Qipao
im Wandel der Zeit
Von Zhu Jinghui

Chinas
traditioneller Qipao gilt international als ein repräsentatives Frauenkleid
des Ostens. Die Gründe für seine seit Jahrhunderten ungebrochene Popularität
liegen in seinen zahlreichen Vorzügen. Sein Schnitt ist von zauberhafter Ingeniosität,
insbesondere auf die Verbundärmel können unsere Schneider stolz sein.
Das ganze Kleid, von oben bis unten, im Hinter- und Vorderteil, ist aus einem
Stück Stoff geschnitten. Es gibt weder Überlappungen noch sonstigen überflüssigen
Schnickschnack wie Gürtel oder aufgesetzte Taschen. Der Qipao bringt nichts als
die pure Naturschönheit des menschlichen Körpers zum Ausdruck. Der enge,
hochgeschlossene Kragen kündet von feierlicher Eleganz, der Hüftteil folgt anschmiegsam
der Körperform und die untere Partie ist mit Seitenschlitzen versehen, welche
nicht nur das Gehen bequemer machen, sondern dem Gewand auch einen Schuss Schwung
und Spritzigkeit verleihen. Die seitlich geschlossene Front, kennzeichnendes Merkmal
chinesischer Frauenkleidung, unterscheidet den Qipao strang von westlichen Kostümen.
Für
den Qipao können die verschiedensten Stoffe verwendet werden, von teuren
Seiden und Wollstoffen zu billigen Massentextilien. Das vielseitige Schlitzkleid
kann zu den verschiedensten Anlässen, auf dem Arbeitsplatz und in der Schule,
daheim und zu Ausgehen, getragen werden. Passende Modelle gibt es für jede Jahreszeit:
luftige Sommerkleidchen, gefütterte Versionen für Frühling und Herbst sowie wattierte
oder mit Pelz ausgelegte Winter-Qipaos. Auch was die Farben und Muster angeht,
sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt.
Ursprünglich
war der Qipao die Nationaltracht der Mandschuren. Anfang des 17. Jahrhunderts
hatte Nurhachi die verschiedenen Stämme der Nüzhen unter seiner Herrschaft
vereinigt und sie in einer neuen militärisch-politischen Ordnung zu acht
Bannern (Qi) reorganisiert, deren Angehörige auf Chinesisch Qiren („Bannerleute“)
genannt wurden. 1635 nannte Huangtaiji, der Nachfolger Nurhachis, sein Volk von
Nüzhen auf Mandschu um. Allmählich bildete sich unter den teils nomadischen,
teils Ackerbau treibenden, häufig zu Kriegszügen aufbrechenden Mandschuren
ein universell – von Alt und Jung, Männern und Frauen gleichermaßen
– getragenes robenähnliches Kleidungsstück heraus, das nach seinen Trägern
Qipao („Bannerrobe“) genannt wurde. Im allgemeinen reichte dieser Qipao nicht
bis zu den Füßen, nur die zur Vermählung von der Braut angelegte Festrobe
bedeckte auch die Schuhe. Akristokratinnen und Hofdamen trugen Schuhe, die auf
einem hohen, sich nach unten verbreiternden Sockel aufgesetzt waren, so dass ihre
Qipaos über die Füße reichten. Qipaos werden seitlich, links oder rechts,
zugeknöpft, Adelige hatten mitunter auch welche, die vorne oder hinten schlossen.
An Rücken und Brustteil war ein mit Brokat besticktes Stoffstück aufgenäht,
aus dem der Rang des Trägers hervorging. Bei hohen Adeligen war der Flicken
rund, bei gewöhnlichen Beamten rechteckig; Zivilbürokraten hatten einen Vogel
aufgestickt, Offiziere ein vierbeiniges Tier. Die Farbe Gelb und Drachenmotive
waren dem Kaiserhaus vorbehalten.
1644
brachen die mandschurischen Heere „durch die Pässe“, besetzten Beijing und
machten es zu ihrer Hauptstadt. Allmählich brachte die neue Qing-Dynastie
das ganze Land unter seine Herrschaft. Der Qipao begann sich in der Mittleren
Ebene zu verbreiten. Die neuen Herrscher zwangen dem Land ihre neue einheitliche
Tracht auf, allerdings dauerte es wohl noch ein rundes Jahrhundert, bis die in
der Ming-Dynastie üblich gewesene Kleidung vollends verdrängt war. Später
kamen zu den langen Roben kurze Jacken dazu.
Um
die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert begannen als Folge der allmählichen
Öffnung Chinas auch ausländische Einflüsse auf den Qipao abzufärben.
Die Taille wurde schmäler, die Ärmel kleiner und ein hoher Stehkragen
kam auf. Robe und Ärmel wurden mal länger gestaltet, mal kürzer.
Mit
Anbruch des 20. Jahrhunderts begann der Qipao dem wechselnden Geschmack der Mode
noch enger zu folgen und wurde zu einem von den Frauen gerne getragenen Alltagskleid.
Zu
Beginn der zwanziger Jahre fand der Qipao im Zug des Nordfeldzuges gegen die Kriegsherren
rasch im ganzen Land Verbreitung. Bevorzugt wurde ein körperbetonter Schnitt
mit relativ weiten, über die Ellbogen reichenden Ärmeln, der nach wie vor
die weiten, lockeren Formen der Jahrhundertwende beibehielt.
Im
weiteren Verlauf der zwanziger Jahre bis zu Beginn der dreißiger Jahre herrschten,
westlichen Modetrends folgend, kürzere, knapp über die Knie reichenden Qipaos
vor, deren Ärmel und unterer Kleidsaum eng gefasst waren. Ab Mitte der dreißiger
Jahre kamen wieder längere, teilweise bodenlange Qipaos auf, wobei der Schlitz
extrem hoch geführt wurde. En vogue waren stark taillierte, sehr körperbetont
geschnittene Modelle, welche die weiblichen Formen besonders plastisch hervortreten
ließen.
In den
vierziger Jahren setzten sich wieder kürzere Längen durch, wobei der Schnitt
zu der dreihundert Jahre früher üblich gewesenen Urform (Ärmel und Rumpfteil
aus einem Stück Stoff) zurück kehrte. Der einzige Unterschied bestand in der leicht
körperbetonten Linienführung.
Gegen
Ende der fünfziger Jahre verschwand der Qipao allmählich aus der Damengarderobe.
Während der zehnjährigen Wirren (1966-1976) wurde er gar ein Ziel heftiger
ideologischer Attacken.
Erst
in den letzten Jahren ist das traditionelle Kleidungsstück wieder aufgekommen;
die Zahl der Frauen, die es tragen, nimmt ständig zu. Ganz neue Schnitte
beginnen sich durchzusetzen. Hinterer und vorderer Teil werden nun vornehmlich
getrennt zugeschnitten und die Ärmel sind aufgesetzt. Damit wird der Qipao
nicht nur verschiedenen Körperformen gerechter, sondern kann auch leichter
massenproduziert werden. Diese Entwicklung von der mühsamen Handanfertigung zur
rationellen Großproduktion ist ein bedeutender Fortschritt.
Kurzärmelige
und kragenlose Modelle sind praktisch und doch von spezifisch fernöstlichem
Flair. Trachten, die in Südchina und bei den Yi üblich sind, haben zu anderen,
sehr reizenden Qipao-Versionen angeregt. Wie überhaupt dem Einfallsreichtum in
der Kreation neuer Entwürfe keine Grenzen gesetzt zu scheinen. Allerdings wird
der Qipao im Alltag noch nicht allzu häufig getragen.
Internationalen
Modemachern hat dieses traditionelle chinesische Gewand schon zu mancherlei Anregungen
verholfen: Körperbetonte Linienführung, hohen Stehkragen und Seitenschlitz
guckten viele Designer vom Qipao ab.
Aus
„China im Aufbau“, Nr. 5, 1984