Das
Rätsel
um
Chinas Low-Profit-Tee
Von
Luo Yuanjun
Yuan Keding baut am Berg Huping
seit mehr als 30 Jahren Tee an. Dieses Jahr war eine Rekordernte, aber die Erfahrung
hat ihn gelehrt, auf die Teepreise zu achten, bevor er zu feiern beginnt. Falls
diese fallen, wird es wenig Grund zur Freude geben.
Die
Preisentwicklungen verwirren Yuan. Er hat die Teehändler beobachtet, die
in die nahe gelegenen Dörfer kommen, um Tee zu kaufen, und hat auch gesehen,
wie sie die niedrigsten Preise abwarten.
Yuan
Kedings Sohn arbeitet für eine ausländische Firma in Beijing. Er trinkt für
gewöhnlich Tee aus Teebeuteln von Lipton. Gefragt, weshalb er bei dieser
Marke bleibe, sagt er, Lipton sei eine weltbekannte und damit vertrauenswürdige
Marke.
Nach Aussage
von Wu Mengzhao, dem Präsidenten der Fördergemeinschaft für Teekultur
Guangzhou, macht die Teeproduktion Chinas, das als erstes Land Tee entdeckte und
anbaute, ein Viertel, und sein Export ein Sechstel des Weltmarktes aus. Dennoch
hat China wenige international anerkannte Teemarken.
Der
größte Teil des chinesischen Teeexports auf dem internationalen Markt
ist keine Markenware, sondern offene, und der Wettbewerb bleibt auf den Preiskampf
beschränkt. Chinas Teeexport ist vom ersten auf den vierten Platz zurückgefallen.
Nach einer Umfrage von CMMS (China Marketing Media Study), die in 30 Städten
unter 71 849 Teetrinkern zwischen 15 und 64 Jahren durchgeführt wurde, beherrscht
die britische Marke Lipton den chinesischen Markt für Teebeutel. Von den Teetrinkern,
die drei oder mehr Tassen pro Tag trinken, benutzen 29,4 Prozent Lipton-Tee, 13,8
Prozent trinken Tee der Marke Tuo. Andere Marken haben minimale Marktanteile.
Im
April 2004 stieg Lipton in den chinesischen Markt für grünen Tee ein. Zwei Monate
später wurden grüner Tee und Jasmintee probehalber auf den Märkten in
Ostchina und Beijing eingeführt, und Lipton schritt weiter in die über 30 chinesischen
Großstädte und Provinzhauptstädte voran, einen monatlichen Werbeetat
von 10 Mio. Yuan im Rücken.
Yuan Keding lehnt Tee in Beuteln
ab, weil dieser kaum mehr als Pulver ist. Für ihn macht es einen großen
Teil der Freude am Teetrinken aus, zuzusehen, wie sich die Blätter während
des Ziehens entfalten. Die Etikettierungen irritieren ihn, wenn sie Longjing (Drachenbrunnen)
und Biluochun (Grüne Schnecke im Frühling) als Marken angeben, obwohl dies eigentlich
Teesorten sind. Als sein Sohn ihm erklärte, dass bekannte Marken die besten
Preise erzielten, war er darüber entrüstet, und hielt dies für eine unlautere
Praxis.
In der Gegend
um den Berg Huping werden mehr als zehn Teemarken produziert – zu viele für gemeinsame
Initiativen. Beim Versuch, das Gebiet zu modernisieren, gab das Amt für technische
Überwachung der Provinz Hunan im Jahr 2000 seine „Umfassenden Technischen
Richtlinien für Shimen Yinfeng-Tee“ heraus. Ziel war es, die Bauern zu veranlassen,
Qualität zu garantieren, und allgemein anerkannte Teemarken zu etablieren.
Leider können die Bauern der Region nur die Qualität einer bestimmten
Teesorte sicherstellen.
Fachleute
sagen, dass die lokale Regierung eine entscheidendere Rolle bei der Schaffung
von Teemarken einnehmen sollte, aber Yuan Li stimmt dem nicht zu: „Lokale Marken
zu etablieren, erfordert die finanzielle Beteiligung von lokalen Produzenten und
Händlern. Tatsächlich ist jedoch niemand bereit, in die Schaffung von
Marken zu investieren, um dann zu erleben, wie andere ohne eigene Beteiligung
Vorteile daraus ziehen.“
Huang
Jianzhang, Vizepräsident und Generalsekretär des Forschungsinstituts
für Teekultur der Provinz Guangdong, sagt, eine vermarktungsfähige Teemarke
sollte allgemein anerkannten Anforderungen an Qualität, Standardisierung,
Massenproduktion, Kommerzialisierung und geschmackvolle Verpackung genügen.
Yuan
Li, der auf einer Teeplantage aufwuchs, fügt hinzu, dass Werbung ein weiterer
Schlüsselfaktor sei. In den Medien gibt es nur wenige Werbeschaltungen für Tee,
was den Eindruck erweckt, als seien chinesische Teehändler weniger erfolgreich,
oder als scheuten sie den finanziellen Aufwand groß angelegter Werbung.
Xu
Yongcheng, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Teegesellschaft Shanghai, sagt,
dass die chinesische Teeindustrie zusammenfassend beschrieben werden kann als
zu viele und zu wenige. Es gibt zu viele Teesorten, Fabriken, Verpackungsarten,
und zu wenige eingetragene Warenzeichen und bekannte einheimische oder internationale
Marken. Ohne Marke kein Markt, nicht zu reden von Prestige und Kundentreue. Hinter
der prosperierenden Fassade der chinesischen Teeindustrie verbirgt sich eine große
Unsicherheit um den Mangel an Markennamen.
Die
für ihn so befremdlichen Marken haben Yuan Keding doch einen gewissen Nutzen verschafft.
In den vergangenen Jahren kamen verschiedene Teemarken vom Berg Huping in den
Genuss eines gewissen Ansehens. Teehändler kommen an den Berg Huping von
überall im Land, und er macht sich wenig Sorgen um den Verkauf seines Tees. Die
Teepreise mögen schwanken, aber in der Regel steigen sie, daher ist er zuversichtlich
genug, abzuwarten, wenn Teehändler seinen Tee vordergründig abzulehnen scheinen.
Wenn er allerdings wüsste, dass an Lipton-Teebeuteln alles außer der Marke
aus China stammt, die Verarbeitung eingeschlossen, wäre er weniger versöhnlich.
Einteilung von Teesorten
Tee
gibt es in vielen verschiedenen Sorten, und obgleich China die meisten hat, fehlt
bisher eine einheitliche Klassifizierung. Professor Chen Chuan der Universität
für Landwirtschaft Anhui teilt Tee nach dem Grad der Polyphenol-Oxidation in sechs
Kategorien ein. Diese sind: Grün, gelb, schwarz, blau, weiss und rot. Nach anderer
Methode wird Tee nach Verkaufsformen unterschieden, nämlich rot, grün, Jasmin,
Oolong, weiß, gepresst und instant.
Die
Einteilung in Übersee ist einfacher. In Europa gibt es drei Kategorien: Schwarzer,
Oolong und grüner Tee. In Japan gibt es vier Kategorien nach Grad der Fermentation:
Nicht fermentierter, halb fermentierter, voll fermentierter und nachfermentierter.