. kaiserliche Edikte von
Kaisern der Ming- und der Qing-Dynastie, Geschenke, goldene Urkunden und Siegel,
die die Zentralregierung verschiedener Dynastien den Dalai Lamas verliehen hat,
seltene Schriften, schöne Buddhafiguren, Musikinstrumente und sonstige Kultgeräte.
Der Stupa für den fünften Dalai Lama und die Stupa-Halle
befinden sich im 4. Stockwerk des Roten Palastes. Die 14,5 m hohe Stupa-Halle
hat fünf Stockwerke und ist der größte Gedächtnisstupa im ganzen
Potala-Palast. Diese Stupa-Halle ist ihrer architektonischen Gestaltung nach
der 14 m hohen Gedenkhalle Geleg Toinjor für den 13. Dalai Lama ebenbürtig. Die
Bauarbeiten für diese Halle begannen 1934 und wurden drei Jahre später abgeschlossen.
In der Halle befinden sich große Wandmalereien mit Darstellungen aus dem
Leben des 13. Dalai Lama, darunter eine Darstellung seines Empfangs bei
Kaiserinwitwe Cixi und durch Kaiser Guangxu im Jahre 1908.
Die Große Westhalle befindet sich östlich der Gedenkhalle
für den fünften Dalai Lama. Sie hat eine Fläche von 680 qm und ist die
größte Halle im Roten Palast, und im Potala-Palast überhaupt. Dort
steht das Standbild des fünften Dalai Lama. Auf der östlichen Seite gibt
es Wandmalereien mit folgenden Darstellungen: Empfang des fünften Dalai Lama
bei einer Audienz durch Kaiser Shunzhi, seine feierliche Begrüßung
durch hohe kaiserliche Beamte, seine Fahrt in der vom Kaiser geschenkten, mit
einem goldenen Dach versehenen Sänfte in die Hauptstadt sowie sein Besuch
von Kulturdarbietungen in der Hauptstadt. In der Großen Westhalle werden
zwei von Kaiser Kangxi 1696 geschenkte, aus goldenen Fäden gewobene große
Vorhänge aufbewahrt, die anlässlich der Einweihung des Roten Palasts
überreicht wurden, und die Glückwünsche des Kaisers ausdrücken sollten. In
der Halle hängt auch eine von Kaiser Qianlong 1760 geschenkte goldene Tafel
mit seiner Widmung: Ursprung des gedeihenden Lotus. Unter dieser Tafel steht der
Thron des Dalai Lama.
Die höchste Halle des Roten Palasts ist die Halle der
„Überwindung des Trilokyas “(etwa: dreistufiger irdischer Welt ). Sie hat
eine besondere Bedeutung für den ganzen Palast. Hier stehen ein Bild des Kaisers
Qianlong und eine in Chinesisch, Tibetisch, Mandschurisch und Mongolisch verfasste
Ehrentafel, die den Wunsch für „ein langes Leben des gegenwärtigen Kaisers“
zum Inhalt hat. Jedes Jahr kam der Dalai Lama mit Beamten der Lokalregierung und
Äbten der drei großen Klöster zum Neujahr nach dem tibetischen
Kalender zum Gebet hierher. An der Wand auf der westlichen Seite steht eine
Statue der Göttin der Barmherzigkeit mit elf Gesichtern und eintausend Händen,
die der 13. Dalai Lama für 10 000 Tael Silber gießen ließ.
Im Potala-Palast sind die aus der Frühphase stammende Höhle
des Dharma-Königs für meditative Übungen und die Halle der Göttin
der Barmherzigkeit gut erhalten geblieben. Die Höhle ist in den Felsen gehauen
und hat eine Fläche von weniger als 27 qm. Überlieferungen zufolge machte
einst Songtsan Gampo hier meditative Übungen. In der Höhle stehen aus
der Tubo-Zeit stammende, bemalte Skulpturen von Songtsan Gampo, Prinzessin Wencheng,
Prinzessin Chizun (Bhrikuti Devi) und Gartongtsan sowie Thonmi Sambhota. In der
Höhle gibt es noch einen Kochherd, Töpfe und Mörser aus Stein,
die einer volkstümlichen Überlieferung nach von Songtsan Gampo benutzt wurden.
Die Halle der Göttin der Barmherzigkeit liegt über der Höhle des Dharma-Königs
und ist ein Bauwerk aus der Frühphase des Potala-Palasts, doch wegen zahlreicher Reparaturen
ist vom Original nichts mehr zu sehen. Oberhalb der Tür hängt waagerecht
eine Tafel mit einer von Kaiser Tongzhi geschriebenen Widmung. In der Halle steht
eine Statue von Pharba Lonsang Xaran, der als allmächtiger Gott verehrt und
angebeten wurde.
Die goldenen Dächer der Gedenkstupas des 5. 7. 8. 9. und
13. Dalai Lama und das goldene Dach der Halle der Göttin der Barmherzigkeit
sowie die Dächer von Pharba Lhakang und Lhamo Lhakang bilden einen einzigartigen
glanzvollen Dächerkomplex im Potala-Palast. Die Dächer sind durch den
traditionellen chinesischen Xieshan-Dachbaustil (eine sich an vier Seiten
nach unten neigende Konstruktion ) und den Yingshan-Dachbaustil (eine sich
an zwei Seiten nach unten neigende Konstruktion ) gekennzeichnet. Sie sind getragen
vom „Dougong“ (einer besonderen Balkenkonstruktion der chinesischen Architektur
). Der Dachfirst ist mit verschiedenen Glocken in Lotusform versehen. Allein der
Dächerkomplex bildet einen grandiosen Anblick.
Der Potala-Palast ist eine umfangreiche und nahezu unergründliche
Schatzkammer. Die zahlreichen historischen Kulturgegenstände und kunstvollen
Kostbarkeiten lassen sich nicht mit einigen wenigen Worten beschreiben. Die
verschiedensten Wandgemälde haben Gold, Silber und Perlen als
Grundstoff. Sie weisen großzügige Linienführung und beeindruckende
Farbenpracht auf. Im Potala-Palast hängen fast 10 000 Tangkas, die meisten
davon stammen aus der Ming- und Qing-Dynastie (1368 - 1644 bzw. 1644 -
1911) und wurden von den Meistern der verschiedenen Malschulen in Tibet geschaffen.
Außerdem sind noch die zahlreichen, fein gedruckten oder von Hand geschriebenen
und gebundenen historischen Schriften bemerkenswert; viele davon sind Unikate.
Unter den genannten Schriften stammen über 100 Bände Sutras aus Indien, die auf Pattrablättern
gerschriebenen sind. Darunter gibt es Schriften, die Jahrtausende alt sind.
Manche davon wurden mit Gold- oder Silbertinte geschrieben. Beispielsweise ist
das Ganggyur mit Tinten in sieben Farben geschrieben, die aus
acht Grundstoffen, wozu Gold, Perlen, Silber, Eisen, Kupfer zählen, hergestellt
wurden. Der Text ist auf fäulnis-, feuchtigkeits- und insektenresistentem
Papier geschrieben. Die Schriftzeichen sind heute noch deutlich lesbar und sind
auch ein ästhetischer Genuss.
Der Potala-Palast ist ein von den Werktätigen Tibets geschaffenes,
großartiges Bauwerk. Es birgt einen tiefen kulturellen Gehalt in sich und
verkörpert die Glanzleistungen der Tibeter auf den Gebieten Architektur,
Malerei, Metallguss sowie generell in Wissenschaft und Technik alter
Zeit. Das Bauwerk kann als Museum der tibetischer Kultur, Technik und Wissenschaft
betrachtet werden. Es ist zugleich ein historisches Zeugnis der engen wirtschaftlichen
und kulturellen Verbindungen zwischen Tibetern und Han-Chinesen wie auch anderen
ethnischen Gruppen und dokumentiert die untrennbaren Beziehungen zwischen der
tibetischen Lokalregierung und der Zentralregierung unter den verschiedenen Dynastien
Chinas. Der Potala-Palast ist ebenso der Stolz der tibetischen Nationalität
wie aller Chinesen.
Zwischen Frühjahr 1989 und Sommer 1994 stellte die chinesische
Regierung 55 Mio. Yuan bereit, um den Potala-Palast gründlich zu renovieren. Durch
die Renovierung wurde der Verfall des Gebäudes gestoppt und ihm neue Schönheit
verliehen. Der Potala-Palast von heute wirkt im Vergleich zu früher noch stattlicher
und imposanter.