Tongli,
eine alte Stadt
am
Großen Kanal
Von
Ji Cao

Am
Großen Kanal, 26 km südlich von Suzhou, der „Gartenstadt“, ist ein neues
Reiseziel erschlossen worden – Tongli, ein zauberhaftes, idyllisches Städtchen.
Tongli
(im Kreis Wujiang gelegen) ist mit den Schätzen der Natur reich gesegnet.
Schon vor 3000 Jahren bestand hier ein blühender Ort, der auch „Schatzboden“ genannt
wurde. Bis heute ist die traditionelle Architektur bewahrt geblieben. Das ganze
Städtchen wird von 15 Kanälen in 7 Teile geteilt, die durch 50 Steinbrücken,
zwischen dem 10. und 19. Jahrhundert erbaut, verbunden wurden; 29 davon sind bis
heute erhalten. In die Brücke oder einen Gedenkstein daneben sind das Datum der
Erbauung und Gedichte über die örtliche Landschaft eingraviert. Die Sieben-Bogenbrücke,
die im 13. Jahrhundert, zur Zeit der Südlichen Song-Dynastie, erbaut wurde, ist
die älteste. Nach einer Sage soll sie einen vollkommenen Kreis bilden, dessen
untere Hälfte unter der Erde liegt. Eine andere Brücke wurde in der Yuan-Dynastie
(1206–1368) angelegt. In sie ist ein schöner Drache eingemeißelt.
Es
ist wahr, dass fast jede Familie in Tongli an einem Ufer wohnt. Die Kanalufer
sind mit Steinen befestigt. Alle 20, 30 Schritte gibt es eine schmucke Stiege,
wo die Anwohner Wäsche und Gemüse waschen. Am Ufer stehen viele feingearbeitete
Steinlöwen und –säulen, die zum Festmachen der Boote dienen. Wenn man
im Sommer einen der Kanäle entlang spaziert, kann man sehen, wie die Kinder
fröhlich im Wasser plantschen und junge Frauen Wäsche waschen. Kleine
Boote gleiten unter Steinbrücken durch, um in der Ferne zu verschwinden.
Tongli
ist auch eine alte Kulturstadt. In der Geschichte hatte diese kleine Stadt nicht
wenige berühmte Persönlichkeiten hervorgebracht, darunter Minister, Dichter
und Künstler. Diese Oberschicht der alten Zeit hat über hundert prächtige
Residenzen hinterlassen. Rund 35% aller Gebäude Tonglis stammen aus der Ming-Dynastie
(1368–1644) oder Qing-Dynastie (1644–1911). In der Nandai-Straße sind alle
Häuser Ming- und Qing-Architektur. „Shangyitang“, ein Gebäudekomplex
aus der Ming-Zeit, besteht aus Haupthalle, Blumenhalle, Boothalle und Studierzimmer.
Türen, Fenster, Balken und Säulen sind mit herrlichen Schnitzereien verziert.
32 solcher Gebäude im ganzen Städtchen wurden zu Schwerpunkt-Kulturdenkmälern
erklärt.
In Tongli gab es früher über 60 Klöster,
Tempel und Gärten. Leider ist davon heute nur wenig erhalten geblieben. Im
Legeng-Park und Qiyicaotang-Garten ist die einzigartige alte Architektur noch
völlig unversehrt. Vollendete Gartenbaukunst bietet der „Tuisi-Park“, den
Ren Lansheng, ein Beamter der Qing-Zeit, nach seiner Amtsenthebung bauen ließ.
Der ganze Komplex besteht aus zwei Teilen: dem Wohnbereich und dem eigentlichen
Garten, dessen meiste Fläche von einem Teich eingenommen wird. Die Hügel,
Pavillons, Hallen und Korridore schweben gleichsam auf dem Wasser – daher auch
der Name „auf dem Wasser haftender Garten“. Noch bewundernswerter ist der „Neun-Kurven-Wandelgang“,
dessen schriftzeichenförmige Zierfenster den Satz bilden: „Frische Luft und
heller Mond kosten keinen Kupferling“.
Tongli hält
auch heute noch an seiner traditionellen Lebensweise fest. Nicht nur Gebäude
und Straßen sehen aus wie vor hundert Jahren, sondern auch die Teehäuser.
Früh morgens bringen die Bauern frische Fische und andere Meeresprodukte, Gemüse
und Obst zum Markt. Wenn sie ihre Waren verkauft haben, gehen sie ins Teehaus.
Der Kellner reicht dem Gast zuerst freundlich ein warmes Tuch, damit er die Hände
säubern kann. Dann bringt er eine Kanne Tee. Die Gäste sitzen am Fenster,
trinken ab und zu einen Schluck und verfolgen gelassen das Treiben in der Straße.
Die
Einwohner Tonglis sind traditionelle Blumenfreunde. Vor allem Azaleen lieben sie
über alles. Manche züchten sogar über zweihundert Blumensorten. In jüngster Zeit
wurde deswegen ein Blumenverein gegründet. Eine in Tongli gezüchtete Azalee wurde
beim Provinz-Blumenwettbewerb mit einem Preis ausgezeichnet. Außerdem gibt
es hier noch spezielle Lokalleckerbissen, z. B. gedämpfte Pastetchen mit
besonders zarter Teighülle und den „roten Klebreis“, der im Altertum dem Kaiser
zum Geschenk gemacht wurde und der unwiderstehlich köstlich duftet.
Zum
Schutz dieses einmaligen Ambientes hat die städtische Regierung entsprechende
Vorschriften erlassen: So dürfen in der Stadt keine Autos verkehren, keine Brücke
abgerissen, kein Kanal zugeschüttet und kein Haus höher als zwei Stockwerke
gebaut werden. Einige Kanäle und alte Gebäude werden jetzt renoviert.
Planmäßig wird der Fremdenverkehr aufgebaut. Per Boot kann man alle
Sehenswürdigkeiten der Innen- und Außenstadt besichtigen.
Sehr
reizvoll ist auch der Tongli-See, in dessen dunkelgrünem Wasser sich Fische und
über hundert Gänse tummeln. Mit dem Boot kann man von hier zum Jiuli-See
hinüberfahren.
Der Autor ist Angestellter
im Suzhouer Internationalen Reisebüro.
Aus
„China im Aufbau“, Nr. 5, 1984