Bambus
gegen Bluthochdruck
Pflanzliche
Mittel aus China und das Goethe-Institut als Karriere-Sprungbrett
Von
Atze Schmidt
Mehr als verdreifacht hat
sich in den 15 Jahren, seit das Goethe-Institut seine Zweigstelle
in Peking betreibt, die Zahl der hier deutschlernenden Chinesen.
Waren es erst rund 400 im Jahr, so sind es jetzt über 1400.
Die in den Deutschkursen erworbenen Kenntnisse und die entsprechenden
Zertifikate haben sich für viele der Studentinnen und Studenten
als Türöffner für Karrieren erwiesen, von deren Möglichkeit
die Generation ihrer Eltern nicht einmal zu träumen wagte.
Ein Beispiel ist Zhao Jie, 29 Jahre alt, ausgestattet mit
Abschlüssen in den Studienfächern Ernährungswissenschaft,
Lebensmitteltechnologie, Biochemie und Mikrobiologie. Auf
seiner Visitenkarte steht „Master of Science“, „Marketing
Development Adviser“ und „Chairman of the Board“.
Wir treffen uns im Biergarten des Pekinger
Freundschaftshotels. Zhao Jie mag die Biergartenatmosphäre.
„Ich bin ein bisschen bayrisch geworden“, sagt er in einem
unüberhörbaren bayerischen Tonfall. Dreieinhalb Jahre
hat er am Freisinger Institut für Lebensmitteltechnik der
TU München studiert. Vorausgegangen waren ein Studium an der
Technischen Universität Peking (Fachgebiet Ernährungswissenschaften),
ein journalistisches Gastspiel bei der Zeitschrift „China
Food News“ und zwei Intensivkurse am Goethe-Institut.
„Das bei Goethe war ein Start bei Null“,
sagt er, „ich hatte keine Ahnung von Deutsch, nicht ein Wort.
Ein hartes Jahr, keine Zeit für Biergärten. Nur noch
Vokabeln und Grammatik in den Kopf gestopft!“ Er wusste um
die Höhe der Hürde, die zu überspringen ist, um von einer
deutschen Universität angenommen zu werden. Und er hat
es geschafft. Natürlich ist er stolz auf seine Leistung, doch
Komplimente wehrt er ab mit typisch chinesischer Bescheidenheit:
„Nicht der Rede wert.“
Wer heute in China die richtige Idee hat
und sich das dafür nötige Wissen aneignet, hat schon
fast gewonnen. China ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten?
Wer die Erfolgsstorys junger chinesischer Unternehmer liest,
bekommt diesen Eindruck.
Zhao Jie hat den Markt der pflanzlichen
Präparate für sich entdeckt. Neu ist dieser Markt in
China zwar nicht, denn die traditionelle chinesische Medizin
bedient ihn seit Jahrtausenden, doch mit moderner Technik
lassen sich heute Präparate anfertigen, welche die Erfahrungen
der alten chinesischen Medizinmischer mit nur weitaus effektiveren
Resultaten nutzen. So werden z. B. aus einer Substanz, gewonnen
aus dem in Südchina wuchernden Bambus, Kapseln gegen Bluthochdruck
hergestellt, gegen ein auch in China inzwischen weitverbreitetes
und aufgrund falscher Ernährung meist selbstverschuldetes
Leiden. Aus den Früchten des Gingko wird ein auf tibetischen
Erfahrungen basierendes Mittel gegen Kopfschmerzen produziert,
das zugleich die Beschwernisse der Alzheimerschen Krankheit
erleichtern soll. Und die Pollen der Blüten von Kiefern werden
zu einem wirksamen Mittel gegen Verdauungsprobleme verarbeitet.
So gibt es Dutzende von Präparaten, teils neuartige und
teils auf alte Rezepturen sich beziehende, auf die, glaubt
Zhao Jie, ein riesiger chinesischer Markt wartet. Und auch
das Ausland sei, wie er in Deutschland erfahren habe, sehr
empfänglich für Heilmittel aus dem Fernen Osten.
Clever, wie viele der in der chinesischen
Marktwirtschaft aufgewachsene junge Chinesen sind, hat Zhao
Jie seinen jährlichen Heimaturlaub während der Studienjahre
in Deutschland zu Kontaktaufnahmen mit diversen Unternehmen
genutzt. Mit dem Hongkonger Konzern Dong Hai, der auf dem
Markt für pflanzliche Produkte ein zunehmend gewichtiges Wort
mitredet, wurde er schließlich handelseinig. Jetzt ist
Zhao Jie dabei, in China den Vertrieb für die Erzeugnisse
der Hongkonger Zentrale aufzubauen und zugleich Möglichkeiten
eigener Produktionen auszuloten. Dafür sucht er noch Geschäftspartner,
am liebsten solche aus Deutschland. (Kontaktadresse: bjdht@yahoo.com.cn)
Die Ernährungswissenschaft ist ein
Thema, mit dem im Übrigen die ganze Familie Zhao sich
beschäftigt. Zhao Jies Vater, Prof. Zhao Lin, und auch
die Mutter sind in Peking auf diesem Gebiet tätig. Beide
waren schon mehrfach in Deutschland, wo sie jeweils mit ihrem
Fachkollegen Prof. Manfred Kirchgässner in Freising zusammengearbeitet
hatten. Prof. Zhao ist außerdem Verfasser eines Buchs,
das die gesammelten Erfahrungen eines Lebens im Dienst der
Wissenschaft von der richtigen Ernährung beinhaltet.
In einer Zeit, in der Fastfood und Softdrinks auch in China
ihr Unheil anrichten, unübersehbar an der wachsenden Zahl
dicker Menschen, ein wichtiges Buch. Doch weil sich der Mensch
in der Regel so ungern belehren lässt, werden die ernährungsbedingten
Krankheiten auch in China weiter zunehmen. Und damit der Bedarf
an Heilmitteln.