September 2004
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Tongli, eine alte Stadt

am Großen Kanal

Von Ji Cao

Am Großen Kanal, 26 km südlich von Suzhou, der „Gartenstadt“, ist ein neues Reiseziel erschlossen worden – Tongli, ein zauberhaftes, idyllisches Städtchen.

Tongli (im Kreis Wujiang gelegen) ist mit den Schätzen der Natur reich gesegnet. Schon vor 3000 Jahren bestand hier ein blühender Ort, der auch „Schatzboden“ genannt wurde. Bis heute ist die traditionelle Architektur bewahrt geblieben. Das ganze Städtchen wird von 15 Kanälen in 7 Teile geteilt, die durch 50 Steinbrücken, zwischen dem 10. und 19. Jahrhundert erbaut, verbunden wurden; 29 davon sind bis heute erhalten. In die Brücke oder einen Gedenkstein daneben sind das Datum der Erbauung und Gedichte über die örtliche Landschaft eingraviert. Die Sieben-Bogenbrücke, die im 13. Jahrhundert, zur Zeit der Südlichen Song-Dynastie, erbaut wurde, ist die älteste. Nach einer Sage soll sie einen vollkommenen Kreis bilden, dessen untere Hälfte unter der Erde liegt. Eine andere Brücke wurde in der Yuan-Dynastie (1206–1368) angelegt. In sie ist ein schöner Drache eingemeißelt.

Es ist wahr, dass fast jede Familie in Tongli an einem Ufer wohnt. Die Kanalufer sind mit Steinen befestigt. Alle 20, 30 Schritte gibt es eine schmucke Stiege, wo die Anwohner Wäsche und Gemüse waschen. Am Ufer stehen viele feingearbeitete Steinlöwen und –säulen, die zum Festmachen der Boote dienen. Wenn man im Sommer einen der Kanäle entlang spaziert, kann man sehen, wie die Kinder fröhlich im Wasser plantschen und junge Frauen Wäsche waschen. Kleine Boote gleiten unter Steinbrücken durch, um in der Ferne zu verschwinden.

Tongli ist auch eine alte Kulturstadt. In der Geschichte hatte diese kleine Stadt nicht wenige berühmte Persönlichkeiten hervorgebracht, darunter Minister, Dichter und Künstler. Diese Oberschicht der alten Zeit hat über hundert prächtige Residenzen hinterlassen. Rund 35% aller Gebäude Tonglis stammen aus der Ming-Dynastie (1368–1644) oder Qing-Dynastie (1644–1911). In der Nandai-Straße sind alle Häuser Ming- und Qing-Architektur. „Shangyitang“, ein Gebäudekomplex aus der Ming-Zeit, besteht aus Haupthalle, Blumenhalle, Boothalle und Studierzimmer. Türen, Fenster, Balken und Säulen sind mit herrlichen Schnitzereien verziert. 32 solcher Gebäude im ganzen Städtchen wurden zu Schwerpunkt-Kulturdenkmälern erklärt.

In Tongli gab es früher über 60 Klöster, Tempel und Gärten. Leider ist davon heute nur wenig erhalten geblieben. Im Legeng-Park und Qiyicaotang-Garten ist die einzigartige alte Architektur noch völlig unversehrt. Vollendete Gartenbaukunst bietet der „Tuisi-Park“, den Ren Lansheng, ein Beamter der Qing-Zeit, nach seiner Amtsenthebung bauen ließ. Der ganze Komplex besteht aus zwei Teilen: dem Wohnbereich und dem eigentlichen Garten, dessen meiste Fläche von einem Teich eingenommen wird. Die Hügel, Pavillons, Hallen und Korridore schweben gleichsam auf dem Wasser – daher auch der Name „auf dem Wasser haftender Garten“. Noch bewundernswerter ist der „Neun-Kurven-Wandelgang“, dessen schriftzeichenförmige Zierfenster den Satz bilden: „Frische Luft und heller Mond kosten keinen Kupferling“.

Tongli hält auch heute noch an seiner traditionellen Lebensweise fest. Nicht nur Gebäude und Straßen sehen aus wie vor hundert Jahren, sondern auch die Teehäuser. Früh morgens bringen die Bauern frische Fische und andere Meeresprodukte, Gemüse und Obst zum Markt. Wenn sie ihre Waren verkauft haben, gehen sie ins Teehaus. Der Kellner reicht dem Gast zuerst freundlich ein warmes Tuch, damit er die Hände säubern kann. Dann bringt er eine Kanne Tee. Die Gäste sitzen am Fenster, trinken ab und zu einen Schluck und verfolgen gelassen das Treiben in der Straße.

Die Einwohner Tonglis sind traditionelle Blumenfreunde. Vor allem Azaleen lieben sie über alles. Manche züchten sogar über zweihundert Blumensorten. In jüngster Zeit wurde deswegen ein Blumenverein gegründet. Eine in Tongli gezüchtete Azalee wurde beim Provinz-Blumenwettbewerb mit einem Preis ausgezeichnet. Außerdem gibt es hier noch spezielle Lokalleckerbissen, z. B. gedämpfte Pastetchen mit besonders zarter Teighülle und den „roten Klebreis“, der im Altertum dem Kaiser zum Geschenk gemacht wurde und der unwiderstehlich köstlich duftet.

Zum Schutz dieses einmaligen Ambientes hat die städtische Regierung entsprechende Vorschriften erlassen: So dürfen in der Stadt keine Autos verkehren, keine Brücke abgerissen, kein Kanal zugeschüttet und kein Haus höher als zwei Stockwerke gebaut werden. Einige Kanäle und alte Gebäude werden jetzt renoviert. Planmäßig wird der Fremdenverkehr aufgebaut. Per Boot kann man alle Sehenswürdigkeiten der Innen- und Außenstadt besichtigen.

Sehr reizvoll ist auch der Tongli-See, in dessen dunkelgrünem Wasser sich Fische und über hundert Gänse tummeln. Mit dem Boot kann man von hier zum Jiuli-See hinüberfahren.

Der Autor ist Angestellter im Suzhouer Internationalen Reisebüro.

Aus „China im Aufbau“, Nr. 5, 1984

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